Gastkommentar: Mein Chef hat mich in die Wüste geschickt (Teil 2)

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Konrad Mayr-Pernek
Auch im zweiten Teil berichtet Konrad Mayr-Pernek von Purpur Media von der LEAP, der größten Tech-Messe in Saudi-Arabien und lässt uns an dem Erlebten und seinen Erfahrungen vor Ort teilhaben.

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Um einen Blick darauf zu werfen, was in der arabischen Welt passiert: Im ersten Abschnitt habe ich bereits versucht, die zentrale Aussage auf den Punkt zu bringen. Sie gehen All-In – sie meinen es ernst, sie haben einen Plan. Ich habe recherchiert und bin fündig geworden: Vision 2030. Dieses Programm wurde 2016 von der Königsfamilie und der Regierung veröffentlicht, ist in drei Phasen zu je fünf Jahren unterteilt und baut schrittweise aufeinander auf. Aktuell befinden wir uns auf dem Weg in die dritte und letzte Ausbaustufe.

Alle Maßnahmen gruppieren sich um die Themen Gesellschaft, Wirtschaft und Ambition und werden durch spezifische Programme getragen – etwa in den Bereichen Gesundheitswesen, Privatisierung, Bildung, Wohnraum und mehr. Hinzu kommen große Leuchtturmprojekte in verschiedenen Branchen, darunter das Red Sea Project (Tourismus), Neom (Künstliche Intelligenz, Smart Cities, erneuerbare Energien) und ein verstärkter Fokus auf Sport- und Event-Initiativen. Das umstrittene Megaprojekt „The Line” ist Teil von Neom – insgesamt sind allein für Neom Investitionen in Höhe von rund 500 Milliarden US-Dollar vorgesehen.

Doch nicht nur Großprojekte fallen unter diese Strategie. Auch kleinere Initiativen, wie der Aufbau einer Gaming-Industrie für den arabischen Raum, sind Teil des Plans. Ziel ist es, rund 25.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt zu schaffen – mit einer Anschubfinanzierung von 60 bis 70 Millionen US-Dollar. Wer das Medienverhalten in der Metro, auf Konferenzen oder allgemein im öffentlichen Raum beobachtet, merkt schnell: Das Smartphone ist omnipräsent – immer und überall. Durchschnittliche tägliche Nutzung: 4 Stunden 37 Minuten (zum Vergleich: Deutschland liegt bei 2 Stunden 30 Minuten). Mein persönlicher Eindruck? Die tatsächliche Nutzung dürfte sogar noch höher sein.

Interessanterweise ist Saudi Arabien mittlerweile auch in die Autoproduktion eingestiegen – ob als Teil von Vision 2030 oder zufällig. Lucid Motors lässt dort fertigen, und die ersten Fahrzeuge sind bereits auf den Straßen zu sehen.

Das übergeordnete Ziel all dieser Maßnahmen? Die Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Aktuell macht Öl rund 70 Prozent des BIP aus – die Vision 2030 soll dem Land eine stabile wirtschaftliche Zukunft nach dem Ölzeitalter sichern. Welche gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen dieser Wandel bereits hat, habe ich in Teil 3 meiner Eindrücke zusammengefasst (stay tuned!).

Natürlich gibt es vieles, das man an Saudi-Arabien kritisieren kann – aber einen klaren Plan zu haben, ist etwas, das Österreich oder Europa ebenfalls gut zu Gesicht stehen würde. Einem Königshaus fällt es sicherlich leichter, eine langfristige Strategie festzulegen und konsequent umzusetzen als einer Demokratie. Doch ein demokratisch erarbeiteter, überparteilicher Plan, dem sich eine Institution wie die EU unabhängig von politischen Mehrheiten verpflichtet fühlt, wäre durchaus wünschenswert.

Unser „Öl” sind vielleicht Autos. Doch auch wir haben Abhängigkeiten. In diesem Sinne: Have a plan – and stick to it.

Konrad Mayr-Pernek ist seit 2022 Verantwortlicher für das Business Development bei der Wiener Vermarktungsagentur Purpur Media. In einem dreiteiligen Gastkommentar berichtet er von seinen Erfahrungen auf der LEAP, der größten Tech-Messe Saudi Arabiens.

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