© UIM

Rasmus Giese und Matthias Weinelt, beide UIM

Rasmus Giese, UIM: „Der Einsatz von Big Data wird immer smarter und effizienter.“

Rasmus Giese und Matthias Weinelt von UIM - United Internet Media fordern im Interview mit Internet World Austria neue Wege im Targeting und sehen in Data Clean Rooms ein wichtiges Zukunftstool der Digital-Werber.

Beitrag teilen:

Herr Giese, haben sich die negativen Tendenzen im Wirtschaftsjahr 2024 auch auf die Digitalwerbung niedergeschlagen?

Rasmus Giese: Die weltweite Wirtschaftslage beeinflusst auch das digitale Werbegeschäft in Österreich. Allerdings profitiert der Markt weiterhin davon, dass sich die Nutzung weiter in die digitalen Kanäle verschiebt. Das beeinflusst die Werbeumsätze nachhaltig positiv. Laut dem Marktforschungsinstitut Focus ist in Österreich der Online-Kanal im Jahr 2024 um 12 Prozent gewachsen. Das entspricht nahezu exakt der Steigerung aus Deutschland, wo der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Herbst ein Plus von 11,7 Prozent prognostiziert hat. Wenn wir den österreichischen Media-Mix der Kanäle mit anderen Ländern in Europa vergleichen, hat die Digital-Branche weiterhin viel Wachstumspotenzial. 

Wo orten sie die gravierendsten Veränderungen und warum?

Giese: Die größten Entwicklungen sehen wir im Bereich Daten. Der Einsatz von Big Data wird immer smarter und effizienter. Das geschieht zum einen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Große Mengen von Daten können auf diese Weise strukturiert genutzt werden – etwa für die Bildung von Zielgruppen. Zum anderen sehen wir neue Werbelösungen wie den Einsatz von Data Clean Rooms. Damit reagiert die Branche auf die neuen Anforderungen der technischen Gatekeeper, des Gesetzgebers und des veränderten User-Verhaltens. Denn die vermehrte Multi-Device-Nutzung erschwert beispielsweise das Targeting über gerätegebundene Third Party-Cookies. Hier sind neue Wege gefragt.

Herr Weinelt, das Dauerthema Cookies und User-Daten bestimmte auch im vergangenen Jahr die Branche – nervig oder notwendiges Feintuning?

Matthias Weinelt: Das Thema ist nach wie vor ein Dauerbrenner. Google hat zwar 2024 den Cookie-Bann für den Chrome-Browser ein weiteres Mal verschoben. Unsere jährliche DACH-Studie „Digital Dialog Insights“ belegt aber den negativen Einfluss auf die Online-Werbung: Der Anteil der Unternehmen mit negativen Folgen durch den Wegfall von Third Party Cookies hat sich von 50 Prozent im Jahr 2023 auf 60 Prozent im vergangenen Jahr erhöht. Es geht also um konkrete Werbeumsätze, die in Gefahr sind.

Wir biegen also gerade nicht in die Post-Cookie-Ära ein. Sind Cookies und die Dauerdebatten dazu vielleicht sogar überwunden?

Weinelt: Der Weg in eine Post-Cookie-Ära ist bereits durch Cookie-Blocking auf Safari und Firefox, Multi-Device-Nutzung und Ad Blocker weit vorangeschritten, er dauert aber noch an. Und für viele Marktteilnehmer ist das gut so, denn sie brauchen noch Zeit. Laut der „Digital Dialog Insights“ stagniert der Anteil der Unternehmen, die auf die Post-Cookie-Ära bereits gut vorbereitet sind. Der Anteil der Unternehmen, die in ausreichender Höhe in die Post-Cookie-Ära investieren, sinkt sogar. Unternehmen mit längerer Vorbereitungszeit sind klar im Vorteil, weil sie beispielsweise eigene First-Party-Daten nutzbar machen können. 

First Party- oder Third-Party-Daten – wohin geht die Reise, was setzt sich auf Dauer durch?

Weinelt: Third-Party-Daten bleiben wichtig. Allerdings haben First-Party-Daten einen ungleich höheren Wert. Es kommt aber auf die Qualität der Daten an, die können nicht alle Markt-Player bieten. Der Markt ist in Bewegung. Viele Unternehmen bauen derzeit ihre Bestände an First-Party-Daten massiv aus. Nun geht es darum, die Datensilos aufzubrechen und übergreifend nutzbar zu machen.

Data Clean Rooms scheinen sich dabei immer mehr durchzusetzen. Was bedeutet das für die Vermarktung?

