Phase 1 des Relaunchs der vor ziemlich genau neun Jahren ins Leben gerufenen ORF-TVthek wurde eben vorgestellt. Welche Strategie steckt hinter der aktuellen Runderneuerung von Features, Technik und Inhalten?
Thomas Prantner: Inhaltlich und technisch wurde die ORF-TVthek seit ihrem Launch 2009 laufend erweitert: Gestartet mit ca. 70 Video-on-Demand Sendungen und 20 Livestreams, umfasst das Angebot inzwischen mehr als 220 Sendungen als Video-on-Demand und 200 Livestreams. In etwas mehr als neun Jahren ist es meinem Team und mir gelungen, die ORF-TVthek mit rund 1,5 Millionen Usern pro Monat zur größten Videoplattform Österreichs zu machen. Was Usability, Funktionalitäten und Design betrifft, ist die ORF-TVthek aber etwas in die Jahre gekommen und daher ist nunmehr genau der richtige Zeitpunkt, um einen Relaunch durchzuführen. Dieser wird auch Verbesserungen bei der technischen Performance bringen, da es in den vergangenen Monaten aufgrund massiver Nutzungssteigerungen zu Problemen gekommen ist. Inhaltlich werden wir den gesamten fiktionalen Bereich, wie Filme, Serien stärker in die Auslage stellen und gleichzeitig das Livestream-Informationsangebot ausbauen. Der ORF-TVthek-Relaunch wird noch im 1.Quartal 2019 umgesetzt.
Im ersten Quartal/Halbjahr 2019 soll die nächste Stufe – Phase 2 – gezündet werden. Welche Neuerungen werden die User dann erwarten?
Thomas Prantner: Ob und wenn ja wann wir die 2. Phase des TVthek-Relaunches starten können, hängt maßgeblich von den rechtlichen Rahmenbedingungen, also konkreten gesetzlichen Änderungen ab. Wir hoffen mit dem neuen ORF-Gesetz sehr auf Erleichterungen im digitalen Bereich, damit wir unseren Usern möglichst viele neue Funktionalitäten, Tools und Angebote bieten können. Die Pläne zur 2. Phase des ORF-TVthek Relaunchs fließen schon stark in die ORF-Player-Strategie ein und sehen weitere wichtige Digitalisierungsschritte vor: eine Verlängerung der Abrufdauer für Bewegtbild-Content, das heißt ein Ende der unsäglichen und publikumsfeindlichen 7‑Tage-Regel bei der ORF-TVthek. Darüber hinaus wollen wir „Online only“- und „Online first“- Services, ein 24/7‑Streaming aller vier ORF-TV-Sender sowie eine verstärkte Personalisierung mit einer Log-In-Funktion anbieten, die unter anderem die device-übergreifende Nutzung von ORF-Content ermöglicht. Der ORF-TVthek-Relaunch zahlt zu 100 Prozent auf das neue große ORF-Player-Projekt ein, dessen Projektleiter Franz Manola damit – nach der ORF.at-Gründung 1997 – einen weiteren digitalen Meilenstein für den ORF setzen wird. Als ORF-Onlinechef und TVthek-Gründer werde ich Ihn dabei voll unterstützen. Ich freue mich sehr, dass mich Generaldirektor Dr. Wrabetz für das Steering Comittee dieses ORF-Player-Projekts nominiert hat.
Wie weit sind die Verhandlungen mit der Politik hinsichtlich der Vergrößerung des Handlungsspielraums für die ORF-TVthek und der entsprechenden Verankerung im ORF-Gesetz gediehen?
Thomas Prantner: Der ORF „verhandelt“ nicht mit der Politik über neue Gesetze, denn für diese sind Regierung und Parlament zuständig. Wir wurden aber im Rahmen der von Bundesminister Blümel initiierten Medienenquete eingeladen, unsere Vorstellungen zur Zukunft des ORF als digitales Medienunternehmen zu präsentieren. Dies geschieht laufend und ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Argumente hier positiv aufgenommen werden. Es geht ja nicht nur darum, dem ORF gesetzlich mehr „zu erlauben“, sondern viel mehr um optimale Rahmenbedingungen für eine neue Medienkoalition zwischen dem ORF und privaten Medienhäusern zu schaffen. Diese soll konkret etwa in Form von Content- und Vermarktungsallianzen geschaffen und gelebt werden. Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung ist die im Jänner 2017 gegründete Austria Video Plattform der APA, die maßgeblich vom ORF forciert und realisiert wurde. Der ORF stellt den österreichischen Zeitungen via APA jährlich mehr als 30.000 (!) Videobeiträge, vor allem Premium-Content aus den Bereichen Information, Regionales und Magazine zum „Embedden“ in ihre Online-Dienste zur Verfügung. Wir haben damit anhand eines wichtigen Projekts bewiesen, dass wir es ernst meinen, mit den privaten Medienhäusern zu kooperieren.
Was würden Sie denn in Zusammenhang mit der ORF-TVthek bzw. dem sogenannten ORF-Player gerne alles dürfen?
