Mit den aktuellen „tektonischen Verschiebungen im Media-Business” eröffnete Maximilian Mondel, Co-Founder MOMENTUM Wien und Mastermind der JETZT Konferenzen, den Fireside-Chat mit Peter Lammerhuber. Lammerhuber zählt nicht nur zu den besten Kennern der österreichischen und auch internationalen Media-Szene, er ist auch einer, wenn nicht der Begründer der Media-Branche in Österreich. Mit der MediaCom gründet er 1987 eine der mächtigsten Media-Agenturen in diesem Land, bündelte sie später mit anderen Agenturmarken wie Mindshare, Wavemaker u.a. unter dem Holding-Dach der Group M Austria, die er als CEO auch führte und mit Jahresende 2020 „endgültig“ verließ: „Nach exakt 32 Jahren und 3 Monaten“, so Lammerhuber. Aktuell ist Lammerhuber Gründer der TIC The Innovation Company.
„Einer der wesentlichen Gründe für Merger ist immer die Eitelkeit der CEOs bzw. die entsprechende Börsen-Story dahinter”, blickte Lammerhuber durchaus kritische auf die Merger in der Werbe- und Media-Branche. Auch wenn er das selbst eine Zeit lang forciert habe. Aus seiner eigenen Erfahrung gehe es offiziell allerdings immer um Synergieeffekt. „Das ist die Geschichte dahinter, aber es heißt natürlich auch Zusammenlegung des Finanzbereichs, des Back Office und verschiedener anderer Einheiten”, so Lammerhuber, „und das heißt auch immer Personaleinsparungen.” Immerhin liege der Kostenfaktor Personal in den Media-Agenturen bei rund 65 Prozent. In der KI sieht Lammerhuber hingegen keine Gefahr, dass sie in den Media-Agenturen die Menschen ersetzen werde. „Denn die KI braucht immer Menschen, die die sie füttern und bedienen.”
Nur noch Reste der großen WPP-Agenturen
Auch wenn er die Branche nicht mehr sehr intensiv verfolge, schließe er nicht aus, dass es künftig erneut zu größeren Mergern in der Agentur-Szene kommen werde. Lammerhuber: „Aber wenn man etwas zusammenlegt, dann wird es immer weniger. Man braucht nur zu schauen, was in Österreich aus den großen WPP-Agenturen geworden ist. Abgesehen von Ogilvy gibt es alle anderen nicht mehr.”
Für unaufhaltsam sowie generell der Internationalisierung und Globalisierung geschuldet sieht Lammerhuber die Bildung von Hubs, um Kunden über eine gesamte Region hinweg betreuen zu können. „Das heißt aber auch, dass das lokale Business immer weniger wird und immer mehr Aufgaben zu den internationalen Einheiten abwandern.” Für ihn als Media-Profi seien in Österreich immer die Top 300 und deren Budgets im Fokus gestanden. Doch mittlerweile würden von diesen Top 300 nur noch maximal 30 Prozent lokal agieren und entscheiden können. „Lokal bleiben oft nur die Below-the-line- und Digital-Aktivitäten”, so Lammerhuber: „Um auch noch ein bisschen lokal spielen zu dürfen.”
Er habe in der Schweiz die Erfahrung gemacht, dass die Betreuung eines Kunden über einen DACH-Hub hinweg nicht problemlos funktioniere. Der lokale Markt, insbesondere einer wie die Schweiz weise zu viele nationale Eigenheiten auf, erfordere entsprechende lokale Kenntnisse und Insights. Lammerhuber: „Das Zusammenfassen der Media-Agenden in der DACH-Region funktioniert rudimentär. Ich bin nicht der große Freund von Regionen.”
Hingegen outete sich Lammerhuber noch immer ein Reichweiten-Fan zu sein, bekennt sich aber auch dazu, durchaus den regionalen Markt zu fördern, regionale Medien zu unterstützen. Um große Reichweiten zu erzeilen, habe er gerne auf Außenwerbung gesetzt, die bei seinen Planungen sukzessive stärker von digitalen Aktivitäten flankiert wurde. Auch Gaming werde zunehmend wichtig. Lammerhuber: „Das ist ein Riesending.” Auch heute würde er bevorzugt noch auf Außenwerbung setzen, um hohe Reichweiten zu erzählen. „Ich würde auf einen Mix mit einem großen Anteil an digitalen Kanälen setzen.”
