Björn Ommer ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er die Arbeitsgruppe Computer Vision & Learning Group leitet, hielt bei der re:publica 2025 die Opening Keynote mit dem Titel "Generative KI und die Zukunft der Intelligenz".
© Jan Zappner/re:publica

Björn Ommer ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er die Arbeitsgruppe Computer Vision & Learning Group leitet, hielt bei der re:publica 2025 die Opening Keynote mit dem Titel "Generative KI und die Zukunft der Intelligenz".

„Europa muss bei generativer KI eigene Wege gehen.”

Generative KI verändert Gesellschaft und Ökonomie tiefgreifend. In seiner Opening Keynote bei der re:publica fordert Björn Ommer (Ludwig-Maximilians-Universität München) mehr Souveränität für Europa im Umgang mit dieser Technologie.

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In seiner Eröffnungsrede auf der Digitalkonferenz re:publica 2025 spricht Björn Ommer, Professor für Computer Vision & Learning an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, über die fundamentale Bedeutung generativer künstlicher Intelligenz (KI) für die Zukunft. Ommer gilt als Mitentwickler der Bild-KI Stable Diffusion und ist ein international gefragter Experte auf dem Gebiet. In Berlin warnt er vor zunehmenden Abhängigkeiten Europas von außereuropäischen Technologiekonzernen und ruft zu mehr technologischer Souveränität auf.

Generative KI ist keine bloße Spielerei, sondern eine sogenannte Ermöglichungstechnologie. Sie lässt sich mit grundlegenden historischen Innovationen wie der Dampfmaschine, Elektrizität oder dem Personal Computer vergleichen. Ihre Bedeutung liegt darin, dass auf ihr zahlreiche weitere Technologien und Anwendungen aufbauen. Eine Abhängigkeit von wenigen Anbietern kann daher schwerwiegende Konsequenzen für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft nach sich ziehen.

Strategien für ein unabhängiges KI-Ökosystem

Ommer betont, dass Europa eigene technologische Fähigkeiten ausbauen muss, um nicht in eine gefährliche Abhängigkeit von außereuropäischen Großmächten zu geraten. Der Anspruch auf Souveränität sei insbesondere vor dem Hintergrund geopolitischer Entwicklungen unerlässlich. Staaten wie die USA setzten zunehmend auf Regulation und Kontrolle, was auch Auswirkungen auf die internationale Forschungslandschaft habe.

Anhand konkreter Beispiele zeigt Ommer, wie generative KI bereits heute produktiv eingesetzt wird. In Bereichen wie Design, Softwareentwicklung oder Kundeninteraktion eröffnet sie neue Möglichkeiten, Prozesse schneller und effizienter zu gestalten. Gleichzeitig ermöglicht sie auch in der medizinischen Forschung, Materialentwicklung oder Wetterprognose deutliche Fortschritte. Dabei geht es längst nicht mehr nur um das Generieren von Inhalten, sondern um das Verstehen und Modellieren komplexer Zusammenhänge. Besonders in der Forschung könne KI ein Katalysator sein, etwa durch die Analyse großer Datenmengen oder die Simulation biologischer Prozesse.

Ein zentrales Thema ist die Frage nach Skalierung und Zugänglichkeit. Die gegenwärtig führenden KI-Modelle werden immer größer, benötigen immense Rechenkapazitäten und verschlingen erhebliche finanzielle Ressourcen. Ommer warnt, dass dies zu einer Machtkonzentration bei wenigen Konzernen führen kann. Als Gegenmodell präsentiert er die Entwicklung von Stable Diffusion: ein leistungsfähiges KI-Modell, das auch auf vergleichsweise einfacher Hardware genutzt werden kann. Ziel ist es, KI demokratischer und breiter verfügbar zu machen. Dabei hebt er hervor, dass innovative Ansätze nicht zwingend maximale Größe erfordern, sondern durch intelligentes Design auch mit begrenzten Mitteln exzellente Resultate möglich sind.

Ommer wirbt für eine technologische Entwicklung, die nicht nur auf Geschwindigkeit und Größe setzt, sondern auch auf Effizienz und Nachhaltigkeit. Wirkliche Intelligenz entsteht nicht durch unbegrenzte Ressourcen, sondern durch den Umgang mit deren Begrenztheit. Genau hier liegt eine Stärke menschlicher Intelligenz – und ein Vorbild für die Weiterentwicklung künstlicher Systeme. Er verweist auf die Notwendigkeit von Paradigmenwechseln: Statt immer größerer Modelle brauche es neue Wege, wie etwa spezialisierte kleine Modelle, die ihre Aufgaben effizient und nachvollziehbar erledigen.

Zudem geht Ommer auf die gesellschaftlichen Auswirkungen generativer KI ein. Sie beeinflusst nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch unsere Aufmerksamkeitsökonomie. Mit der Fähigkeit, Inhalte hyperpersonalisiert ausspielen zu können, steigt der Einfluss von Algorithmen auf Wahrnehmung und Meinungsbildung. Hier sind Regulierung, Medienkompetenz und Transparenz entscheidend. Er verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Funktionsweise dieser Systeme zu verstehen, da sie zunehmend in die persönliche Lebenswelt eindringen und Entscheidungen beeinflussen.

Ökonomisches Potenzial und gesellschaftliche Verantwortung

Ein weiteres Thema ist der wirtschaftliche Nutzen generativer KI. Studien zeigen, dass der Produktivitätszuwachs durch ihren Einsatz beachtlich ist und potenziell in der Größenordnung des deutschen Bruttoinlandsprodukts liegt. Besonders Branchen mit hohem Kommunikationsanteil und datenintensiven Aufgaben könnten stark profitieren. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie der Zugang zu diesen Technologien fair gestaltet werden kann und welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen notwendig sind, um deren Nutzen breit zu verteilen.

Europa muss eigene Paradigmen entwickeln, so Ommers zentrale These. Nur mit einer unabhängigen Forschung, offenen Standards und einer kritischen Auseinandersetzung mit den Potenzialen und Grenzen der Technologie kann ein ausgewogenes und nachhaltiges KI-Ökosystem entstehen. Der technologische Wandel verlangt nicht nur Rechenleistung, sondern vor allem auch kluge politische und gesellschaftliche Entscheidungen. Dabei sieht Ommer nicht nur Risiken, sondern vor allem große Chancen, wenn es gelingt, technologische Exzellenz mit demokratischer Teilhabe zu verbinden.

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