Giese: Das Thema Data Clean Room kommt in die Gänge und macht große Fortschritte. Wir haben in Deutschland zwei Cases mit den Kunden umgesetzt – unter anderem mit Samsung. Die Advertiser haben ihre Daten in einem Clean Room zur Verfügung gestellt. Wir haben daraus mit unseren Informationen beispielsweise statistische Zwillinge erstellt, um potenzielle Neukunden zu identifizieren – mit sehr guten Ergebnissen. Das Setting mit Data Clean Rooms funktioniert. Jetzt müssen wir noch an der Skalierung arbeiten. Aber mit jedem Kunden, jedem Case und jeder Kampagne geht das schneller.

Wie steht es um alternative Identifier und neue Targeting-Möglichkeiten?

Giese: Die alternativen Identifier sind ein sehr wichtiger Baustein für das Zusammenspiel von Advertiser, Vermarkter, Adtech-Plattformen und Publisher. In verschiedenen Cases zeigen wir, dass sich nicht nur die Grenzen zwischen den Datensilos überwinden lassen. In beiden Fällen haben wir den Identifier von netID eingesetzt, um Kampagnen vermarkterübergreifend ausspielen zu können. Über GMX.at konnten Advertiser im Januar rund 2,54 Millionen Unique User erreichen, also bereits etwa ein Drittel aller Onliner. Aber wir wollen die Reichweite für Werbekunden weiter vergrößern. Dazu haben wir einen weiteren wichtigen Schritt im Programmatic Advertising gemacht: Wir bringen die EUID von The Trade Desk mit netID zusammen.

Alternative Identifier können also einander verstehen?

Giese: Nicht ohne Weiteres. Auch hier arbeiten wir mit einem Data Clean Room. Werbekunden oder Agenturen liefern First Party-Daten mit einer EUID, im Data Clean Room erfolgt dann das Onboarding auf netID. Der Prozess wird als Bridging bezeichnet und funktioniert folgendermaßen: Werden im Data Clean Room Übereinstimmungen festgestellt, werden die EUID-aktivierten First Party-Daten mit der neutralen netID erweitert. Auf den Supply-Side-Plattformen können netID Publisher-Partner dann den Identifier nutzen, um passende Werbeplätze anzubieten. 

Welche Tools und Kanäle gewinnen aus ihrer Sicht in der Digital-Kommunikation an Bedeutung?

Weinelt: Auf Wachstumskurs ist der digitale Handel. Dadurch werden Retail-bezogene Daten immer wichtiger. In diesem Bereich können wir mit GMX.at punkten. Unsere kommende „E‑Mail-Marktstudie AT“ zeigt: 9 von 10 User lesen oder schreiben täglich E‑Mails.  Im Posteingang kommen dabei sehr viele Transaktions-Mails an. Dazu gehören Newsletter, Bestellbestätigungen oder Versandbenachrichtigungen. Mit dem Intelligenten Postfach lassen sich daraus Zielgruppen formen, die Advertiser über TGP Intent buchen können. Damit lassen sich Nutzerinnen und Nutzer mit konkreter Kaufabsicht in einem bestimmten Segment ansprechen.

Apropos Neuerungen im Postfach: Sie haben Ende des vergangenen Jahres trustedDialog einen Refresh verpasst.

Weinelt: Den Qualitätsstandard im Dialog-Marketing gibt es nun seit 15 Jahren. Die Kennzeichnung sicherer E‑Mails mit Prüfsiegel und Markenlogo wirkt. Wir haben Ende 2024 die Darstellung optimiert. Das Siegel wird nun als Blue-Tick dargestellt, also als blauer Stern mit Verifizierung. Dieses Symbol erkennen gerade junge User besser und sorgt für Vertrauen. Auch die Darstellung der Versenderlogos in der GMX-App als runder Avatar ist moderner und prominenter. Newsletter-Versender in Österreich können von diesem wirksamen Marketing-Kanal noch mehr profitieren. 

Was erwartet sich UIM vom Digitalwerbejahr 2025?

Giese: Wir gehen trotz aller Herausforderungen durch die weltweite Wirtschaftslage von einem Wachstum der Online-Kanäle aus. Der digitale Handel sowie das Daten-Business, gerade in Kombination mit neuen Technologien und Werbelösungen, stützen das Plus. Die digitale Werbung entwickelt sich weiter. Über Kooperationen und Zusammenarbeit lassen sich die enormen Potenziale am besten heben. UIM steht als Partner mit seiner hohen Reichweite und Technologie-Expertise bereit.

Dieses Interview ist Teil einer Artikelserie rund um die „MOMENTUM Digitalspendingstudie 2024 & Prognose 2025”, die von der Agentur MOMENTUM WIEN in Kooperation mit dem iab austria erstellt wird. StudienteilnehmerInnen und Mitglieder des iab austria beziehen die Studie um 2.900 Euro (exkl. USt) per E‑Mail an  bei MOMENTUM Wien. Der reguläre Preis der „MOMENTUM Spendingstudie 2023 und Prognose 2024“ beträgt 3.900 Euro (exkl. USt).

Beitrag teilen: