Zwei Medienkonzerne im digitalen Dilemma

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Albert Sachs
Die deutsche Axel Springer-Gruppe spaltete ihr Digitalgeschäft von der klassischen Mediensparte ab. Die österreichische VGN wiederum löst ihre Online-Redaktion auf. Zeitenwende im Mediensektor.

Es sind unruhige Zeiten. Insbesondere und auch in der Medienbranche. Das Publikum schwindet. Die Medienhäuser müssen sich großteils und ständig neu erfinden, neue Geschäftsfelder entwickeln, ungewohnte Vertriebskanäle erschließen und neue Zielgruppen ansprechen.

Ein Meister in der Disziplin des Sich-neu-erfindens ist die Axel Springer SE (die Umwandlung von einer deutschen AG zu einer Europäischen Aktiengesellschaft Societas Europaea – SE wurde im Dezember 2013 bekanntgegeben) mit Sitz in Berlin, früher Axel Springer Verlag, der mit den Zeitungen „Bild“ und „Die Welt“ groß wurde, früh in andere Disziplinen diversifizierte und auch im digitalen Universum sehr erfolgreich unterwegs ist. Der Springer-Konzern hatte die digitale Transformation erfolgreich geschafft.

Axel Springer ist ein Weltkonzern, der mit mehr als 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 40 Ländern aktiv ist. Der Konzernumsatz liegt bei rund 3,1 Milliarden Euro. Digitale Aktivitäten tragen rund 73 Prozent zum Umsatz bei – und sollen zuletzt sogar an die 85 Prozent der Konzernerlöse ausgemacht haben. Die letzten validen Zahlen stammen aus dem Jahr 2019. Und diese Jahreszahl zeigt auch ein bisschen das Dilemma des Unternehmens auf.

Axel Springer konnte seine expansive Konzernpolitik und seine Transformation nur mit einem Partner schaffen. Im Jahr 2020 war daher der US-Investmendfonds KKR (Kohlberg Kravis Roberts & Co.) bei Springer eingestiegen. Mit dem Engagement der Amerikaner verabschiedete sich Springer von der Börse und muss seither auch keine Geschäftszahlen mehr veröffentlichen.

Mit der Aufspaltung wird Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nun einen – vermutlich lästigen – Partner los und stärkt die eigene Position. KKR will zudem nach fünf Jahren Kasse machen und wird sich künftig mit dem Co-Großaktionär CPP Investments um das sogenannte „Classifieds“-Geschäft (Kleinanzeigen) kümmern. Zu diesem Geschäftsfeld gehören u.a. Digitalunternehmen und Portale wie The Stepstone Group, AVIV, finanzen.net, Awin und andere. Bei diesem Zweig ist die Axel Springer SE nunmehr nur noch Minderheitsaktionärin.

Mit den Print-Marken haben die Amerikaner nichts mehr am Hut. Die künftige Medien-Gruppe, unter deren Dach neben der „Bild“- und „Welt“-Gruppe auch Medien und Portale wie „Business Insider“, „Politico“, „idealo“ oder „Emarketer“ angesiedelt sind, steht zu 98 Prozent im Besitz von Friede Springer und ihrem Vertrauten Mathias Döpfner. Laut „Financial Times“ liegt der Wert des Springer-Konzerns aktuell bei rund 13,5 Milliarden Euro. Jener Anteil, in dem KKR mit seinen Partnern das Sagen hat, wird auf rund zehn Milliarden Euro geschätzt.

Springer kehrt mit der Aufspaltung also wieder zum Kerngeschäft zurück, bei dem nach wie vor die Printtitel die wesentlichen Wegmarken stellen. Doch auch im mächtigen Springer-Imperium bröckelt der Glanz der einst mächtigen Printtitel massiv. Die Querfinanzierung aus der Digitalsparte wird immer dringender, damit aber auch immer schwieriger. Die Medienmarken des noch immer finanzstarken Hauses werden auch künftig im heftigen Wind stehen. Schon KKR war einst an Bord geholt worden, um die Springer-Medien zumindest etwas aus dem unruhigen Fahrwasser der Branche steuern zu können. 

Schon seit dem Beginn der 2010er-Jahre wurden auch bei Axel Springer die Rückgänge im Printgeschäft immer stärker durch das Digitalgeschäft kompensiert. Auch die Auflagen der Springer-Blätter sanken – von bis zu fünf Millionen Exemplaren, die Europas größte Tageszeitung einst absetzt, gingen die Verkaufszahlen von „Bild“ laut der deutschen Auflagenkontrolle IVW auf 973.707 verkaufte Stück im zweiten Quartal 2024 zurück, davon allerdings 195.600 Exemplare als E‑Paper. Schon im ersten Berechnungszeitraum 2024 war „Bild“ (inklusive E‑Paper) erstmals unter die Millionen-Marke gerutscht. 

Beinahe zeitgleich wie die Aufspaltung des Springer-Konzerns wurde in Österreich verkündet, dass die Medien-Holding VGN (früher Verlagsgruppe News) ihre Onlineredaktion auflöst und die traditionsreiche Marke News Networld abwickelt. Die News Networld gehörte zumindest in ihren Anfangsjahren zu den bestimmenden Online-Portalen in Österreich, die aus einem klassischen Medienhaus hervorgegangen waren. Jetzt fügt die VGN dem späteren Schlingerkurs bei ihrer Digitalstrategie ein weiteres Kapitel hinzu. Die digitalen Plattformen des Hauses sollen künftig von den Teams der Medien „News”, „Woman”, „TV-Media” und „Trend” mitgestaltet werden. Ein ambitioniertes, aber auch schwieriges Unterfangen.

Ob Springer oder VGN, alles in allem keine allzu positiven Signale aus der Medienwelt. Und für den Journalismus.

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