Herr Seiringer, seit knapp mehr als einem Jahr, genauer seit Jänner 2024 ist das Streaming-Portal ORF ON online, wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Matthias Seiringer: Es ist ein Privileg, die innovative und zukunftsweisende Streamingplattform ORF ON vermarkten zu dürfen. Die Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Programm-Angebots ist besser sichtbar als jemals zuvor. ORF ON wird laufend weiterentwickelt und von Tag zu Tag besser. Davon profitieren sowohl die User als auch die werbetreibende Wirtschaft.
Was hat sich für Werbekunden seither geändert?
Seiringer: ORF ON revolutioniert den digitalen Zugang zu einer breiteren Streaming-Zielgruppe. Dank der signifikant gesteigerten Zugriffe auf die neue Streamingplattform sind die Menschen frequentierter und damit leichter zu erreichen. Unverändert ist hingegen die außergewöhnliche Qualität der Werbeplatzierung: absolute Alleinstellung in einem kompromisslos hochwertigen, sehr attraktiven Videoumfeld mit österreichischer Identität. Diese öffentlich-rechtliche Content-Qualität und die damit einhergehende Aufmerksamkeit ist die Basis für einen positiven Imagetransfer, von dem Kampagnen auf ORF ON profitieren.
Welche Rolle spielt ORF ON generell im Werbe-Portfolio des ORF?
Seiringer: Als führender Bewegtbildvermarkter öffnen wir den Kundinnen und Kunden der ORF-Enterprise den Zugang zur dualen Videowerbung im klassischen Live-TV und im wegweisenden Streaming-Portal. Die sehr erfreuliche Akzeptanz durch Agenturen und Werbetreibende bestätigt die Relevanz des ORF-Contents auf allen Ausspielkanälen.
Besteht da nicht die Gefahr, dass Werbebudgets vom klassischen TV zu ORF ON umgeschichtet werden?
Seiringer: Die Gefahr, eines Shifts zu globalen Plattformen ist bedeutend größer. Der ORF bietet „Streaming auf österreichisch für alle“! Nicht nur was den Content, sondern auch was die Technik anbelangt, wodurch Wertschöpfung in Österreich geleistet und Innovation vorangetrieben wird. Und unser Streaming-Angebot generiert zu einem guten Teil inkrementelle Reichweiten, vorrangig in jüngeren Zielgruppen im Vergleich zu linearem Live-TV. Damit ist ORF ON eine optimale Ergänzung zum klassischen Fernsehen und schlägt die Brücke der etablierten Medianmarke ORF zu jüngeren Zielgruppen mit einem anderen Nutzungsverhalten. ORF ON erfüllt das Markenversprechen „ORF für alle“ mit – digitalem – Leben!
Wie sieht die anteilsmäßige Verteilung der Werbeumsätze für die einzelnen ORF-Kanäle aus?
Seiringer: Wir denken weder in Kanälen, noch in Websites, sondern in qualitativ hochwertigem Bewegtbild der öffentlich-rechtlichen Medienmarke ORF. Unser Interesse und unser Auftrag liegt darin, österreichischen Content den Usern einfach, ansprechend und attraktiv zugänglich zu machen und Werbetreibenden ein verlässliches Umfeld zu schaffen. Beispielsweise spielt es für uns bei einer exklusiven Übertragung der Ski-WM aus Saalbach eine untergeordnete Rolle, ob der Stream auf ORF-ON, auf sport.ORF.at oder im ORF-Ski-Special abgerufen wird. Es geht um den Touchpoint mit dem ORF und die Werbewahrnehmung im ORF. Laut Studien haben 98 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher regelmäßig diesen – für Werbetreibende sehr wertvollen – Touchpoint mit dem ORF.
Wie blicken Sie generell auf das (Digital-)Werbejahr 2024 zurück?
Seiringer: Das vergangene Jahr ist gut gestartet und hatte mit der UEFA EURO in Deutschland, den Olympischen und den Paralympischen Sommerspielen aus Paris reichweitenstarke sportliche Highlights zu bieten. Das Super-Wahljahr mit unter anderem EU‑, US- und Nationalratswahlen war für das führende Nachrichtennetzwerk ein Zugriffsmagnet. Die vielen wirtschaftlichen Negativ-Schlagzeilen und noch schlechteren Prognosen zu Jahresende drückten allerdings auf die Stimmung und waren aus Vermarktersicht herausfordernd.
Bilanzierend war 2024 mit einem deutlichen Wachstum und der Einführung von ORF ON sowie dem 30-jährigen Jubiläum der ORF-Enterprise zufriedenstellend und abermals ein Beweis, dass Qualität und Zuverlässigkeit gefragt sind. Mit ORF ON ein komplett neues und zukunftsweisendes Produkt zu vermarkten, war für mein Team und auch für mich persönlich ein Highlight, das sehr viel Freude bereitet hat – und uns durch die laufende Weiterentwicklung der Streamingplattform auch weiterhin bereiten wird.
Der bittere Wehrmutstropfen sind die Zahlen aus der Digitalsteuer, die mit Einnahmen von 124,1 Millionen Euro einen historischen Höchstwert erreicht hat. Sagenhafte und besorgniserregende 2,6 Milliarden Euro fließen zu den globalen Plattformen ab, während nationale Medien über alle Gattungen hinweg mit rund zwei Milliarden weit abgeschlagen sind. Noch liegen nicht alle Zahlen am Tisch. Die Befürchtung konkretisiert sich jedoch, dass rund 90 Prozent der Digitalspendings nicht bei nationalen Medien und Vermarktern getätigt werden, was den Medienstandort weiter in Bedrängnis bringt.
Und wie fällt Ihr Blick nach vorne, als für das Jahr 2025 aus?
