Es ist zu spät für Drittanbieter-Cookies und das Internet hat ein Upgrade erfahren. Und der Rückzieher von Google macht mich zornig. Aber alles der Reihe nach.
Cookies sind eine Basistechnologie des www; eine kleine Textdatei, die grundsätzliche Funktionen auf einer Website ermöglicht. Das Problem sind Drittanbieter-Cookies, die nicht von der Website gesetzt werden, die man gerade besucht, sondern von anderen – von einer dritten Partei. Dazu kommt, dass die Verfügbarkeit von Drittanbieter-Cookies davon abhängt, wie lange ihre Lebensdauer eingestellt ist und dass mittels Cookie-sync Zusammenhänge erstellt werden können. Ein technisch einfaches, für NutzerInnen aber undurchschaubar komplexes Verfahren – und darauf basiert die Onlinewerbung seit 30 Jahren.
Apple und Firefox haben schon bevor die DSGVO in Kraft getreten ist, durch ITP und ATT das Prinzip des Cookie-Setzens verändert – anstatt sie automatisch zu setzen, wurden NutzerInnen aufgefordert, sie aktiv zuzulassen. Mit der DSGVO kamen dann die Consent-Banner, die es NutzerInnen ermöglichen, individuelle Einstellungen vorzunehmen. Das gilt natürlich nur für das Web, Apps funktionieren anders und auch wenn innerhalb einer App ein Browser aufgeht, wird hier ein neues Drittanbieter-Cookie gesetzt.
Nimmt man alle Faktoren – automatisiertes Blocking, no-consent, App-Nutzung – zusammen, ist auch heute nur noch ein Teil der User im Web durch Drittanbieter-Cookies erreichbar. Das muss sich schon jetzt auf die Effektivität von Kampagnen ausgewirkt haben. Ein Wegfall der Drittanbieter-Cookies in Chrome (wie von Google angekündigt und oftmals verschoben) durch technisches Blockieren hätte die Adressierbarkeit praktisch auf Null gebracht. Der neue Browser, die Privacy-Sandbox, hätte Zielgruppenansprache, Attribution uvm. also Funktionen des open web – innerhalb der eigenen Plattform abgebildet. Dass so etwas einem fairen Wettbewerb nicht entgegensteht, hat Google in mehreren Runden mit der britischen Wettbewerbsbehörde argumentiert. Zur letzten Stellungnahme, einer Entscheidung kam es durch den Rückzieher von Google dann nicht mehr.
Die Ankündigung von Google hat aber ganz viel in Bewegung gesetzt. Es wurden Alternativen entwickelt, die NutzerInnen die Kontrolle geben und die Adressierbarkeit informiert ermöglichen. Publisher sind sich des Werts ihrer First-Party-Daten bewusst geworden und auch Advertiser haben begonnen, in den Dialog mit den KundInnnen zu treten. Es brachte eine Besinnung auf den Wert eines Internets, das Zugang (und Monetarisierung) für alle Parteien ermöglicht und Wertschöpfung im eigenen Land hält. Und ganz entscheidend – statt den Markt von einigen wenigen Playern dominieren zu lassen, hat man auf Kollaboration, Zusammenarbeit gesetzt. Das ist, was ich eingangs mit dem Upgrade des Internets gemeint habe.
Es zeigt aber auch, welchen Einfluss ein einziger Marktteilnehmer hat. Allein die Ankündigung hat zwar viele gute Überlegungen gebracht, aber auch unzählige Stunden und Ressourcen verbraucht. Diese Marktposition eines einzigen ist, was mich zornig macht,
Der Rückzieher Googles (als Teil von Alphabet) bedeutet, sich aus der Schusslinie der Behörden zu nehmen. Denn wie und ab wann Google die Einwilligung in Chrome abbilden wird, ist noch nicht bekannt. Wenn sie ähnlich wie an Apples App Tracking Transparency (ATT) mit einem Opt-In gestaltet wird, wäre das Ergebnis nicht die Erhaltung von Cookies. Ganz im Gegenteil. Unter dem Vorwand, NutzerInnen Wahlfreiheit zu geben, werden Cookies abgeschafft – und die Verantwortung liegt dann nicht bei Google sondern bei den NutzerInnen. Dieser Ansatz ist die Abschaffung von Drittanbieter-Cookies unter einem anderen Namen.
Es ist also zu spät für Drittanbieter-Cookies, aber es ist nicht zu spät, sich des Werts der eigenen First-Party-Daten, einer direkten Beziehung mit den NutzerInnen und der Zusammenarbeit unserer Branche bewusst zu sein und auch – weiterhin – an Alternativen dran zu bleiben.
Im Rahmen einer Gastkommentar-Serie auf INTERNET WORLD Austria veröffentlichen wir die Meinungen von Führungskräften heimischer Publisher, Vermarkter, Agenturen und werbetreibender Unternehmen zur 180-Grad-Wendung bei der Third-Party-Cookie-Strategie von Google.