TV hat viele Chancen vergeben
Eher kritisch sieht Lammerhuber die Entwicklung im TV-Segement und meint, TV habe viele Chancen durch die Programmierung vergeben. „Aber es ist noch immer eines der stärksten emotionalen Medien, damit ist es möglich, rasch etwas aufzubauen.” Bei Bewegtbild im Online-Sektor stelle sich für ihn hingegen die Frage, über welche Kanäle es möglich ist, Kampagnen so umzusetzen, dass ich mit meiner Botschaft auch gesehen werde. Lammerhuber: „Media ist kleinteiliger geworden, die Reichweiten haben sich fragmentiert und es wird immer schwieriger etwas über Reichweiten aufzubauen.”
Das Ende der Media-Agenturen sieht Lammerhuber noch lange nicht gekommen, denn sie würden neben der Planung den Unternehmen vor allem auch einen hohen Anteil an Administration abnehmen, vom immer komplexeren Einkauf über diverse technische Dienstleistungen bis hin zur Marktbeobachtung und ‑analyse. „Das Backbone einer Media-Agentur ist und bleibt eine sehr sehr gute Administration, eine sehr gute Abrechnungssystematik. Die Medienlandschaften werden immer komplexer, daher bleibt die Rolle der Media-Agentur als Guide durch diese Medienlandschaft” und die Verzahnung der einzelnen Medien zentral, um die Werbeleistung auch „auf die Straße zu bringen”.
Wirkung von Online unterschätzt
„Ich hätte ein bisschen mehr auf lineares Fernsehen gesetzt”, meinte Lammerhuber auf die Frage, welche aktuellen Medienentwicklungen er so nicht erwartet hätte. „Ich bin überrascht, wie schnell der Konsument von den digitalen Medien abhängig wird, wie leicht der Konsument auf die psychologischen Schmähs der digitalen Anbieter hereinfällt, die ihn abhängig machen und dazu verleiten, diese Angebote permanente zu nutzen. Die Wirkung von Belohnungssystemen und all das habe ich ein bisschen unterschätzt. Ich hätte den Konsumenten dabei für ein bisschen mündiger gehalten.”
„Nix”, bleibt Lammerhuber bei der Antwort auf die Frage, was die heimischen Publisher und Verleger den Tech-Giganten entgegensetzen könnten, knapp. Die Fehler seien von diesen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, bereits vor 20, 25 Jahren gemacht worden. Beispielsweise hätte es schon in früheren Jahren die Möglichkeit gegeben, mit geringem finanziellen Einsatz in Märkte wie Rumänien oder Polen zu investieren und auch digitale Angebote zu etablieren. Während beispielsweise für Markenartikel-Konzerne wie Procter&Gamble in Osteuropa Polen und Rumänien mit 30 bis 40 Millionen Einwohnern von Interesse gewesen seien, hätten sich österreichische Publisher immer nur auf die regionalen Märkte fokussiert und bestenfalls in die umliegenden Kleinstaaten expandiert. „Die österreichischen Verleger haben immer nur auf den lokalen Markt geschaut, wollten nur hier gestalten und mitregieren, waren zu wenig Unternehmer, um entsprechend zu agieren. So haben sie es auch in den Nuller-Jahren verabsäumt im digitalen Sektor medial zu investieren.”
Dann streut Lammerhuber noch Ronny Hochmair und der Agentur Mediaplus Rosen. In der Mediaplus Austria sieht er aktuell die agilste und beste Media-Agentur des Landes: „Auch weil sie wenig am internationalen Tropf hängt und lokal relativ viel im Segment Kreativ-Media umsetzt.”
Letztendlich traue er sich „nicht in die Glaskugel schauen”, um die künftige Entwicklung der Media-Agenturen und Media-Branche vorherzusagen. Lammerhuber: „Aber ich sehe im Moment keine großen Veränderungen.”