Es kommt ja nicht mehr sehr oft vor, dass der Werbeblock im Fernsehen noch überraschen kann. Mitte November, genauer gesagt am 18. des Monats, gab es im Block vor der ZIB 2 des ORF einen dieser raren Momente. Da lief ein knapp dreiminütiges Commercial, in dem Promis aus den unterschiedlichsten Lagern – vom Caritas-Direktor bis zu SchauspielerInnen, vom Wiener Bürgermeister bis zum Dompfarrer, vom Direktor der Volkshilfe bis zum Konzernchef, von Mitarbeitern der Müllabfuhr bis zum Opernstar, von Lehrlingen bis zur Generaldirektorin – nach der Melodie von Falcos „Rock Me Amadeus“ einen Song intonierten. An den unterschiedlichsten Locations quer durch ganz Wien gedreht.
Ein Spot ganz ohne jegliches Produktversprechen, ohne Aktions-Geschrei, ohne das längst wieder überholte Purpose-Geschwafel. Rasch geschnitten, aber nicht hektisch. Und immer wieder diese Zeile: „Keine Sorge, keine Sorgen.“ Rasch war klar, wem die Neuinterpretation der Falco-Hymne galt. Der Wiener Städtischen Versicherung.
Umso überraschender die Auflösung am Schluss, denn nicht die Versicherung war der Absender, sondern die Erste Group. Des Rätsels Lösung: Der Wiener Städtische Versicherungsverein feiert sein 200-jähriges Bestehen und die Erste Group gratuliert mit einem Geburtstagsständchen zum Jubiläum.
Ein Mut-Spot in werbemauen Zeiten. Weil so ein Commercial vermutlich so richtig viel Geld kostet. Weil er eine aufwändige Produktion erfordert. Weil so etwas erst bei den Verantwortlichen durchgesetzt werden muss. Weil er einem anderen Unternehmen gilt und erst in zweiter Linie auf die eigene Marke einzahlt. Weil er trotz seiner Unaufgeregtheit polarisiert. Die Reaktionen im Netz fallen völlig konträr aus.
Mut, der sich letztendlich bezahlt macht. Ein Spot, auf den der Vorstandsvorsitzende richtig stolz ist und ihn persönlich auf Linkedin poste, dafür sogar noch reihenweise Lob und Anerkennung von Kollegen und Branchenprofis einheimst. Ganz ehrlich, wie oft passiert es wirklich, dass sich die oberste Management-Etage mit einem Werbespot oder einer Kampagne dermaßen identifiziert.
Ein kleines, vorweihnachtliches Werbewunder. Werbung, die unterhält. Werbung, über die man spricht. Werbung, die gefällt. Werbung, die gerne auch polarisieren darf. Bitte, gerne wieder mehr davon. Es muss ja nicht unbedingt ein minutenlanger Spot sein.