Planänderung bei Google: Im Blog der Privacy Sandbox kündigte das Unternehmen an, in seinem Browser Chrome weiterhin Third-Party-Cookies einsetzen zu wollen. Ein unerwarteter Kurswechsel, nachdem der Ausstieg aus der Technologie zuerst im Jahr 2020 angekündigt und dann immer wieder verschoben wurde. Stattdessen sollen Nutzer*innen künftig in Chrome eine “informierte Entscheidung” treffen können.
Ankündigung über den Rückzieher vom Rückzug löst in der Digitalszene sehr unterschiedliche Reaktionen aus. Die einen ärgern sich über den Kurswechsel, nachdem jahrelang über das Ende der Third-Party-Cookies und dessen Konsequenzen diskutiert worden ist. Die anderen meinen, in gut österreichischer Manier, sie hätten es ja schon immer gewusst, nichts werde sich ändern.
Es bleibt alles, wie es ist
Womit die zweite Fraktion recht hat: Es ändert sich im Vergleich zu heute vorerst nichts. Nutzer*innen in Chrome und Android sind weiter mit Third-Party-Cookies erreichbar – sofern sie sich nicht dagegen entscheiden. Google hat nämlich angekündigt, dass Chrome-Nutzer*innen in Zukunft eine “informierte Entscheidung” treffen können. Ebenso wenig ändert sich aber, dass schon heute rund 40% der weltweiten Internet-User nicht mehr auf diesem Weg erreichbar sind. Safari, iOS und Firefox blockieren seit Jahren Cookies von Drittanbietern. Ein Ausstieg vom Marktführer Chrome hätte diese Technologie für Werbetreibende begraben. Das bleibt nun aus, aber die schon bestehenden Probleme werden damit nicht gelöst.
Suche nach Ersatz
Auch die verärgerte Reaktion der ersten Fraktion ist nachvollziehbar. Sie haben Zeit, Geld und Energie investiert, um sich auf das Ende der Drittanbieter-Cookies vorzubereiten. Heute verlassen sich nämlich weite Teile der Werbe- und Medienbranche auf diese simple, plattformübergreifende Methode. Cookies von Drittanbietern werden für Retargeting, den Aufbau interessensbasierter Zielgruppensegmente, Reichweitenmessung und Conversion-Tracking eingesetzt. Kurz gesagt: für fast alles, was datenbasierte Werbung ausmacht. Natürlich wollte niemand ohne Ersatz für diese Möglichkeiten dastehen. Gleichzeitig war klar, dass es nicht die eine Technologie gibt, die Third-Party-Cookies ersetzen und dabei datenschutzkonform sein kann.
Privacy Sandbox
Google hat unter dem Begriff “Privacy Sandbox” selbst intensiv an entsprechenden Technologien gearbeitet. Der Ansatz ist, gewisse Informationen über das Nutzerverhalten in Chrome selbst abzulegen und anonymisiert an andere Systeme weiterzugeben. Eine Lösung, die neue Fragen aufgeworfen hat – in der Werbebranche und bei Datenschutz- und Marktaufsichtsbehörden. Würde die Privacy Sandbox ähnlich gut funktionieren wie Third-Party-Cookies, und dabei besseren Datenschutz gewährleisten? Und wenn sie beides schafft, welchen Einfluss hätte das auf Googles Position im digitalen Werbemarkt?
Was man Google lassen muss: Das Unternehmen hat mit Behörden und Interessensvertretungen zusammengearbeitet, die Privacy Sandbox immer für Tests vorgelegt und das kritische Feedback ernst genommen. So ernst, dass man das Ende des Drittanbieter-Cookies immer wieder verschoben und jetzt sogar abgesagt hat. Dennoch will Google die Privacy Sandbox weiterentwickeln.
Der Weg war das Ziel
Bleibt also vom angekündigten Ende des Third-Party-Cookies nichts als der Ärger der Branche? Nicht ganz. Das Resultat mag einen bitteren Nachgeschmack haben, dennoch war der Weg dorthin lehrreich. Wir haben einerseits gesehen, dass es auch in der digitalen Welt nicht für jedes Problem eine einfache Lösung gibt, selbst wenn die ganz großen Kaliber daran feilen. Andererseits sind in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Strategien und Technologien entstanden, die es wohl ohne geblockte und vermeintlich abgeschaffte Cookies nicht gegeben hätte. Nicht die eine, dominierende Lösung, aber neue ID-Systeme, Server-Side-Tracking, kontextuelles Targeting oder die bessere Nutzung von First-Party-Daten.
Die Arbeit, die wir als Branche hier investiert haben, hat sich gelohnt. Wer sich aufs Cookie-Aus vorbereitet hat, verfügt heute über eine bessere Datenstrategie mit sauberem Consent-Management und den richtigen Tools zur Ausspielung, mit oder ohne Third-Party-Cookies. Vielleicht brauchen wir manchmal eine Bedrohung am Horizont, um weiterzukommen.
Im Rahmen einer Gastkommentar-Serie auf INTERNET WORLD Austria veröffentlichen wir die Meinungen von Führungskräften heimischer Publisher, Vermarkter, Agenturen und werbetreibender Unternehmen zur 180-Grad-Wendung bei der Third-Party-Cookie-Strategie von Google.