Plötzlich fiept und bimmelt es in Werbespots wieder

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Albert Sachs
Ein schon etwas angegrautes Werbephänomen tänzelt plötzlich im neuen Kleid um uns Konsumentinnen und Konsumenten herum. Schon jetzt hilft uns darüber die Erkenntnis hinweg, dass auch dieses Stilmittel bald wieder verschwinden wird.

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Es muss irgendwann in den frühen 2000ern gewesen sein, da hatten ein paar Werbekreative eine großartige Idee und setzten die Klingeltöne von SMS als akustische Attraktor in Werbespots ein. Die SMS-Alarmtöne klangen damals noch alle gleich oder zumindest annähernd gleich. Eingesetzt wurden diese Signaltöne vor allem in Radio-Spots. Denn niemand war auf die Idee gekommen, das SMS-Pfeifen in einem TV- oder Kino-Commercial einzusetzen. Hätte auch irgendwie blöd ausgesehen, einen Werbefilm zu zeigen, in dem eine oder einer der ProtagonistInnen ein SMS empfängt.

Noch nicht einmal Hollywood experimentierte mit dem SMS als Stilmittel. Erst wesentlich viel später gab es einzelne, meist ebenso verschämt wie verunglückte Versuche, die SMS als filmisches Element zu verwenden.

Gut, so großartig waren die Ideen mit den SMS-Klingeltönen in den Werbe-Spots auch wieder nicht. Oder war es ohnedies nur die quälende, schlaflose Nächte fordernde Einfallslosigkeit so manches Creative Directors. Denn erstens setzten bald auch andere Werbekunden auf die SMS als akustischen Konsumentenfänger. Was zu immer mehr SMS-Gebimmeln in den Werbeblöcken führte und zweitens in weiterer Folge die Radiohörerinnen und ‑hörer zunehmend verärgerte, sprinteten doch viel unnötig zu ihren Handys, wie die Mobiltelefone damals noch genannt wurden. Also hörten sich die SMS-Werbejingles bald wieder auf. Vom einem klaren, modernen Audiobranding waren diese hoppertatschigen Soundeffekte ohnedies so weit entfernt wie damals das Smartphone als Massenphänomen in unserer Gesellschaft.

Lange Zeit war dann Ruhe. Bis, ja, bis ins Jahr 2024. Plötzlich fiept, zirpt und jodelt es wieder in den Werbeblöcken. Nicht in Radio-Spots, sondern in TV-Filmen und anderen Werbevideos. Nicht SMS-Töne buhlen jetzt um unsere Aufmerksamkeit, sondern das Pfeifen, Quietschen, Scratchen oder wie immer die diversen Begleittöne auch bezeichnet werden, die aufpoppen, wenn eine Nachricht über einen der unzähligen Messenger-Dienste auf unseren Smartphones eintrudelt.

Die Werbekreativen haben endlich WhatsApp (seit 2009 auf dem Markt) und Co. entdeckt. Jetzt piepst, quakt und rauscht es also allenthalben, wenn nur irgendwo mehr als ein Werbevideo über einen unserer zahlreichen Bildschirme flimmert. Die Reaktion von uns Hörerinnen und Sehern, von uns Konsumenten und Konsumentinnen? Siehe oben.

Der Werbelehrling, die Creative Directorin hatte eine großartige Idee. Und die Entscheiderinnen und Entscheider auf Auftraggeberseite, die in vielen Fällen vermutlich selbst auf keinem dieser Kanäle unterwegs sind, zeigen sich euphorisiert. Hui, wir sind ja so hip. Aber genau so hip, wie das Wörtchen hip schon lange nicht mehr hip ist, sind es solche Werbeideen.

Aber auch dieses modernistische Werbegehabe wird wieder an uns vorbei und den Weg alles Irdischen gehen.

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