Das quadratische Logo der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verwandelte sich 2015 in ein Herz. Doch nicht nur das, seither tritt der BVG auch unter dem Slogan „Weil wir dich lieben“ auf und fährt eine neue Werbekampagne, die auf „freche Berliner Schnauze” und ungewöhnliche Aktionen, von Social Media bis zum PR-Stunt, setzt. Die Kampagne wurde nicht nur vielfach ausgezeichnet, sondern macht die Berliner Öffi-Kunden auch zu wahren Fans. Obwohl die neue Werbelinie am Beginn auf heftige Kritik der Medien und Öffentlichkeit stieß, wurde sich konsequent durchgezogen. Heute heißt es zu diversen Aktionen hingegen sogar: „Legt ruhig noch einmal nach!” Und viele Fahrgäste senden ungefragt Foto-Motive ein, die dann auch beispielsweise bei Social Media-Postings verwendet werden. „Das ist natürlich wesentlich kostengünstiger als professionelle Shootings”, so Marketingchefin Svea Barei.
„Es gibt kein Geheimrezept, aber wir haben Leitlinien”, berichtet Barei, Werbe- und Marketingleiterin des BVG in ihrer Keynote am zweiten Tag der MARKETING X in Wien, zum Erfolg der ebenso humorvollen wie selbstironischen Werbelinie. Zu diesen Faktoren zählen beispielsweise Kreativität, das Kommunizieren auf Augenhöhe, Leidenschaft, aber auch kurze Wege bei Entscheidungen sowie stets die interne und externe Zusammenarbeit mit Profis. Barei: „Wir zeigen Ecken und Kanten, versuchen aber, andere immer mit Respekt zu behandeln.”
Auf ein Posting „Ihr seid doch alle Hurensöhne” reagierte der BVG beispielsweise mit der „Richtigstellung: Wir sind eine Hurensohn-Anstalt öffentlichen Rechts.” Mit ähnlichem Humor und Ironie werden aber auch Themen wie Tariferhöhungen, Müllvermeidung oder Schwarzfahren kommuniziert. „Mit einer Tonalität absolut gegen den erhobenen Zeigefinger”, skizziert Barei den Stil. „Wir machen nicht nur Unterhaltung, sondern zeigen auch Haltung.” Deshalb stieg der BVG auch bei X (Ex-Twitter) aus, weil er sich nicht mehr mit dessen Werten und Inhalten identifizieren konnte.
„Ein ganz wesentliches Element ist Bewegtbild, nichts emotionalisiert mehr als Bewegtbild”, meint Barei zu den Medienkanälen. Doch auch die eigenen Fahrzeuge werden für Werbebotschaften verwendet. Da prangt dann auf Doppelstockbussen in großen Lettern: „Auf die Größe kommt es doch an.” Auch PR-Stunts spielen in der BVG-Kommunikation eine zentrale Rolle. Beispielsweise wurde der Slogan am 6. Dezember 2017 unter dem Motto „U2 in die U2 – den an diesem Tag kommt zusammen, was zusammengehört” zu „Because we love U2” abgewandelt. Damit wurde nicht nur das neue Album von U2 promotet, sondern Popstar Bono und seine Band waren tatsächlich in der U2 quer durch Berlin unterwegs und stellten sich für diverse Aktionen zur Verfügung. Kostenlos. Der BVG kreierte aber auch in einer Kooperation mit Adidas einen eigenen „Ticket Shoe” in limitierter Auflage von 500 Paar. Um sich ein solches Sneaker-Paar zu angeln, campierten Fans nicht nur tagelang vor einem Berliner Trendshop, der BVG erzielte mit der Aktion weltweit rund 10,6 Milliarden Impressions. Sogar ein eigenes Musical mit dem Titel „Tarifzone Liebe” wurde im Rahmen der „Liebes”-Kampagne geschrieben und komponiert.
All das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Mit authentischer Kommunikation sowie Herz, Berliner Schnauze und Augenzwinkern ist es der BVG nicht nur gelungen, einen anfänglichen Shitstorm zu überwinden, sondern die Herzen der Menschen zu erobern. Rund eine Milliarde Fahrgäste transportieren die Berliner Verkehrsbetriebe in einem Jahr. Seit die Kampagne läuft, steigen nicht nur die Imagewerte, auch Vandalismus und Beschwerden gingen und gehen zurück.
Barei zum Abschluss: „Unser wesentliches Geheimrezept ist Mut. Mutige Kommunikation ist immer ein Weg zum Erfolg.”