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Martin Zander

„Kunden möchten in dem Moment etwas kaufen, in dem sie inspiriert werden.”

Martin Zander, Head of Corporate Communications E-Commerce bei der Otto Group, spricht im Interview über die Auswirkungen von Covid-19 auf die Otto Group, die digitale Vorreiterrolle und verrät, was der Online-Handel zukünftig besser machen muss.

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Herr Zander, dieses Jahr ist aufgrund der Corona-Pandemie so einiges anders. Wie hat sich Covid-19 auf die Otto Group ausgewirkt?

Martin Zander: Die Auswirkungen waren auch bei uns deutlich spürbar. Zumindest aber waren wir in technologischer Hinsicht gut auf die Krise vorbereitet. So war der größte Teil meiner Kollegen in der Lage, mobil zu arbeiten – meist von zu Hause aus. Die Kommunikation untereinander erfolgte virtuell. In Richtung Kunden haben wir, gerade im Lockdown, umgehend reagiert und andere Kommunikationsschwerpunkte gesetzt – natürlich auch im Marketing. Uns war bewusst, dass zur Zeit des Lockdowns der Fokus eher auf Bereiche wie Home und Living zu setzen war und weniger auf Sommer- und Bademode. 

Viele Unternehmen der Otto Group betreiben Online-Handel. Hat Sie deswegen die Krise nicht so schlimm getroffen wir andere?

Martin Zander: Wir würden uns selbst nicht als Krisengewinner bezeichnen, nicht zuletzt, da zur Otto Group auch Unternehmen zählen, die Stationärhandel betreiben, und wir auch online in Segmenten wie zum Beispiel Textil mit großen Herausforderungen konfrontiert waren. Gerade jedoch jene Unternehmen mit Stationärhandelanteil hatten mit den Auswirkungen des Lockdowns besonders zu kämpfen und waren gezwungen, alternative Lösungen zu finden. Es ist uns aber grundsätzlich gut gelungen, die Umsatzverluste im stationären Handel durch erhöhte Onlineaktivitäten auszugleichen. Unsere onlineorientierten Händler haben insofern profitiert, als dass viele Bevölkerungsschichten bemerkt haben, dass sie auch ihren Alltagsbedarf bis zu einem gewissen Grad über E‑Commerce decken können. 

Die Otto Group gilt in vielen Bereichen als “First Mover” und digitaler Pionier. Sehen Sie sich selbst in der digitalen Vorreiterrolle?

Martin Zander: Erstmal freut es uns, wenn wir in den Medien oft als Weltmeister der Transformation bezeichnet werden. Gleichzeitig ist die so genannte Digitale Transformation aber eben kein Projekt, sondern ein Dauerzustand, der sich nicht einfach abschließen lässt. Wir haben das große Glück, dass wir schon in den 90er Jahren die Entscheidung getroffen haben, sehr stark auf den Online-Bereich zu setzen. Dieser frühe Schritt – auch im Vergleich zu anderen Mitbewerbern – hilft uns auch jetzt. Hinzu kommt der Kulturwandel 4.0, den wir vor etwa fünf Jahren eingeläutet haben. Dieser befähigt uns, weitaus agiler und schneller zu handeln. Wir haben Hierarchiegrenzen eingerissen, um über Teams und Unternehmen hinweg besser und zielgerichteter miteinander arbeiten zu können. All das hat uns jetzt sehr geholfen. Insofern sind wir sicherlich in vielem Vorreiter, gleichzeitig ist uns aber bewusst, dass wir nicht nachlassen dürfen.

Denken Sie, dass die Otto Group diese Rolle in Zukunft beibehalten kann? Und wie steht es um die Einführung neuer Technologien?

Martin Zander: Zumindest sind wir in der Lage, neue Technologien, die erfolgsversprechend sind, sehr schnell umzusetzen. Ich glaube, dieser Spirit und diese Geschwindigkeit werden uns in jedem Fall erhalten bleiben. Uns hilft hier auch der regelmäßige Austausch mit Project A und E.Ventures, beides Venture-Capital-Unternehmen, bei denen die Otto Group als Ankerinvestor investiert ist und die naturgemäß sehr nah am technologischen Puls der Zeit sind. Auch über Kooperationen haben wir neue Technologien oft schon sehr früh an den Markt gebracht, zum Beispiel mit Google im Bereich Augmented Reality. Grundsätzlich sind wir beim Thema Innovation sehr breit und gut aufgestellt – auch für die Zukunft. 

Manche Menschen sind vom Online-Handel nicht so begeistert, weil ihnen die haptische Komponente fehlt. Sie würden gerne fühlen und anprobieren, bevor sie etwas kaufen. Werden durch neue Technologien auch diese Personen an Bord geholt?

Martin Zander: Kunden möchten in jenem Moment etwas kaufen, in dem sie sich inspiriert fühlen. Die Rolle des konkreten Einkaufkanals selbst sinkt. Wenn ich in der Innenstadt unterwegs bin, kann ich trotzdem mobil einkaufen. Eine entsprechende Push-Mitteilung kann denselben Effekt haben wie etwas im Schaufenster zu sehen – und umgekehrt. Die Zukunft heißt Omnichannel oder, besser noch, Connected Commerce, die bestmögliche digitale Vernetzung aller Shoppingkanäle untereinander. Das heißt, dass der Stationärhandel versuchen muss, die digitalen Komponenten, die sich im Onlinebereich als erfolgreich herausgestellt haben, in die stationäre Welt zu bringen. Umgekehrt muss der Online-Handel versuchen, Vorteile des Offline-Retail online abzubilden. Beim haptischen Erleben kann das naturgemäß nicht funktionieren, beim Service- und Beratungsgedanken dagegen schon. Und auch Augmented Reality mag in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

In Kooperation mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der Fachhochschule St. Pölten veröffentlicht Internet World Austria Interviews mit Experten aus der heimischen Marketing‑, Werbe‑, und Medienszene. Dieses Interview wurde im Zuge der Kooperation von Janina Polt und Johannes Riepl geführt. Das redaktionelle Coaching erfolgte durch die Internetworld.at-Redaktion.

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