Wie ordnen Sie als Experte den Stellenwert von Audio-Marketing in Österreich im internationalen Vergleich ein?
Joachim Feher: Generell hat Audio-Marketing leider weltweit einen Nischenstatus. Wenn man bedenkt, dass rund 40 Prozent der Mediennutzung über Hören erfolgt, hinken die Spendings massiv hinterher. Lineares Radio erreicht 90 Prozent aller ÖsterreicherInnen und der Werbeanteil beträgt gerade mal 7 Prozent. Auch, wenn es für Digital Audio keine genauen Zahlen gibt, schätze ich den Anteil von Audio am Digitalwerbemarkt auf 1 Prozent. Der Aufholbedarf ist also enorm und zwar weltweit. An Touchpoints fehlt es nicht, denn über 80 Prozent der ÖsterreicherInnen nutzen Audio digital, da gehört Radio, Streaming, Podcast und auch Hörbücher dazu.
Welche Entwicklungen und Trends fallen Ihnen als Experte besonders auf?
Feher: Audio passt perfekt in unsere Zeit, in der wir immer mehr Tätigkeiten in unseren Tag integrieren müssen, denn es ist der einzige Medienkanal, bei dem Augen und Hände freibleiben. Man kann es daher immer und überall nebenbei nutzen und es hat die unterschiedlichsten Funktionen: Podcasts werden genutzt, um schlauer zu werden, Musik, um die Stimmung zu heben und Radio, um begleitet zu sein und alles Wissenswerte für den Tag zu erfahren. Smart Speaker sind die neuen Küchenradios – vorwiegend genutzt, um Audio zu hören mit der Zusatzfunktion, gerade benötigte Information abzufragen oder einfache Services zu nutzen, „wann muss ich los”, „stell den Timer auf 4 Minuten”. Leider sehen oder besser gesagt hören wir noch immer wenig Marketinganwendungen. Und dann gibt es noch das große Feld von KI, in dem sehr viel experimentiert wird. Dies wird definitiv zu mehr Vielfalt und mehr „Vollprogrammen” führen. Zwei Beispiele dazu: Mit KI ist es möglich kostengünstig hunderte Spotvarianten zu produzieren, die spezifischer auf Zielgruppen abgestimmt sind. Mit KI ist es erstmals wirtschaftlich sinnvoll für Radiosender rund um die Uhr Nachrichten, Wetter und Verkehr auszuspielen.
Welches heimische Audio-Projekt betrachten Sie als Vorzeigeprojekt?
Feher: Für mich sind es ganz viele, der Ende Juni diesen Jahres gestarteten Radiosender, die über DAB+, aber natürlich auch Online ausgespielt werden. Die HörerInnen merken es nicht, aber in den Programmen steckt ganz viel neue Technologie. KI, die in der Musikklassifizierung und ‑Auswahl unterstützt, Cloud-Systeme, die ortsunabhängige Zusammenarbeit, verbessern, Speech to Text und Text to Speech KI Systeme, die medienübergreifende Content-Erstellung super schnell und einfach machen, Synthetische Stimmen für Serviceelemente und noch vieles mehr. Dies erlaubt, dass wir in Österreich nun 80er und 90er Sender haben, ein Metal-Radio, ein Info-Radio und und und, zusammengefasst: deutlich mehr Vielfalt. Übrigens: niemand denkt daran, ModeratorInnen zu ersetzen, in dem Bereich ist die Menschlichkeit unersetzbar, aber KI ist in allen Bereichen des Sendeablaufs unterstützend.
Welches internationale Projekt ist Ihnen in den vergangenen Monaten aufgefallen?
Feher: Die Fortschritte, die bei synthetischen Stimmen gemacht werden sind enorm. Die Qualität steigt explosionsartig. War es zu Beginn des Sommers noch so, dass den Stimmen die Emotion gefehlt hat, so ist dies mittlerweile schon viel besser und Stimmen können in unterschiedlichen Gefühlslagen sprechen. Führend war lange Zeit ElevenLabs, doch zahlreiche weitere Companies holen rasant auf. Daraus entstehen auch vollkommen neue Möglichkeiten für die Spotproduktion. Aus dem deutschsprachigen Raum ist der RadioAdmaker zu nennen, eine Plattform, mit der man innerhalb von Minuten einen Spot kreieren, produzieren und auch gleich buchen kann. Wir bei RMS kooperieren mit Audiostack und ehrlicherweise für die Produktion eines Abverkaufsspots ist die Qualität schon überraschend gut.
Welchen schnell umsetzbaren Tipp können Sie für Marketingverantwortliche in Unternehmen empfehlen?
Feher: Mal kurz über folgendes nachdenken: Ist meine Marke mit allen ansprechbaren Sinnen erlebbar? Wie kann ich meine Nachhaltigkeit verbessern? Wissenschaftlich ist hundertfach bewiesen, dass Audio die kraftvollste Emotionsmaschine ist. Bilder in den Köpfen der KonsumentInnen lassen sich in Audio mit einem Bruchteil des Aufwands versus Video erzeugen und dazu kommt auch noch, dass Audio den geringsten CO2-Ausstoß aller Mediengattungen hat.
Dieses Interview ist Teil einer Interviewserie mit Mitgliedern des MCÖ Digital Marketing Experts Pool in Kooperation mit der Internet World Austria Redaktion. Stephan Kreissler, Gründer der Digital Agenturen AdsThatWork und Digitalisten, ist Initiator und Leiter des Pools der Digital Marketing Expertinnen und Experten. Er wird unterstützt von Harald Rametsteiner, Leiter des berufsbegleitenden Diplomlehrgangs Marketing Management der Werbe Akademie.