Wie ordnen Sie als Expertin den Stellenwert von Influencer Marketing in Österreich im internationalen Vergleich ein?
Melanie Schomann: Influencer Marketing spielt in Österreich mittlerweile eine zentrale Rolle im Digitalmarketing. Dabei gibt es einige Besonderheiten: Hierzulande setzen wir stark auf lokale Influencer:innen, oft sind Micro-Influencer:innen mit spezialisierten Nischenthemen. Diese erzielen oft eine höhere Glaubwürdigkeit und stärkere Engagement-Raten als große bzw. breitere Accounts. Plattformseitig bleibt Instagram bei Influencer Marketing Aktivitäten die Nummer eins, gefolgt von TikTok und YouTube. Besonders YouTube Shorts bieten aus meiner Sicht noch viel ungenutztes Potenzial. Was in Österreich bislang kaum eine Rolle spielt, sind AI-Influencer:innen – digitale, KI-gesteuerte und nicht reale Persönlichkeiten. Während sie international, etwa in Brasilien, bereits etabliert sind, fehlt hierzulande noch die Akzeptanz und Relevanz.
Welche Entwicklungen und Trends fallen Ihnen als Expertin besonders auf?
Schomann: Ich sehe einen starken Bedarf an langfristigen und authentischen Kampagnen im Influencer Marketing. Marken sollten weniger auf kurzfristige Reichweiten-Boosts setzen und stattdessen nachhaltige Partnerschaften mit Influencer:innen aufbauen, die sich wirklich mit der Marke identifizieren. Zudem fällt mir auf, dass in Österreich oft auf dieselben Gesichter gesetzt wird, anstatt neue Stimmen in den Vordergrund zu rücken. Ich wünsche mir, dass DEI eine noch wichtigere Rolle einnimmt – sowohl in Bezug auf die Auswahl der Influencer:innen als auch auf die Inhalte. Genauer, bei barrierefreier Gestaltung aber auch bei Kernbotschaften, Storylines und im Community Management. Erfolgreiche Kampagnen setzen auf Creators, die ihren Communities echten Mehrwert bieten und ihnen kreativen Freiraum lassen, anstatt strikte Briefings vorzugeben. Weiteres steigt mit den Werbespendings auch der Wunsch nach Nachvollziehbarkeit und Erfolgsmessung. Conversion-getriebene Strategien erfordern andere Herangehensweisen und auch Inhalte, als Brand-Awareness-Kampagnen. Das muss bereits bei der Kampagnen Strategie bzw. Content Planung berücksichtigt werden.
Welches heimische Projekt betrachten Sie als Vorzeigeprojekt?
Schomann: Erfolgreiche Projekte sind kanalübergreifend gedacht und nutzen vielseitige Kooperationspartner:innen und Touchpoints. Ein spannendes Beispiel ist „Die Hauswerkerin“. Sie macht DIY und Heimwerk-Themen auf Social Media authentisch erlebbar und zeigt, dass Heimwerken für alle zugänglich und machbar ist – nahbar, praxisorientiert und inspirierend.
Welches internationale Projekt ist Ihnen in den vergangenen Monaten aufgefallen?
Schomann: Das „Barbie-Momentum” 2023 hat mich nachhaltig beeindruckt. Die Marke, die jahrelang als überholt galt, wurde durch eine Mischung aus Nostalgie, Popkultur und smarten Influencer-Kooperationen wiederbelebt. Besonders spannend war die massive Social-Media-Präsenz: Von viralen TikTok-Trends über kreative Co-Creations wie das Malibu DreamHouse auf Airbnb bis hin zu pinken Elektro-Zahnbürsten – Barbie war omnipräsent. Der Film zog vor allem auch erwachsene Freundesgruppen – und auch mich – seit langem Mal wieder ins Kino, oft komplett in Pink gestylt. Das zeigt, wie eine strategisch kluge Kampagne weit über den eigentlichen Produktlaunch hinaus eine kulturelle Bewegung anstoßen kann.
Welchen schnell umsetzbaren Tipp können Sie für Marketingverantwortliche in Unternehmen empfehlen?
Schomann: Stell dir zwei einfache Fragen: Spricht mich dieser Inhalt an? Was kommt bei mir an? Oft liegt der Fehler darin, dass Kampagnen zwar aus Marketingsicht perfekt wirken, aber auf Social Media nicht die gewünschte Wirkung entfalten. Wenn der Inhalt nicht packt, zum Scroll-Stop führt oder sich nativ in die Plattform einfügt, muss er angepasst werden. Mut zu Originalität, Offenheit für unkonventionelle Ideen und Vertrauen in die Expertise der Creator sind essenziell für nachhaltigen Erfolg.
Dieses Interview ist Teil einer Interviewserie mit Mitgliedern des MCÖ Digital Marketing Experts Pool in Kooperation mit der Internet World Austria Redaktion. Stephan Kreissler, Gründer der Digital Agenturen AdsThatWork und Digitalisten, ist Initiator und Leiter des Pools der Digital Marketing Expertinnen und Experten. Er wird unterstützt von Harald Rametsteiner, Lehrgangsleitung für den MBA General Management an der FH des BFI Wien.