Seiringer: Ich denke, dass das ORF.at-Network, wie auch viele andere Anbieter am heimischen Digitalmarkt, 2025 trotz schlechter Vorzeichen moderat weiterwachsen wird. Dieses Wachstum wird aber zu wenig sein, um den Markt zu stabilisieren. Ganz im Gegenteil! Wir müssen davon ausgehen, dass die globalen Plattformen noch mehr Geld aus Österreich abziehen und den Standort dadurch substanziell schwächen. Auch deren inhaltliche Ausrichtung und politische Agenda sind zunehmend mit Sorge zu sehen. Mit qualitativ hochwertigen, fundierten und vertrauenswürdigen Inhalten und fantastischen Reichweiten ist das ORF.at-Network gemeinsam mit vielen anderen österreichischen Publisher-Portalen eine hervorragende Alternative zu Investitionen auf globalen Plattformen. Mein Wunsch ist, dass österreichische Angebote nicht nur eine Alternative, sondern die Präferenz von Werbetreibenden und Agenturen werden, die sowohl Bewusstsein für Qualität als auch Verantwortung für den Medienstandort zeigen.
Hatte oder hat die abrupte Änderung von Google bei der Third-Party-Strategie auch Auswirkungen auf die Digital-Strategie bzw. das digitale Werbegeschäft des ORF?
Seiringer: Selbstverständlich. Ein Großteil der Ad-Technologien basiert auf Cookies. Zwar gibt es immer mehr Alternativen, aber mit Ausnahme von Contextual Targeting keine, die annähernd ähnliche Reichweiten liefern. Deshalb setzen nach wie vor viele unserer Kundinnen und Kunden auf Cookie-basierte Technologien, auch in der Auslieferung.
Bewerten auch Sie das Dauerthema Cookies als nervig und inwieweit ist es relevant für ORF.at?
Seiringer: Sehr nervig sogar! Das Thema zieht sich einfach schon viel zu lange hin und die Widersprüchlichkeit eines marktdominierenden Unternehmens irritiert eine ganze Industrie. Für den ORF hat das Thema sicher weniger Relevanz als für andere Marktteilnehmer: Wir liefern Reichweiten, wir liefern Qualität, aber wir arbeiten nicht mit Daten.
Oder steuert die Branche ohnedies auf eine Post-Cookie-Ära zu und das Thema erledigt sich von selbst?
Seiringer: Man könnte annehmen, dass sich das Thema irgendwann, irgendwie selbst erledigen würde. Dabei sollten wir als Branche schon längst einige Schritte weiterdenken. Es hat bei globaler Betrachtung den Anschein, dass der Digitalmarkt wenig aus Fehlern lernt. Beispielsweise wird eifrig versucht, Use-Cases auf IDs umzulegen, die bisher Cookie-basierend abgewickelt wurden. Rund um den Globus wurden – teils ausufernde –Datenschutzgesetze erlassen oder nachgebessert. Dafür waren weder die Ausspielung noch die Messung des Aufrufs eines Werbemittels ausschlaggebend, sondern eine Vielzahl von Trittbrettfahrern, die vom Tracking profitiert haben. Es ist unschwer zu erraten, welches Schicksal damit einigen IDs drohen wird.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um den Datenverbrauch – auch aus Nachhaltigkeitsaspekten – zu minimieren, Datenschutz zu erhöhen und Alternativen zu entwickeln.
Wie steht es um neue Targeting-Möglichkeiten und ‑Methoden beim ORF?
Seiringer: Seit 2010 sind uns sowohl Geo- als auch Audience-Targeting untersagt. Wenn man so will, beweisen wir schon seit mehr als 14 Jahren, dass Digitalmarketing auch ohne Targeting funktionieren kann. Dass globale Plattformen gar keine andere Möglichkeit haben, als auf Targeting zu setzen, erschließt sich von selbst. Regionale Anbieter haben aber den direkten Zugang zu Nutzern und liefern Qualität. Ein Mehrwert, der es mit unpräzisen Targetings leicht aufnehmen kann. Mit Contextual Intelligence und anderen Innovationen bieten wir im ORF.at-Network effiziente Auslieferungs-Optionen, die auf der Qualität der Inhalte basieren. Viele Werbekundinnen und ‑kunden schenken uns ihr Vertrauen auch ohne Targeting, weil für sie die Qualität der Inhalte und die Sichtbarkeit in unserem Netzwerk entscheidet.
Welche Tools und Kanäle gewinnen aus ihrer Sicht in der Digital-Kommunikation an Bedeutung und welche geraten eher ins Hintertreffen?
Seiringer: Wir alle konsumieren mehr Bewegtbildinhalte als jemals zuvor. Ich sehe kein Ende dieser Entwicklung und bin überzeugt, dass Video weiterwachsen wird. Parallel sehen wir eine steigende Nutzung unserer digitalen Audioangebote und Wachstumspotenziale im On-Demand- und Podcast-Segment. Und weil Totgesagte bekanntlich länger leben – auch die Displaywerbung wächst nach wie vor, wenn auch deutlich moderater. Auch hier ist Qualität, wie wir sie beispielsweise mit der ORF.at-Startseite bieten, nach wie vor entscheidend!
Dieses Interview ist Teil einer Artikelserie rund um die „MOMENTUM Digitalspendingstudie 2024 & Prognose 2025”, die von der Agentur MOMENTUM WIEN in Kooperation mit dem iab austria erstellt wird. StudienteilnehmerInnen und Mitglieder des iab austria beziehen die Studie um 2.900 Euro (exkl. USt) per E‑Mail an bei MOMENTUM Wien. Der reguläre Preis der „MOMENTUM Spendingstudie 2023 und Prognose 2024“ beträgt 3.900 Euro (exkl. USt).