Wie haben Sie es geschafft, sich mit Ihrer Agentur in einem so wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich zu differenzieren?
Del Pozo: Mit LWND haben wir eine Agentur aufgebaut, die weder digital noch analog noch klassisch ist, sondern einfach eine Kreativagentur, wie sie meiner Meinung nach heutzutage sein muss: Wo man Marken und Kommunikation ganzheitlich und kanalunabhängig betrachtet. Wir bieten Full-Service-Leistungen an und bespielen alle Kanäle, wobei die digitale Kommunikation eine unserer Stärken ist.
Ihre Werbeagentur hat unter dem Namen Tunnel23 Fuß gefasst, mittlerweile haben Sie sich entschieden, die Agentur unter dem Namen LWND fortzuführen und neu zu positionieren. Kann man da von einem Rebranding sprechen?
Del Pozo: Es ist tatsächlich mehr als ein Rebranding, wir haben eine neue Agentur gemacht. Wenn du LWND hernimmst und mit Tunnel23 vor fünf Jahren vergleichst, haben sie fast nichts miteinander zu tun. Mit wenigen Ausnahmen: Einem Teil der MitarbeiterInnen und dass wir am gleichen Ort sind. Unser Portfolio, unser Kundenstamm, die Eigentümerstruktur und das Management sind nicht mehr wie damals. Was wir eigentlich gemacht haben, ist, dass wir eine neue Firma gegründet und uns überlegt haben, was wir an der Alten gut fanden, was für die Vergangenheit ist und was neu erfunden werden muss.
Eine Agentur zu Gründen ist mit Herausforderungen verbunden. Welchen mussten Sie und Ihr Team sich während diesem Prozess stellen?
Del Pozo: Unsere größte Challenge war es, dass die Leute verstehen, sowohl nach außen als auch nach innen, dass wir eine neue Firma gemacht haben. Wenn irgendjemand gekommen wäre und gesagt hätte: Das ist Tunnel23, aber da steht ein neuer Name drauf, das wäre die größte Katastrophe gewesen. Die zweite Challenge war, dass man nicht in alte Muster verfällt. Wir verfolgen einen Traum und man muss auch aufpassen, dass man dem treu bleibt. Die dritte Challenge ist der Umgang mit bestehenden KundInnen und Projekten. Wir haben geschaut, was unsere Stärke ist, und das sind unsere MitarbeiterInnen. Unsere KundInnen haben auch unterschiedliche Anforderungen und deswegen haben wir begonnen, Custom-Teams zu bauen.
Auf Ihrer Website steht: „Keiner mag Agenturen. Das fanden wir scheiße und haben die Agentur neu erfunden. Ohne Allüren, klischeehafte Rollenbilder und All-In Verträge.” Was meinen Sie damit?
Del Pozo: Wir wissen, dass KundInnen überhaupt keinen Bock mehr auf Agenturen haben und das aus zweierlei Hintergründen. Einerseits scheuen viel KundInnen die Kosten und es wird immer mehr In-House gemacht. Andererseits sind viele Agenturen zu arrogant, um den KundInnen zuzuhören, deren Business und deren Meinung zu verstehen. Die meisten suchen eine Agentur, mit der man auf Augenhöhe etwas machen kann und die auf die Bedürfnisse der KundInnen eingehen. Oft passiert das nicht und das wollen wir anders machen.
Die digitale Marketingbranche kämpft mit einem Fachkräftemangel. Wie gestalten Sie die Arbeit attraktiver und wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für Berufseinsteiger in der Branche?
Del Pozo: Die Zukunftsaussichten für BerufseinsteigerInnen sind gut. Die Sache ist nur, dass niemand da arbeiten will. Die haben keinen Bock in einer Firma zu arbeiten, wo du mittelmäßig bezahlt wirst, immer Stress hast, 60 Stunden All-In arbeitest und immer auf Deadline am Wochenende in der Nacht an Pitches arbeitest – da braucht man sich nicht über Fachkräftemangel zu wundern. Deswegen versuchen wir hier wirklich alles anders zu machen, und zwar alles, alles. Also das heißt, dass wir eben keine All-In-Verträge haben, dass bei uns tatsächlich alle das gleiche Geld bekommen, obwohl sie nur 36 Stunden arbeiten. Unsere Leute bekommen das Mittagessen bezahlt, eine Wiener-Linien Jahreskarte, Fortbildungen, wir haben Rückzugsorte in der Agentur, moderne Hardware und Infrastruktur, flexible Arbeitszeiten und Home-Office. Wir fördern Eigenverantwortung und freie Zeiteinteilung. Wir arbeiten auch viel mit externen Coaches zusammen, um den Leuten Tools in die Hand zu geben, damit sie lernen mit Verantwortung umzugehen. All diese Dinge zusammen sollen helfen, dass Leute diesen Job wieder gerne machen, denn unser größtes Asset sind die Leute, die hier arbeiten. Wir verkaufen am Ende das, was unsere Leute bereit sind an Kreativität und Leidenschaft hineinzustecken.
Sie waren dieses Jahr als Jury-Head im Bereich Creativity beim iab WebAd dabei und haben auch an einem neuen Auswahlprozess mitgearbeitet. Was können Sie uns darüber erzählen?
Del Pozo: In den vergangenen Jahren haben sich immer mehr Personen gefragt, ob der WebAd ein Kreativpreis oder ein Mediapreis ist. Das Lustige hierbei ist: Je nachdem wen du gefragt hast, hast du eine andere Antwort bekommen. Deswegen war es mir wichtig zu sagen: Leute, lasst uns Kreation und Effektivität gleichermaßen würdigen. Damit sollen auch Projekte, die wirklich kreativ, ganzheitlich und super durchdacht sind, eine Bühne bekommen. Es ist für die ganze Branche ein wichtiges Zeichen nach außen. Wir hatten heuer zwei getrennte Jurys bestehend aus Personen mit unterschiedlichem Background und Wissen. Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen und ich bin gespannt, wie das nächste Jahr ausschaut.
Wie schätzen Sie die zukünftigen Entwicklungen in der Digital-Marketing-Branche ein?
Del Pozo: Eine Entwicklung zeichnet sich ab und ist der Grund, warum wir eine neue Agentur gegründet haben. Die Challenge, die auf die ganze Branche zukommt, ist, dass die KundInnen wieder alles aus einer Hand und nur eine Ansprechperson haben wollen. Die Konsortium-Lösungen sind nicht praktikabel, und die Idee von einer Virtual Agency hat oft nicht funktioniert, da die handelnden Agenturen jeweils auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Am Ende kommt dabei keine gute Kreation raus und die KundInnen sind unzufrieden. Die Challenge wird sein, das zu überwinden. Wir glauben, es geht leichter, wenn die Leute aus der gleichen Agentur sind. Wir haben ExpertInnen aus den verschiedensten Disziplinen und bauen für die KundInnen ein Team, das einander kennt, vertraut und gut miteinander arbeiten kann.
Internet World Austria berichtet in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der FH St. Pölten. Dieses Interview wurde im Zuge der Kooperation von Oksana Klysz und Sophie Reinprecht durchgeführt.