Frau Frank, beginnen wir mit Ihrer Einschätzung des Digital- und Gesamtwerbejahres 2024. Wie fällt Ihr Rückblick aus?
Elisabeth Frank: Im Rückblick können wir feststellen, dass der digitale Werbemarkt in Österreich in einer sehr dynamischen Phase ist. 2024 war ein Jahr des Wachstums für den Digital-Werbemarkt und wir sehen weiterhin eine starke Entwicklung. Für 2024 hat die MOMENTUM Spendingstudie ein Wachstum der Digitalwerbung um 8,2 Prozent auf 2,75 Milliarden Euro prognostiziert. Konkrete Zahlen für den Digitalmarkt 2024 wurden noch nicht veröffentlich, die IP-Zahlen zeigen jedoch, dass die prozentuelle Wachstumsprognose zumindest in unserem Haus übertroffen wurde. Dies zeigt, dass der Trend der vergangenen Jahre weiterhin anhält. Insgesamt war es für das Unternehmen das drittbeste Jahr in der Geschichte der IP Österreich, wir als Bewegtbild- und Video Multiplattform-Vermarkter sind zukunftsfit aufgestellt.
Heißt das, dass insbesondere das digitale Segment der IP Österreich wächst?
Frank: Absolut. Bei IP Österreich beobachten wir ebenfalls ein erfreuliches Wachstum im Digital-Segment, mit einem besonders starken Anstieg im Video-Bereich und Addressable TV. Wir bieten Big Brands, Big Reach und High Relevance über alle unsere Plattformen hinweg. Unsere strategische Preispolitik mit wettbewerbsfähigen TKPs hat sich hier als sehr vorteilhaft erwiesen. Zudem sehen wir, dass Programmatic Advertising und datengetriebenes Marketing zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dazu gibt es im zweiten Halbjahr noch einiges an neuen Produkten und Lösungen. Diese Entwicklungen ermöglichen es uns, zielgerichtete Kampagnen zu erstellen, die die Bedürfnisse unserer Werbekund:innen optimal erfüllen.
Wie sieht es aus, wenn Sie die einzelnen Segmente betrachten?
Frank: Video-Advertising ist mit einem Plus von deutlich mehr als zehn Prozent die klare Nummer 1. Addressable TV folgt dicht dahinter, während das Display-Segment leicht sinkt, auch deswegen, weil wir einen klaren Fokus auf Video setzen.
Abwanderung mit dramatischen Auswirkungen
Display geht zurück, weil es der Markt nicht mehr verlangt oder gibt es für diese Stagnation andere Gründe?
Frank: Diese Stagnation ist vor allem darauf zurückzuführen, dass ein erheblicher Teil des Display-Budgets weiterhin an große Plattformen wie die GAFAs abfließt. Diese Abwanderung hat dramatische Auswirkungen auf den österreichischen Gesamtmarkt sowie auf lokale Publisher und Content-Produzenten. Trotz aller Bemühungen der Branche, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind die Signale alarmierend. Diese Einschätzung teilen wir auch mit dem Online Vermarkter Kreis (OVK) und dessen Mutterorganisation, dem Internet Advertising Bureau (IAB) und anderen Branchen-Initiativen wie zum Beispiel dem VÖP.
Liegt es nur an der Politik oder auch der Branche selbst, Gegenmaßnahmen zu ergreifen?
Frank: Natürlich sind regulatorische Maßnahmen wichtig, aber die Branche hat bereits viel unternommen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Als Vermarkter werden wir weiterhin in der Rolle des Aufklärers aktiv sein und darauf hinweisen, welche Auswirkungen das Abfließen von Werbegeldern zu internationalen Tech-Giganten auf die Medienvielfalt und die Demokratie in Österreich und Europa hat. Und wir setzen innovative neue Geschäftsmodell um, wie übrigens alle Kolleginnen im Markt. Wir alle, sowohl Medien als auch Vermarkter, leisten gute Arbeit, müssen jedoch tatenlos zusehen, wie immer mehr Geld aus unserem Land abfließt. Es ist wichtig, dass auch die Kund:innen ihre Verantwortung gegenüber dem lokalen Markt übernehmen, schließlich geht es um die österreichische Kaufkraft.
Trifft dieses Hinwenden zu den großen Plattformen in erster Linie auf internationale Kund:innen zu oder gilt das auch für österreichische Auftraggeber?
Frank: Sowohl als auch. Sicherlich gilt diese Einschätzung mehr für internationale Kund:innen, deren Digitalstrategien zentral von internationalen Hubs gesteuert und kaum noch lokal geplant werden. Aber die gesamte Digital-Branche würde sich von lokalen Kund:innen auch ein bisschen mehr rot-weiß-roten Werbepatriotismus, mehr Bewusstsein über die Zusammenhänge rund um den Medienstandort Österreich sowie die Vorteile einer vielfältigen, lebhaften und demokratischen Medienpluralität wünschen.
Hat denn die Digitalsteuer nichts verändert oder bewirkt?
Frank: Die Digitalsteuer hat dazu beigetragen, mehr Transparenz über die Abflüsse von Werbegeldern zu schaffen. Wir können nun klarer nachvollziehen, wie viel Geld tatsächlich aus Österreich abfließt, was für die Diskussion um den Erhalt der Medienvielfalt in Österreich von großer Bedeutung ist.
Trifft diese Entwicklung einen Vermarkter, der aus dem klassischen Mediensegment kommt und sich zu einem Digitalanbieter entwickelt hat, letztendlich sogar doppelt?
