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Das Missverständnis im Wörtchen „Presse“

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Albert Sachs
Warum so viele Unternehmen eine kommunikative Todsünde begehen, darauf sogar stolz sind und sich darüber auch noch freuen.

Eigenartig. Es lässt sich ohne großen Aufwand umsetzen und verbirgt sich meistens hinter dem Wörtchen „Presse“. Beinahe ausnahmslos jeder Web-Auftritt eines Unternehmens ist mittlerweile mit einem solchen Button ausgestattet. Hinter diesem „Presse“-Knopf lassen sich zwei Strategien verstecken. Also eine 50:50-Option. Dennoch wählen mehr als 50 Prozent der Unternehmen zielsicher die falsche.

„Presse“. Dahinter sollte sich eigentlich ein wunderbares Universum erschließen. Ein Angebot der Vielfalt für JournalistInnen und Kommunikationsleute. Eine Auswahl an Materialien, die diesen Profis als nützliche Arbeitsunterlage, tägliches Handwerkszeug, als Informationsquelle und zur Arbeitserleichterung dient.

Die Realität sich allerdings anders aus. Die Kommunikationsverantwortlichen in vielen Unternehmen scheinen zwar vom Schlagwort „Presse“ fasziniert, doch was sie dann unter dieser Rubrik subsummieren, gehört dort nicht wirklich hin oder hat seine Daseinsberechtigung bestenfalls in Form einer Nebenrolle. Denn unter „Presse“ wird in solchen Fällen die Ansammlung von Presse-Artikeln und Clipping-Fitzelchen verstanden, in denen der eigene Unternehmensname oder eine Produktbezeichnung aus dem eigenen Haus auftaucht. Berichte, die in diversen Medien lanciert wurden, und ähnliches sind dort zu finden. Nur keine Presse-Unterlagen.

Schön. Es sei euch gegönnt. Zudem gehöre ich nicht zu jenen PR-PuristenInnen, die in solchen digitalen Ruhmeshallen eine Todsünde der Unternehmens-Kommunikation sehen oder diese bestenfalls in der Kategorie „no go“ ablegen. Das bisschen Freude, das Stolzsein auf sich selbst, der Schrein der Selbstinszenierung, die Weihrauchhalle für die UnternehmenslenkerInnen – all das darf ruhig sein. Aber lasst deswegen JournalistInnen und andere nach Presse-Unterlagen suchende Menschen nicht dumm sterben.

Wer auf seiner Seite einen „Presse“-Button installiert, hat dann auch die Pflicht, unter dieser Rubrik Ansprechpersonen und Kontaktdaten für Anfragen, Presse-Kits, aktuelle Aussendungen, Kurztexte, Zitate, Produktbeschreibungen, Fakten-Boxen, Boilerplates, eine Foto-Auswahl, Grafiken und – in Zeiten der Digital-Medien längst nicht mehr ungewöhnlich, sondern der Idealfall – Audio- und Video-Sequenzen zur Verfügung zu stellen. Innovative Unternehmen gehen aktuell sogar dazu über, auf ihren Presse-Seiten 360-Grad-Inszenierungen und Virtual-Reality-Touren anzubieten.

Dieses Angebot sollte möglichst barrierefrei zugänglich sein, Texte, Fotos und Co. nicht in den verästelten Strukturen einer Website und kaum auffindbar verborgen sein. Zudem dienen zu viele Zugangskontrollen und ‑sperren ebenso wenig einer offenen und friktionsfreien Kommunikation. Denn merke: Kontrolle ist gut, aber zu viel Kontrolle verärgert das Gegenüber.

Wer seine Hausaufgaben in diesem Sinne gemacht hat, darf dann auch seine zweite Strategie umsetzen: „Ich in den Medien“ oder „Wir in den Medien“. Ein bisschen Selbstbeweihräucherung schadet nie und im Idealfall dienen solche Medienberichte ja den informationshungrigen Journalisten als Basisinformation und zur Einordnung.

Wer aber unter dem „Presse“-Button ausschließlich eine solche Eigenlob-Ausschnitt-Sammlung anbietet, hat den Sinn der Übung im speziellen und jenen der Disziplin Kommunikation ganz allgemein schlicht und einfach nicht verstanden.

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