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Das Sterben der Social Media-Plattformen

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Albert Sachs
Kennen Sie den Begriff „Enshittification“? Der Autor Cory Doctorow kündigt unter diesem Schlagwort den Verfall der Social Media-Plattformen an.

X (ehemals Twitter) verliert aufgrund der unkalkulierbaren Aktivitäten seines Besitzers Elon Musk massiv UserInnen und Werbegelder. Bei TikTok greifen immer mehr staatliche Reglementierungen, die den Usern den Spaß vermiesen. Facebook leidet angeblich an der Überalterung seiner UserInnen-Struktur. Jedenfalls aber an der immer wuchtiger werdenden Werbelawine, die den registrierten NutzerInnen den Spaß an der Plattform verdirbt.

Die sozialen Medien verlieren zunehmend an Attraktivität, befinden sich angeblich in einer Krise. Die letzte Phase ihres Existierens werde gerade eingeleitet. Denn dem aktuellen Verfall folgt unausweichlich das Sterben, das Verschwinden von sozialen Medien in ihrer heutigen Form.

Der Autor und Blogger Cory Doctorow hat dafür sogar einen Begriff in die Welt gesetzt: „Enshittification“. Der Kanadier hatte ihn zuerst in einem Blogbeitrag im November 2022 und im Jänner 2023 auch in einen Aufsatz im Magazin „Wired“ mit dem Titel „The ‘Enshittification’ of TikTok“ verwendet. Spannender beinahe noch die Unterzeile im „Wired“-Beitrag: „Or how, exactly, platforms die.“

Doctorow hatte für den Lebenszyklus von Plattformen drei Phasen ausgemacht: In der ersten faszinieren sie ihre UserInnen und bieten ihnen die Möglichkeit Beiträge zu posten und zu teilen, also einen konkreten Nutzen. In der zweiten Phase bauen die Plattformen die sozialen Netzwerke aus und gehen angesichts der gestiegenen UserInnen-Zahlen dazu über, ihre UserInnen – oder besser deren Daten – zum Vorteil der eigenen Geschäftskunden zu missbrauchen. Ehe schließlich die Plattformen in der dritten Phase durch ihre Marktmacht, ihrer Attraktivität bei UserInnen und bei ihren Geschäftspartnern wie Shopbetreibern und Werbekunden dazu ansetzen, jenen Anteil an der Wertschöpfungskette selbst einzustreifen, der bisher an ihre kommerziellen Partnern ging.

Doctorow Resümée zu den Folgen dieses Dreiphasenmodells für die Social Media-Plattformen: „Dann sterben sie.“

Für Doctorow ist der von ihm unter dem Schlagwort „Enshittingfizierung“ zusammengefasste Verfall der Plattformen sogar eine „scheinbar unvermeidliche Konsequenz, die sich aus der Kombination der Leichtigkeit, die Art und Weise, wie eine Plattform Werte zuweist, ergibt“. Vor allem aber aus den Eigenheiten des „zweiseitigen

Marktes“, bei dem eine Plattform zwischen Käufern und Verkäufern steht und „jeder zur Geisel des anderen wird“. Denn die Plattformen würden den zunehmend wachsenden finanziellen Kuchen bei ihren UserInnen sehen, von dem ein immer größeres Stück für Online-Händler und ähnliche abfällt. Genau das würde aber die Begehrlichkeit der Plattformbetreiber wecken, selbst mehr von diesen Kuchen naschen zu können.

Angesichts ihrer aktuellen UserInnen-Zahlen scheinen Social Media-Plattformen noch weit von ihrem Ende entfernt zu sein. Doch nach zwei Jahrzehnen ihrer Präsenz im Markt zeigen sich deutlich gewisse Abnutzungs- und Ermüdungserscheinungen. Doctorow hat diese Tendenzen auf eine griffige Formel reduziert.

Noch ist die Sterbephase der Internetplattformen und sozialen Medien nicht angebrochen. Doch gab es im Jahr 2023 auffällig viele Diskussionen um die Rolle von Twitter, Facebook, TikTok und Co. Es wird daher spannend sein, die Entwicklung und die künftige Rolle der sozialen Plattformen im Jahr 2024 etwas genauer zu beobachten. Das Phänomen der „Enshittification“ ist nun einmal in der Welt und eben auch schon mit einem eigenen Schlagwort festgemacht

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