Als sich in den ausgehenden 1970er- und den frühen 1980er-Jahren die PR-Branche in Österreich zu professionalisieren begann (Der PRVA feiert 2025 sein 50-jähriges Bestehen.), kam damit auch eine ihrer Ursünden in die Welt. Denn nicht wenige Vertreterinnen und Vertreter argumentierten im Wettbewerb mit der damals schon wesentlich professionelleren Werbebranche, Public Relations sei die wirkungsvollere, die bessere Kommunikationsdisziplin. Die Werbung wurde gerne auch schlechtgeredet. Auch von führenden Köpfen aus der PR.
Es ging schlicht um die Kohle. Die Werbung erlebte einen ersten großen Boom, galt als angesagte Branche und verfügte durchaus schon über beachtliche Budgets. In den Boomjahren wurde – aus heutiger Sicht kaum vorstellbar und glaubhaft – für Werbung sogar gerne Geld ausgegeben. Manchmal war auch der Ausdruck „Geld verschleudern“ angebracht. Von diesem Kuchen wollte sich auch die heranwachsende PR-Branche ein Stückchen abschneiden. Die junge Disziplin brauchte Aufträge und Etats, doch die Kommunikationsbudgets waren meist für Werbung festgefroren, frisches Geld für eine neue Kommunikationsdisziplin gab es nicht. Daher musste die junge Zunft nicht nur um ihre Anerkennung, sondern auch um ihre Honorare raufen. Damit war das Duell der Disziplinen eröffnet, das nicht immer mit den redlichsten und richtigen Argumenten geführt wurde.
Doch mit zunehmendem Wachstum der Branche und steigenden Budgets, mit fortschreitender Professionalisierung und lukrativeren Aufträgen stiegt auch das Selbstbewusstsein, schrumpfte das Konkurrenzdenken der Branche.
Außerdem trifft der Sündenfall nicht nur die Public Relations. Mit neuen Disziplinen innerhalb des Marketing, mit dessen Fragmentierung in zahlreiche Spezialkategorie wurde auch in späteren Phasen das Gerangel um Budgetanteile wieder belebt, erneut die Ellbogentaktiken gegen andere Disziplinen ausgefahren.
So beispielsweise mit dem Aufkommen des Direct Marketing. Je mehr es sich als eigene Disziplin herauszukristallisieren begann, desto mehr wuchs das Konkurrenzverhältnis zur klassischen Werbung. Doch diese Polarisierung erwies sich nicht nur als Vorteil. So meinte irgendwann in den frühen 2000ern einer der führenden Köpfe der heimischen DM-Branche, der mit seiner Agentur zu den Gründervätern des goldenen DM-Zeitalters in Österreich gezählt werden darf, sinngemäß: Wir haben zehn Jahre gebraucht, um unseren Kunden zu erklären, was Direct Marketing ist und wozu sie es brauchen. Jetzt brauchen wir zehn Jahre, ihnen zu erklären, wie wichtig die Integration von Direct Marketing unter ein einziges Kommunikationsdach ist.
Werbung, Public Relations und Direct Marketing haben ihre großen Disziplinsfehden längst beigelegt. Auch wenn der 2002 erschiene Fachbuchklassiker „The Fall of Advertising and the Rise of PR“ der beiden Branchengrößen Al und Laura Rise in der drei Jahre später publizierten deutschsprachigen Übersetzung den Titel trug: „PR ist die bessere Werbung“.
Sogar bis in die jüngste Gegenwart erscheinen vermutlich auch deswegen und teils in namhaften Zeitungen und Magazinen, Artikel und Analysen unter Schlagzeilen wie „Die Werbung ist tot“ oder „Das Marketing ist tot“. Vielfach auch vom Blick auf die Digitalisierung der Gesellschaft und der Wirtschaft ausgelöst. Die Digitalisierung des Marketing und der Kommunikationsdisziplinen scheint aber auch wieder den Geist des einstigen Zwists zwischen Werbung und PR, die Rivalität zwischen einzelnen Disziplinen zu befeuern. Denn immer öfter wird in unserer Gegenwart das eine über das andere gesellt, in markigen Statements und knalligen Headlines der Tod der einen oder anderen Spezialdisziplin heraufbeschworen.
Suchmaschinen-Marketing, E‑Mail- und Newsletter-Marketing, SEO-Marketing und viele andere. Alle schon mausetot. Und doch meist so lebendig wie kaum zuvor. Marketing und Werbung, auch die Public Relations, zählen mit all ihren Unterdisziplinen zu den lebendigsten und lebhaftesten, zu den sich am raschesten wandelnden Branchen im Wirtschaftsgefüge. Sie halten durch ihre Agilität den Wirtschaftsmotor am Laufen.
Totjammern bringt keiner einzigen Disziplin, keiner Kategorie etwas. Auch nicht, wenn es den vermeintlichen Rivalen gilt.