„Eine Woche lang (18. bis 25. März) haben die OÖNachrichten die Textbeiträge auf der „blauen Seite“ von ORF.at gezählt und dabei eine erhebliche Überschreitung der erlaubten Anzahl festgestellt.“ Mit diesem Satz beginnt nicht nur eine Presseaussendung der Chefredaktion der OÖNachrichten vom 4. April dieses Jahres, er steht auch symbolisch für die medienpolitische Auseinandersetzung heimischer Medienmarken, die ihre Wurzeln im Printsektor haben, mit dem ORF sowie generell für die Medienpolitik in Österreich.
Medienpolitik in diesem Land ist zu einem wesentlichen Teil auf eine rein qualitative Auseinandersetzung reduziert, während qualitative Aspekte weitgehend in den Hintergrund gedrängt werden. In der Medienpolitik dieses Landes geht es um Einfluss und Macht, um Stricherllisten zu Nachrichten und Sitzverteilungen in Gremien. Um Medienpolitik, um Inhalte und Strukturen, um gesellschaftliche Verantwortung und demokratiepolitische Funktion, um eine Zukunftsstrategie geht es in der österreichischen Medienpolitik, den medienpolitischen Auseinandersetzungen in diesem Land kaum.
Exakt 522 Meldungen haben die Listenführer der OÖNachrichten für die „blaue Seite“ des ORF (ORF.at) in dem angeführten Zeitraum gezählt. Maximal 350 Meldungen pro Woche dürften es sein. Das regelt das ORF-Gesetz so. Abgezählte Information für Userinnen und User, für die Menschen in der Republik Österreich, die sich an schlichten arithmetischen Werten orientieren, und nicht am Weltgeschehen, nicht an Unternehmensentwicklungen sowie dem Auf und Ab der Börsen, nicht an Konjunktur- und Inflationszahlen, nicht an Umweltkatastrophen und chronikalen Ereignissen. Reine Erbsenzählerei.
Die Erbsenzähler sitzen in diesem Fall nicht nur in den Redaktionen und Verwaltungen der großen (Print-)Medienmarken, sondern auch in den Interessensvertretungen sowie den Parteizentralen und Amtsstuben jener Ministerien, die an den heimischen Mediengesetzten mitgearbeitet haben und an diesen mitarbeiten.
Die Anzahl der Meldungen auf ORF.at nummerisch zu beschränken, ist der falsche Weg, wenn deren publizistische Reichweite und Bedeutung eingeschränkt oder reduziert werden soll. Andererseits ist natürlich auch die Argumentation und das Anliegen der privaten Medienanbieter, der OÖNachrichten verständlich, die in einem zunehmend härteren Wettbewerbsumfeld um User:innenzahlen und Klickraten, um Werbegelder und Gebühren hinter Bezahlschranken usw. rittern -, in diesem Rennen gegen ein Online-Angebot des ORF antreten müssen, das dieser kostenlos sowie großteils aus der ORF-Haushaltsabgabe finanziert anbietet.
„Der ORF muss sich an gesetzliche Spielregeln halten”, lautet die eindringliche Forderung, der klare Appell der OÖNachrichten, der bereits in der Headline oben genannter Presseaussendung unmissverständlich formuliert wird und der in den Wochenend-Ausgaben von diversen anderen Zeitungen dankbar übernommen wurde.
Ja. Aber, dazu braucht es in diesem Land endlich eine fundierte Medienpolitik und sinnvolle Mediengesetze.