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Die Dänin Margrethe Vestager geht seit fünf Jahren als Wettbewerbskomissarin nicht zimperlich mit Amazon

Margrethe Vestager: Zerschlagung als letztes Mittel – User in der Pflicht

EU-Wettbewerbskomissarin Margrethe Vestager war bei der re:publica zu Gast und sprach im Talk über Fairness und Wettbewerb im digitalen Zeitalter sowie die mögliche Zerschlagung der Internetgiganten.

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Margrethe Vestager ist eine der bekanntesten Politikerinnen auf europäischer Ebene. Die einen nennen Wettbewerbskommisarin Popstar, Donald Trump nannte sie „Steuer-Lady, die die USA hasst”. Seit geraumer Zeit werden ihr auch Chance als Kommissionspräsidentin eingeräumt. Im Rahmen der re:epublica sprach sie mit Alexander Fanza von netzpolitik.org unter dem Titel „Fairness and Competitiveness in a Digitised World” auf der Bühne. Europa solle noch härter gegen Tech-Konzerne und Monopolbildung vorgehen. Seitens des Publikums schlug ihr viel Wohlwollen und Applaus entgegen.

Zerschlagung als letztes Mittel

Die Zerschlagung von Unternehmen – vor allem der US-amerikanischen Internetkonzerne – sieht sie kritisch. Es sei das letzte Mittel. Letztendlich würden aber Jahre vor Gericht vergehen, bis es zu einer erzwungenen Aufspaltung der Unternehmen kommen könnte, in dieser Zeit könnten die Plattformen weitermachen wie bisher.
Probater wäre die Behandlung als öffentliches Gut. Es gibt gesunden Wettbewerb bei Strom und bei Bahnfahrten, die Netze werden aber gesondert davon betrachtet. Warum soll dies bei Internetplattformen nicht ähnlich sein? Sie sieht den Schlüssel in den Daten und dem Ausbruch aus den Netzwerken. So sei etwa eine gemeinsame Infrastruktur für Messenger denkbar: „Multihoming keeps us open to new products and services.”

Daten sind der Schlüssel zum Erfolg

Zur Zeit untersuchen Vestager und ihre Behörde Amazon, ob das Unternehmen seine Stellung ausnutze und die Daten der User missbraucht. Das Unternehmen sei einerseits Plattform für Händler und tritt andererseits auch selbst als Verkäufer auf, was mitunter problematisch sein könnte. Aufgrund fehlender Transparenz werden im Ermittlungsverfahren Händler und Verkäufer befragt. Vestager lobt diese, weil sie trotz des Konkurrenzdrucks die Zeit finden, wichtige Daten für die Behörde zu liefern, zu der sie sonst keinen Zugang hätte. Es sei wichtig, einen fairen Wettbewerb zu sichern. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Märkte schnell zerstört sind, sich aber nur schwer erholen. Sie führt einen Fall von Google und der Flugsuche an. Zwei Jahre nach der Einstellung der illegalen Handlungen, habe sich die Konkurrenz von Google nicht gänzlich erholt.

Die technologische Entwicklung ist schneller als jemals zuvor. Die Digitalisierung verändere alle Bereiche. Sie betrifft unsere Freundschaften, unsere Gesundheit, die Landwirtschaft und auch unsere Demokratie. „Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, sonst überlassen wir das den großen Unternehmen“, so Vestager.

Nationale Behörden haben mehr Zähne

Auf die Frage, ob Ihre Behörde die richtigen Werkzeuge zur Verfügung gestellt bekommt, beantwortet sie mit ja. Es gibt genug Flexibilität um auch den Techkonzernen entschlossen zu begegnen. Ein wichtiger Schritt war die Stärkung der nationalen Behörden in ihrer Anfangszeit. Einige hatten nicht die Möglichkeiten, digitale Beweise zu sichern, was in der heutigen Zeit absurd erscheint. Die DSGVO ist nicht perfekt, sie sei ein „work in progress”, aber es ist ein Fortschritt. Sie fordert einerseits die User auf, sich mehr mit den Themen zu beschäftigen und mündiger zu werden. Andererseits wünsche sie sich beispielsweise am Smartphone einen digitalen Assistenten, der die Gewohnheiten kennt und automatisch entsprechende Einstellungen vornimmt. Aber natürlich ist hier auch der Regulator und der Markt gefordert, es ist nicht zielführend, dass mit höheren Datenschutz-Einstellungen beispielsweise Filme nicht mehr abgespielt werden können.

Hinsichtlich der EU-Wahl ist sie nicht gegen eine Selbstregulierung der Plattformen wie Facebook. Seit kurzem ist dort Wahlwerbung transparenter gestaltet. Es ist nicht ideal, aber bei der technologischen Revolution ist das Hauptargument der Selbstregulierung die Geschwindigkeit. Bis es gesamteuropäische Lösungen gibt, braucht es eben Zeit.

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