Thomas Prantner: Einiges habe ich ja schon angedeutet. Aber eines ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig zu erwähnen: Dem ORF wurde und wird von verschiedenen Seiten immer wieder vorgeworfen, die „Digitalisierung verschlafen zu haben“. Ich möchte diesem Vorwurf entschieden widersprechen, weil er einfach sachlich falsch ist. Der ORF ist mit seinem ORF.at-Angebot trotz härtester Konkurrenz seit mehr als 20 Jahren klarer Marktführer und hat mit seiner Videoplattform ORF-TVthek die größte Mediathek Österreichs etabliert. Der ORF liegt im Bereich der digitalen Entwicklung europaweit im Spitzenfeld. Was stimmt ist, dass wir noch viel weiter wären, hätten wir nicht mit dem ORF-Gesetz 2010 zahlreiche Verbote, rechtliche Fesseln und Einschränkungen auferlegt bekommen, die bis heute negative Auswirkungen auf die Digitalisierung der ORF-Produkte haben. Ich nenne nur das Verbot des IT-Onlineangebots Futurezone, Verbot der ORF-Ski-Challenge, Einschränkung der regionalen Online-Berichterstattung auf 80 Meldungen pro Woche pro Bundesland, jahrelange bürokratisch aufwendige und teure Genehmigungsverfahren für die Schaffung neuer Online-Angebote – Stichwort Radiothek. Diese darf nunmehr nach einem viereinhalbjährigen (!) Rechtsverfahren im Jahr 2019 gestartet werden. Man kann uns daher nicht einerseits vorwerfen, zu wenig für die Digitalisierung zu machen und uns andererseits aber nicht jene Rahmenbedingungen geben, die die Voraussetzung für genau diesen digitalen Ausbau sind. Ich bin jedoch sehr optimistisch, dass es da nun im kommenden – von der Bundesregierung ausgerufenen – Jahr der Digitalisierung zu erheblichen Verbesserungen kommen wird.
In Zusammenhang mit dem ORF-Player ist immer wieder auch von abrufbaren Bezahlinhalten die Rede: Welche Inhalte wären das und wie sähen die Pricing-Modelle aus?
Thomas Prantner: Eines steht fest: ORF.at und die ORF-TVthek sind und bleiben auch in Zukunft kostenlos. Der ORF-Player wird aber sicherlich die Möglichkeit bieten, dass die bestehenden Bezahlangebote wie „Flimmit“ (ORF-Plattform für österreichische Filme, Serien und Dokus) und „fidelio“ (Digitale Klassik-Plattform von ORF und Unitel) unter dem gemeinsamen Dach des ORF-Players leichter zugänglich sein werden.
Von der Zukunft in die Gegenwart bzw. jüngere Vergangenheit: „Zu langsam“ und „zu holprig“ sind oftmals geäußerte Kritikpunkte von ORF-TVthek-Usern. Weiters wir moniert, dass der ORF hinter vergleichbaren Angeboten – etwa jenem des ZDF – hinterherhinke. Was entgegnen Sie diesen Stimmen?
Thomas Prantner: Wie ich bereits erwähnt habe, ist es aufgrund der intensiv steigenden Nutzung zu Performance-Engpässen auf der ORF-TVthek gekommen. Ein Top-Technikerteam konnte bereits einen Großteil der auftretenden Probleme lösen. Eine 100-prozentige Fehlerlosigkeit gibt es weltweit nirgends, aber natürlich habe ich höchstes Interesse daran, dass unsere 1,5 Millionen User zufrieden sind und die Angebote der ORF-TVthek optimal nutzen können. Bezüglich ZDF-Mediathek hält die ORF-TVthek jedem Vergleich stand. In gewissen Bereichen können wir von den Kollegen vom ZDF lernen, in einigen Bereichen ist es umgekehrt.
Was sind eigentlich die traditionell meistgenutzten Inhalte der ORF-TVthek und was waren bisher die absoluten Top-Hits?
Thomas Prantner: Zu den meistabgerufenen Sendungen (Livestream und Video-on-Demand) gehören unter anderem Sportsendungen, Comedyformate, ORF-Serienhits und TOP-News aus den ZIB-Sendungen. Bei den Livestreams dominiert die Fußball-WM alle Top-Ten-Plätze. Starke Livestream-Nutzung gibt es auch bei anderen Sportevents wie Skiweltcup-Rennen. In unserer VoD-Hitliste rangiert das ZiB 2‑Interview vom 27. März 2017 mit dem damaligen niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll an erster Stelle. Im Bereich Unterhaltung dominieren Top-Serien wie die „Vorstadtweiber“ und der Kulthit „Willkommen Österreich“.
Welche Learnings ziehen Sie aus diesem Nutzungsverhalten?
Thomas Prantner: Ein Blick auf die Nutzungsminuten zeigt, dass das Verhältnis zwischen Live- und VoD-Nutzung bei genau 50 Prozent zu 50 Prozent liegt. Die steigenden Nutzungszahlen der ORF-TVthek (mehr als 20 Prozent Steigerung bei den Visits gegenüber 2017) sind aber auch ein deutlicher Beleg für den hohen Bedarf an flexibler zeit- und ortsunabhängiger Mediennutzung ergänzend zum linearen TV. Speziell bei der mobilen Nutzung sehen wir daher eine starke Aufwärtstendenz: Die Nutzung der ORF-Apps ist im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gestiegen.