Social Media, Messenger-Dienste, Nachrichten und Werbung fluten uns täglich mit einer großen Menge von Bildern. Auch wir selbst tragen dazu bei, denn Smartphones sind mittlerweile hervorragende Kameras, die hohe Bildqualität liefern – auch ohne Fachkenntnisse. Nicht alle geteilten Bilder werden aber als schön empfunden, während manche Bilder uns in ihren Bann ziehen. Aber welche Bilder sind das, und warum ist das eigentlich so?
Ein Team um Helmut Leder von der Universität Wien erforscht, wodurch ein Foto zu einem großartigen Bild wird. „Trotz der großen Beliebtheit und Verbreitung von Handy-Fotografie gibt es bislang kaum systematische Forschung zu den ästhetischen Grundlagen guter Bilder”, sagt Matthew Pelowski, ebenfalls leitender Wissenschafter im Projekt.
Wechselspiel vieler Aspekte in kürzester Zeit
„Wir gehen von unseren theoretischen Modellen der Kunstwahrnehmung aus. Neben grundlegenden Bildmerkmalen legen wir den Fokus dabei vor allem auf die Person, die das Smartphones nutzt, sowie den Kontext, in dem ein Foto entsteht und geteilt wird”, erklärt Helmut Leder. Je nachdem ob man ein Selfie, ein Foto einer Bergtour, einer Städtereise oder vom letzten Restaurantbesuch betrachtet, können ganz unterschiedliche Aspekte mitbestimmen, ob das Bild als ästhetisch wahrgenommen wird oder nicht. Ziel des Projekts ist es, die wahrgenommene Schönheit von Bildern in Abhängigkeit dieser verschiedenartigen Einflüsse zu untersuchen.
Als Grundlage dafür haben die ForscherInnen nun ein theoretisches Modell der Bildästhetik bei der Smartphone-Fotografie entwickelt. Jede Betrachtung eines Bilds löst eine Abfolge von kognitiven Verarbeitungsprozessen aus. Innerhalb von Sekundenbruchteilen erfasst die Wahrnehmung wesentliche Aspekte eines Fotos. Dazu zählen einerseits ganz simple Bildmerkmale wie Farbe, Kontrast oder Beleuchtung. Schon allein aufgrund dieser Merkmale könnten Bilder als unästhetisch bewertet werden, etwa wenn diese stark über- oder unterbelichtet oder völlig unscharf sind. Aber auch Aspekte der Bildkomposition, wie etwa Symmetrie, Komplexität oder Bildausschnitt, bewirken schon einen ersten Eindruck. All diese Einflüsse führen bereits zu einer unmittelbaren ästhetischen Vorliebe für bestimmte Bilder, ohne dass darüber besonders nachgedacht wird.
ForscherInnen bringen diese Aspekte in ein Modell
Wenn man Bilder allerdings ein paar Sekunden länger betrachtet, kommen bereits höhere Denkprozesse ins Spiel. Das sind etwa Erinnerungen, die die BetrachterInnen mit dem Bild verbinden oder eine bestimmte Bedeutung, die Menschen dem Bildinhalt zuschreiben, zum Beispiel wie wichtig die porträtierte Person ist. Wir prüfen auch, ob das Bild zu unseren eigenen Vorstellungen und Erwartungen passt oder wie gut es der Situation entspricht, in der es aufgenommen wurde.
Das neue Modell ist eine erste systematische Zusammenstellung all dieser Variablen, die die Schönheit solcher Bilder bestimmen. Dabei werden die zeitliche Abfolge – von schnellem, spontanem Wischen bis hin zu ästhetischem Genuss – und besonders Unterschiede zwischen Personen mit einbezogen.
Momentan führt das Wiener Forschungsteam großangelegte Online-Experimente durch, um besser zu verstehen, wie die typischen Smartphone-NutzerInnen die Entscheidung fällen, welche Bilder sie schön finden und mit anderen teilen möchten. „Wir möchten dabei vor allem die Wechselbeziehungen zwischen Inhalt, Bildgestaltung, aber auch kulturellem Kontext und Persönlichkeit verstehen. Diese wurden in der empirischen Forschung zur Wahrnehmung von Fotografien bislang weitgehend außer Acht gelassen”, sagt Chris Valuch, Postdoc im Projekt.