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© Österreichische Marketing-Gesellschaft/APA-Fotoservice/Reither

Martin Distl/ MStudio, Cosima Serban/ Agentur digimetive, Alexander Oswald/ ÖMG-Präsident, Ulrike Kittinger/ Libro & Pagro DISKONT und John Oakley/ IKEA

Österreich geht jetzt live: Mehr Emotionen im Marketing-Mix mit Social Commerce und Live-Shopping

ExpertInnen erklären beim ÖMG-Event, wie Live-Formate E-Commerce-Praktiken revolutionieren und wie man sie am besten für sich und sein Business umsetzt.

20 Prozent – das ist der Anteil, den Live-Shopping am gesamten E‑Commerce Umsatz in Asien hat. In Österreich sieht das anders aus: Hier starten Marken erste Versuche im Social Selling, Social Recruiting und Live-Shopping. Doch was steckt hinter diesen Live-Formaten und wie setzten Unternehmen sie am besten um? Darüber diskutierte ein hochkarätiges Panel – bestehend aus Martin Distl/ MStudio, Ulrike Kittinger/ Libro & Pagro DISKONT, John Oakley/ IKEA und Cosima Serban/ digimetive – beim letzten Netzwerkevent der Österreichischen Marketing-Gesellschaft (ÖMG) in Kooperation mit GroupM. Im Zentrum: Emotionen – denn diese spielen bei Social- und Live-Shopping eine große Rolle.

Martin Distl, Managing Director von MStudio und Vorstand des Content Marketing Forums, eröffnete den Abend mit einer Keynote zum Thema Live-Shopping. Was vor Jahren als Teleshopping-Show begonnen hatte, wird derzeit auf der ganzen Welt auf Social Media neu interpretiert. Während werbetreibende Unternehmen früher nur eine bestimmte Zielgruppe über TV erreichen konnten, stehen jetzt (fast) alle Altersgruppen je nach Plattform zur Verfügung. Die neuen, virtuellen Verkaufsshows sind jederzeit, auf jedem Gerät und vor allem von überall aufrufbar. Es geht nicht nur darum, eine launige Show zu gestalten oder Produkte zu präsentieren, sondern es ist eine „Alchemie“ aus Informationsbereitstellung und Unterhaltung, die sich nahtlos ins Leben der Menschen eingliedern lässt.

Emotionen, kreatives Storytelling und Engagement sind essenziell

Was es braucht, um in dieser Disziplin erfolgreich zu sein? Kreatives Storytelling und Vertrauen in die Marke und die vortragende Person. Wie das in der Umsetzung aussehen kann? “Für ein Unternehmen haben wir ein live Konzert einer berühmten Sängerin nur für dessen Stammkunden inszeniert. Die Sängerin wechselte nach jedem Lied die Kleidung und die Stücke waren während des Konzerts erwerbbar. Das hat unheimlich gut funktioniert”, präsentiert Distl einen jüngsten best practise case.

Beispiele aus Österreich lieferten zuletzt IKEA und DM, die live Content in unterschiedlichen Varianten umsetzen. Das schwedische Möbelhaus veranstaltete beispielsweise ein Festival mit mehreren Livestreams inklusive Shopping-Option an einem Tag und geladenen InfluencerInnen, die Aktivitäten im Flagship-Store veranstalteten und so BesucherInnen in den Store holten. Die Retail-Kette DM wiederum streamt wöchentlich, ähnlich einer traditionellen Verkaufsshow, mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten, Entertainment, coolen PräsentatorInnen und Gästen. Zusätzlich etabliert sich der „1:1 Video-Support“ durch BeraterInnen für KundInnen auf Websites.

Live-Shopping ist nicht für jedermann – oder doch?

Zu Recht lautete da die erste Frage von Moderator Alexander Oswald, Präsident der ÖMG, an das Podium, ob Live-Shopping für Unternehmen aller Größen umsetzbar ist. “Wahrscheinlich nicht”, erklärt Martin Distl. “Denn es braucht Erfahrung und das Equipment. Live-Shopping ist so viel mehr als eine reine Videoproduktion, wenn man die ganze Lieferkette – vom Konzept über die Bewerbung bis hin zum Community Management – betrachtet. Das Video ist nur das Endprodukt.” 

Cosima Serban, Gründerin der Agentur digimetive ist durchaus anderer Meinung: “Ich glaube schon, dass jedes Unternehmen eine Form des Live-Shoppings veranstalten kann, nur in einer anderen Dimension. Ein eigenes Studio ist nicht zwangsläufig notwendig und es muss auch nicht gleich perfekt sein. Viel wichtiger ist es, die richtige Plattform für die Zielgruppe auszuwählen und sicherzustellen, dass das Produkt auch zum Medium Live passt.”

