Das langsame Verschwinden der klassischen Agenturen

Picture of Albert Sachs
Albert Sachs
Über die weltweit agierenden Agentur-Netzwerke bricht eine Konsolidierungs- und Fusionswelle herein. Immer mehr Agenturmarken verschwinden. Mehr als ein Alarmsignal.

Es ist ein schleichender, mühsamer Prozess. Ein qualvoller wäre als Adjektiv auch angebracht. Die klassischen Werbeagenturen, falls sich von solchen überhaupt noch sprechen lässt, stecken in einer sich seit vielen Jahren hinziehenden Transformation. Ihre Muttergesellschaften, die großen Networks und globalen Werbeholdings sind gezwungen, umzustrukturieren, zu konsolidieren, zu fusionieren. Sich neu zu erfinden.

Jüngstes Beispiel: Publicis. Der multinationale französische Werbekonzern, weltweit in mehr als 100 Märkten aktiv und unter den globalen Top drei, hat angekündigt, mehrere Agenturmarken zu fusionieren. Dabei klingt manche Aktion nach schierer Verzweiflung, wenn beispielsweise aus der Agenturmarke Leo Burnett, benannt nach einem der Gründerväter der Werbezunft, schlicht „Leo“ wird. Das neue Agenturlabel ist zudem die Folge der Verschmelzung der Kernmarke Publicis Worldwide mit Leo Burnett. 

Die Nachrichten von den großen Mitbewerbern klangen und klingen nicht besser. WPP schwächelt schon seit längerem, fusionierte Networks. So traditionsreichen Agenturmarken wie Wunderman (benannt nach dem Urvater des modernen Direct Marketing Lester Wundermann), J. Walter Thompson sowie Young & Rubicam, zuvor ohnedies namenstechnisch bereits zu Y&R verschlankt, verschwanden unter dem neuen Markendach VML.

Die US-Werbeholding Omnicom führte in größeren Werbemärkten ihre Kreativ-Networks BBDO, DDB und TBWA bereits in der Vergangenheit unter einem Dach zusammen. Die Network-Agenturen stehen damit unter einer gemeinsamen Führung. Doch damit nicht genug. Ende des Jahres 2024 kündigten Omnicom und die zweite US-Holding IPG (Interpublic Group of Companies), u.a. Dachkonzern von McCann Erickson, ihre Fusion an. Was nicht nur neue Bewegung in den Markt brachte, sondern auch den Konkurrenten Publicis zum Handeln zwang.

Sogar der langjährige Branchenprimus und lange die weltweite Nummer eins, die japanische Dentsu Holding verfolgt seit einigen Jahren einen klaren Konsolidierungskurs und hat ihr Markenportfolio deutlich eingedampft.

Die Fusionswelle unter den Werbeholdings ist alles andere als das Streben nach noch mehr Gigantomanie, Einfluss und Marktmacht. Die Zeichen stehen vielmehr auf Sturm. Das Angebot an Agenturmarken und Services steht auf dem Prüfstand, wird verschlankt, ganze Divisionen werden eingestellt oder verkauft, aus einzelnen Märkten erfolgt der Rückzug. Wenn er nicht ohnedies schon längst vollzogen wurde, wie beispielsweise aus Österreich. Im heimischen Markt existieren diverse, einst glanzvolle, internationale Agentur-Marken nicht einmal mehr als Hülle.

Für die großen Agentur im globalen Werbemarkt gab es spätestens seit den 1980er-Jahren ein stetes Auf und Ab. Mal schien das Heil der Märkte und für Kunden bei den internationalen Networks zu liegen. Dem folgte eine Renaissance der lokalen Player. Was wiederum in einer Hinwendung zu globalen Playern mündete. Dann schienen wieder eher lokale Agentur-Marken das attraktivere Angebot zu sein.

Doch der aktuelle Wandel in der internationalen Werbeagenturszene hat nichts mehr mit dieser permanenten Wellenbewegung zu tun. Dahinter steckt mehr. Nämlich ein tiefgreifender Strukturwandel. Noch beschäftigen die globalen Werbeholdings Zehnttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch hinter jeder Fusion steckt auch eine Verschlankung der Strukturen und damit Personalabbau. Wenn nicht offen signalisiert, dann still und heimlich praktiziert.

In den Agenturen war es auch schon einmal fröhlicher und lustiger, die Werbung zeigte sich progressiver und dynamischer. Schade. 

Subscribe
Notify of
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Disclaimer: Bei Links auf dieser Seite, die mit einem * gekennzeichnet sind, handelt es sich um Affiliate Links bzw. Werbelinks. Wird der Link geklickt und ein Produkt gekauft, so erhält INTERNET WORLD Austria eine Provision.