Es läuft und läuft und läuft. Dieser leicht abgewandelte Werbeslogan aus der Automobilindustrie beschreibt ein Kommunikationsinstrument, das vor 40 Jahren in unser Leben trat, sehr gut. Das E‑Mail. Vor 40 Jahren wurde in Österreich das erste E‑Mail verschickt. Wer, wann und wo genau das erste E‑Mail versandt wurde, ist nicht mehr wirklich belegt. Es gibt mehrere Start-Legenden. Laut der Österreichischen Post soll die Einrichtung eines ersten österreichischen EARN-Knotens (AEARN) an der Universität Linz im März 1985 die Basis für die E‑Mail-Kommunikation in Österreich gelegt worden sein. So mancher Chronist behauptet dann auch, das erste E‑Mail wurde von der Universität Linz an die Universität Innsbruck versandt. Andere führen hingegen die Universität Wien als Absender an, die diversen Daten für das erste E‑Mail Österreichs reichen dafür bis in den Juni 1985 hinein.
Wesentlich präziser sind da unsere deutschen Nachbarn, mit denen sich der sprachliche Streit, ob es „die E‑Mail“ oder „das E‑Mail“ heißt, wohl bis in alle Ewigkeit hinziehen wird. Mit dem 3. August 1984, 10.14 Uhr setzen sie den Start des E‑Mail-Zeitalters in ihrem Land an. Allerdings wurde zu diesem exakten Auftakttermin kein E‑Mail versandt, sondern empfangen: an der Universität Karlsruhe und tags zuvor in Cambridge (USA) abgeschickt.
Zwischenzeitlich – vor allem wegen des Aufkommens der Messenger-Dienste – schon totgesagt, schwirren global so viele E‑Mails wie nie zuvor durch Kabel und andere Übertragungswege. 360 Milliarden E‑Mails sollen es mittlerweile weltweit sein – täglich.
Mit „e‑m@ail für Dich“ gelangte die Mail 1998 sogar zu Hollywood-Ehren und der Klammeraffe wurde im Titel verewigt. Das wirkte damals topmodern, die von der elektronischen Post getragene Liebesgeschichte zwischen Meg Ryan und Tom Hanks in den Hauptrollen würde aber heute vermutlich keine einzige Kino-Besucherin, keinen noch so enthusiastischen Film-Fan von der Wohnzimmercouch hochlocken.
Der Klammeraffe war und ist auch das optische Signal im Roman „E‑M@il an alle“, den der britische Werbetexter und Schriftsteller Matt Beaumont 2004 veröffentlichte. Er schildert darin den Alltag in der Londoner Werbeagentur Miller Shanks, deren Mitarbeiter sich darin ergehen, den ganzen lieben Tag E‑Mails mit mehr und mehr Empfängern zu versenden. Deren Inhalte dienen aber nicht der Kreativität der Agentur, sondern Gerüchten, Gemeinheiten, Intrigen und Machtspielen. Mit der zunehmenden Anzahl der Mails sinkt die Produktivität der Agentur, verbürokratisiert sie immer mehr. Bis eines Tages der große Kunde winkt: Coca-Cola. Da bricht hektischer (Mail-)Aktionismus aus. Beaumont hatte es schon vor mehr als 20 Jahren verstanden, mit seinem ausschließlich in Form von E‑Mails geschriebenen Roman – da standen wohl Goethes „Leiden des jungen Werther“ ein bisschen Pate – uns vor Augen zu führen, wie technischer Fortschritt einerseits und dessen ungehinderter Einsatz andererseits uns als Menschen, als Gesellschaft beflügeln, gleichzeitig aber auch bremsen und in gewisser Weise abhängig machen kann. Wir alle können Legionen an Anekdoten aus unserem eigenen E‑Mail-Verhalten auflisten.
Unabhängig von Bedenken und Kritik, von zwischenzeitlichen Tiefs und angekündigtem Aussterben, erfreut sich das E‑Mail anhaltender, sogar noch immer wachsender Beliebtheit. „Die Bedeutung der E‑Mail nimmt für viele zu“, lautet einer der Key-Facts aus der 2024er-Ausgabe der Studie zur „E‑Mail-Nutzung in Österreich“ von United Internet Media (UIM). Demnach schreiben und lesen im Schnitt mehr als 9 von 10 User:innen (93,1 Prozent) täglich E‑Mails, die „dabei in jeder Altersklasse eine große Rolle“ spielen.
Das E‑Mail hat sich binnen vier Jahrzehnten vom akademischen Experiment zum Massenphänomen entwickelt. Es hat die Art und Weise, die Quantität unserer Kommunikation massiv verändert. Aber deren Qualität längst nicht verbessert.