Schadenersatz von Facebook? Ja. Der deutsche Bundesgerichtshof (BHG) in Karlsruhe erließ am Montag (18. November) ein Urteil, wonach Facebook bzw. dessen Mutterkonzern bei einem Datenleck grundsätzlich schadensersatzpflichtig ist. Der Spruch des obersten Gerichts der Bundesrepublik Deutschland, das sich in seinem Urteil auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beruft, darf zwar als richtungsweisend eingestuft werden, wird an der allgemeinen Situation aber wenig ändern.
Die Vorgeschichte: In den Jahren 2018 und 2019 wurden bei Facebook mehr als 500 Millionen Datensätze abgesaugt. Betroffen davon waren auch rund sechs Millionen UserInnen in Deutschland, darunter Mirko J. Auf seiner Klage beruht nun das deutsche Grundsatzurteil, bei unseren Nachbarn heißt das Leiturteil. Das BGH sprach dem Kläger und damit auch allen anderen Betroffenen grundsätzlich Schadenersatz seitens des Facebook-Mutterkonzerns Meta auch bei einem bloßen Kontrollverlust über ihre Daten zu.
„Der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten infolge eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung kann ein immaterieller Schaden im Sinne der Norm sein”, formuliert der BGH in seiner Pressemitteilung. Das heißt, einer Userin, einem User, dessen Daten von irgendjemanden gestohlen wurden, steht auch dann Schadenersatz zu, wenn die Daten nicht missbräuchlich verwendet wurden.
Teuer für Facebook wird das deutsche Urteil ebenso wenig wie sich bei möglichen Betroffenen die Hoffnung auf plötzlichen Reichtum rasch zerschlägt. Denn zum einen legt der BGH die Summe für einen Schadenersatz im konkreten Fall mit 100 Euro fest, zum anderen sehen die flankierenden Begleiterscheinungen eher negativ aus. Schon mit Ende des Jahres droht eine Verjährungsfrist für ähnlich gelagerte Fälle. Zudem muss das jetzige BGH-Urteil in einem weiteren, vorinstanzlichen Verfahren noch mit den Nutzungsbestimmungen von Facebook abgeglichen werden.
Auf Meta rollt in Deutschland also keineswegs eine Schadensersatzwelle von 600 Millionen Euro zu, sondern bestenfalls von einigen Zehntausend Euro – es gibt eine ganze Reihe ähnlicher Verfahren wie jenes des nun erfolgreichen Klägers. Andererseits wird das aktuelle Urteil wegen der Rahmenbedingungen – geringe Schadenersatzsumme, hohe Verfahrenskosten, großes Prozessrisiko, drohende Verjährung – keine weitere Klagsflut auslösen. Schon gar nicht in Österreich, wo die Reaktionen auf das deutsche Urteil eher verhalten ausfielen.
Allerdings birgt das BGH-Urteil ein neues Risiko. Nicht für Facebook oder Meta. Sondern für viele andere Unternehmen und Organisationen. Findige Anwaltskanzleien und selbsternannte Verbraucherschützer könnten auf die Idee kommen, gegen sie vor Gericht zu ziehen. Oder auf Verdacht wie beispielsweise bei den massenhaften Klagen gegen Google wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen bei Vorschaubildern (Thumbnails) in dessen Bildersuche und auch bei der in Österreich weitverbreiteten sogenannten Parkplatz-Abzocke vorgehen und zumindest prophylaktisch Strafen einfordern.