Ergänzt wird dies von John Oakley, Country Marketing Manager IKEA Austria: “Im Hintergrund ist doch viel Aufwand notwendig, denn beim Live-Shopping müssen alle Produkte sofort verfügbar sein und man braucht gegebenenfalls eine neue Software. Außerdem erkennt man erst nach vielen Sendungen, was wirklich bei der Zielgruppe greift. Ist es das Format, Produkt oder doch die Uhrzeit oder das Wetter? Auch die Vorbereitungszeit ist nicht zu unterschätzen, das waren bei unserem Festival schon 50 Stunden pro Video. Bei kleinen live Produktpräsentationen reduziert sich das Zeitinvestment natürlich enorm.”

Was kann Live- und Social Content und was kann er nicht?

Auch Libro & Pagro DISKONT beschäftigt sich mit Live-Content und Social Commerce. “Manche Produkte verkaufen sich nicht so gut in einem Flugblatt oder im Print. Die muss man in der Anwendung zeigen, damit sie funktionieren, wie wiederverwendbare Wasserbomben. Dabei geht es auch stark darum, die Menschen über die gesamte User Journey hinweg zu inspirieren. Deshalb funktionieren unsere DIY-Bastelseite und passende Videos bei uns auch so gut”, erklärt Geschäftsführerin Ulrike Kittinger.

Und im B2B-Bereich oder bei beratungsintensiven Produkten – hat Live-Shopping da eine Zukunft? Cosima Serban: “Auf jeden Fall. Ein Versicherungsunternehmen hätte es wahrscheinlich sogar leicht, denn im Verkaufsgespräch kommen ohnehin immer Fragen auf, die man dann live gleich beantworten kann. Menschen lieben Erklärungen.” Auch im Employer Branding und Recruiting bieten Live-Formate viele Möglichkeiten. “Die klassische Stellenausschreibung funktioniert nur noch bedingt, Live-Recruiting ist viel zeitgemäßer. Man braucht dafür nicht einmal viel Budget, viel wichtiger ist Mut. Im Vergleich zur klassischen Werbung ist Live-Recruiting keine kommunikative Einbahnstraße, sondern es können auch unangenehmen Fragen kommen. Das schätzen aber wieder die Bewerber*innen”, so Distl.

Gerade im Social Selling spielt die Authentizität der Personen eine wichtige Rolle. Dabei stehen nicht immer die CEOs, sondern manchmal auch die MitarbeiterInnen vor der Kamera. Die gilt es von Anfang an richtig zu rekrutieren und entsprechend zu vergüten. “Viele Menschen sind Micro-InfluencerInnen, auch unsere MitarbeiterInnen im Store. Sie können sowohl KundInnen als auch Angestellte anziehen. Für unser Festival haben wir zuerst einzelne Personen gefragt, ob sie bei den Livestreams oder Videos mitmachen wollen. Jetzt melden sich viele selbstständig. Im Gegenzug für ihre Rolle als Content CreatorInnen gab es Schulungen für den Umgang mit der Kamera oder andere Anreize. Jetzt haben wir von Innsbruck über Wien MitarbeiterInnen, die Videos machen, die wir auf Social Medien teilen können”, so Oakley. Ein richtiges Vergütungssystem für Corporate InfluencerInnen hat jedoch keiner der ExpertInnen am Panel.

Und wie sieht die Zukunft der Social Selling und Live-Formate aus?

Laut Serban liegen die Herausforderungen und Chancen im organischen Content: “Marketer*innen müssen kreativer, schneller, vielfältiger werden. Es wird immer neue Kanäle und neue Instrumente geben, die es schneller zu evaluieren und einsetzen gilt.” Kittinger ergänzt: “Wenn es am Ende bei KonsumentInnen nur um den Preis geht, bleibt wahrscheinlich ein amerikanisches oder asiatisches Unternehmen übrig. Wir müssen die Bindung an die eigene Marke aufbauen, die macht den Unterschied. Und Emotionen lassen sich gut über Social Commerce oder Live-Formate kreieren.”

Emotionale Bindung baut man am besten auf, wenn man direkt mit den KundInnen interagiert. “Wir wollen näher an unsere EndkonsumentInnen heran. Die Nahbarkeit als Unternehmen und auch die der RepräsentantInnen ist uns sehr wichtig”, so Oakley. Martin Distl schließt den Abend mit einem wundervoll visuellen Vergleich ab: “Klassische Werbung ist wie ein Feuerwerk. Jeder ist schnell begeistert, aber nach zehn Minuten ist auch das tollste Feuerwerk irgendwie langweilig. Guter Content, gute Geschichten hingegen, sind wie ein Lagerfeuer, an dem wir mit Freunden sitzen. Und dort verweilen wir gerne auch einmal ein paar Stunden.”

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Elisa Krisper

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