Frank: Es trifft vor allem Europa, den europäischen Medienstandort. Möglicherweise sind wir als IP in Österreich aufgrund der Einbettung in den Bertelsmann-Konzern und damit in eine globale Struktur ein bisschen weniger betroffen als rein lokale Player, aber auch für uns ist die größte Konkurrenz um den Werbe-Euro in den USA angesiedelt. Obwohl die gesamte Branche gut aufgestellt ist und zahlreiche neue Werbemöglichkeiten anbietet. An Innovationen mangelt es hierzulande nicht, kein Unternehmen ist gezwungen, seine Werbebudgets bei den GAFAs zu investieren, weil es in Österreich und Europa an Alternativen mangelt.
Mit einer Konzernstruktur im Hintergrund lassen sich vermutlich Gegenstrategien etwas einfach entwickeln?
Frank: Natürlich stützen das Knowhow und die wirtschaftliche Macht eines großen Medienkonzerns unsere Position im Markt. Beispielsweise baut die RTL Group gerade die RTL AdAlliance als AdTech-basiertes, integriertes, europäisches Werbevermarktungsnetzwerk weiter aus. Auch die IP Österreich wird Teil davon und demnächst unter diesem Namen auftreten. Außerdem wird intensiv an der AdTech-Kooperation, einem Gemeinschaftsprojekt der RTL- und Pro7-Gruppe gearbeitet. Damit werden wir als Vermarkter exklusiv Produkte für den europäischen Markt in unserem Portfolio anbieten können, die auch für global agierende Kund:innen attraktiv sind. Aus gesamteuropäischer Sicht befinden wir uns daher in einer durchaus guten Position, aber davon profitieren wir als IP Österreich nur bedingt, wenn der nationale Werbemarkt immer mehr wegbricht und österreichische Medien um ihre Existenz kämpfen müssen.
Wie wichtig ist generell das Digital-Segment für einen Vermarkter wie die IP, die sich früher ausschließlich dem linearen TV widmen konnte?
Frank: Das Digital-Segment ist heute von zentraler Bedeutung für unsere Wachstum-Strategie. Die Medienlandschaft wird immer komplexer, und die Zielgruppen fragmentieren sich zunehmend. Unsere Strategie „Protect & Boost“ zielt darauf ab, erstklassigen Content und hohe Reichweiten im linearen Fernsehen mit einem starken digitalen Angebot (Stichwort: RTL+ usw.) zu kombinieren. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Optimierung der Werbeplatzierung und zur Analyse von Nutzerdaten wird uns helfen, noch präzisere Zielgruppenansprachen zu realisieren.
Vier Milliarden Ad-Impressions
Sie haben die RTL AdAlliance erwähnt. Was bedeutet diese Entwicklung für IP Österreich und worauf dürfen sich deren WerbeKund:innen freuen?
Frank: Damit sind die Weichen für eine schlagkräftige Digitaloffensive des österreichischen Vermarktungs-Champions gestellt. Wir werden unser Portfolio mit der RTL AdAlliance zusammenführen und österreichischen Werbetreibenden Zugang zu mehr als als 100 TV-Sendern, 350 Printmedien und 5.000 Premium-Websites – mit mehr als 150 Millionen täglichen TV-Zuseher:innen und mehr als 4 Milliarden Online-Ad-Impressions im Monat – aus einer Hand bieten. Damit sprechen wir von einer konkurrenzlosen Reichweite in und außerhalb Europas. Weltweit garantieren 250 Vertriebsexperten einen engagierten Support für international erfolgreiche Werbekampagnen. Unsere Kund:innen erhalten Zugriff auf hochwertiges, markensicheres Inventar, das die aktivsten Zielgruppen erreicht. Zudem stellen wir aktuelle Erkenntnisse und innovative Studienergebnisse zur Verfügung. Durch intelligente Vermarktungsstrategien, AdTech-Lösungen und spezielles Know-how im Media Sales-Segment ermöglichen wir Publishern eine bessere Nutzung ihres Premium-Angebots. Ziel ist es, bis 2028 in Europa Marktführer im Total Video Bereich zu werden. Diese Erweiterung ermöglicht uns mittel- bis langfristig Wettbewerbsfähigkeit und unseren Werbekund:innen ein umfassenderes und attraktiveres Angebot zu machen.
In Österreich haben wir seit Anfang des Jahres eine TV-Kooperation mit RTL+ und Magenta, die es in Deutschland bereits seit Jahren gibt. Mit 4,5 Millionen Mobilfunk- und 400.000 TV-Kund:innen ist Magenta das zweitgrößte Telekommunikationsunternehmen Österreichs, und dieses Angebot erhöht die Nutzerreichweite von RTL+ enorm. Durch die verstärkte Positionierung von RTL+ bei den Nutzer:innen und auf Kund:innenseite werden wir die Hybrid-Quote, die TV und Video kombiniert, über die AGTT forcieren. Dies wird uns helfen, die Reichweiten noch besser zu messen und unseren Kund:innen optimierte Lösungen anzubieten.
Dieses Interview ist Teil einer Artikelserie rund um die „MOMENTUM Digitalspendingstudie 2024 & Prognose 2025”, die von der Agentur MOMENTUM WIEN in Kooperation mit dem iab austria erstellt wird. StudienteilnehmerInnen und Mitglieder des iab austria beziehen die Studie um 2.900 Euro (exkl. USt) per E‑Mail an bei MOMENTUM Wien. Der reguläre Preis der „MOMENTUM Spendingstudie 2023 und Prognose 2024“ beträgt 3.900 Euro (exkl. USt).