© Elisabeth Kessler/MOMENTUM Wien

Julia Cencig, TV-Schauspielerin ("SOKO Kitzbühel")

MARKETING X: „Innere Vorlieben – welche unterbewussten Bias uns steuern und Sexismus in der Werbung – von Kampf zu Kooperation“

Über Rollenbilder, Sexismus und die Kraft mutiger Marken sowie deren Wechselwirkung sprach TV-Schauspielerin Julia Cencig ("SOKO Kitzbühel") in ihrer pointierten Keynote.

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Dem „Female Empowerment, Werbung & Bias im 21. Jahrhundert” – so der Titel ihrer Kaynote – widmete sich Schauspielerin Julia Cencig in ihrer Keynote auf der MARKETING X 2025 in Wien. Bios steht im Englischen für Vorurteile und diese prägen uns seit der frühesten Zeit der Menschheit in unserem Stammhirn. Rollenbilder, Sexismus und die Kraft mutiger Marken sowie deren wechselseitiger Wirkung stellte die SOKO-Kitzbühel-Darstellerin in ihrem Vortrag in den Mittelpunkt und merkte an: „Ich bin keine Expertin im Marketing, aber ich bin ein Mensch.” Sie empfiehlt den Frauen, in Zukunft weniger zu lächeln, und den Männern, „mehr Werbung für wütende Frauen zu machen”.

Elf Millionen Informationen pro Minute prasseln auf uns ein, doch unser Gehirn schafft es nur, in einer Minute rund 40 Informationen zu verarbeiten. Wobei letztere vorwiegend auf den Bios basieren. Wenn wir einen Menschen sehen, dann nehmen wir in erster Linie Merkmale wie Geschlecht, Rasse, Haarfarbe usw. wahr, aber nicht, welche interen Konflikte, Vorlieben, prägend Entscheidungen usw. die Menschen und ihr Handeln treiben. Daher sei es wichtig, Botschaften kurz und prägnant zu halten. Darin liege aber aber auch einer der Gründe, warum Werbung und Markteing vielfach auf Klischess und verkürzte Darstellungen setzen und setzten, so Cencig.

„Bios wird zur Ausgrenzung und mindert das Wohlbefinden sowie den Selbstwert”, meinte Cencig, daher sei es wichtig, das Gehirn so zu trainieren, dass wir vom Bios weg‑, von den emotionalen zu rationaleren Urteilen über Menschen kommen. „90 Prozent der Weltbevölkerung hegen Vorurteile gegen Frauen”, betonte Cencig und zeigte als Testimonial Frau Renate aus einer Werbung von Dr. Oetker aus dem Jahr 1965. Demnach hatte eine Frau zwei Fragen zu stellen: „Was soll ich kochen – und was soll ich anziehen?”

Insgesamt existieren unterschiedlichste Bios, die unsere Geschlechter-Bilder prägen. Der Leistungs-Bios wirkt sich laut Cencig wahnsinnig negativ auf die Karriere von Frauen aus. Zum Beispiel wird in gemischten Teams Frauen am Scheitern eines Projekts automatisch mehr Schuld zugewiesen, bei einem Erfolg hingegen Männern mehr Anteil an diesem zugesprochen. Frauen bewerben sich, wenn sie 100 Prozent der Kriterien erfüllen, erklärte Cencig, Männer bei 60 Prozent.

Laut dem, Affinitäts-Bios würden sich Frauen immer stärker mit jenem von dem umgeben, das auch für den von ihnen bevorzugten Männer-Typos gilt. Zum Beispiel mit einem schwarzen Hund, wenn sie auf Männer mit dunklen Haaren reflektieren.

Der Sympathie-Bios wiederum basiert auf uralten Erwartungen. Demnach gelten beispielsweise Frauen grundsätzlich als sympathischer als Männer, Frauen lächeln aber auch im Schnitt 62 Mal am Tag – nicht immer freiwillig, Männer hingegen nur acht Mal. Wenn eine Frau kompetent ist, wirkt sie laut diesem Bios automatisch unsysmpathisch, wenn sie sozial agiert, wirkt sie hingegen sympathisch, führte Cencig aus. Das Modell Mensch sei deshalb so erfolgreich, weil es auf Kooperationen basiere und das wiederum zum Ausschütten von Glückshormonen führe.

Das Werbemotto „SEX SELLS” der 1960er- und 1970er-Jahre bezeichnet Cencig als den „Trampelpfad der Emotionen”. Aber auch lange nach der Jahrtausendwende habe die Werbung noch immer mit sexualisierten Stereotypen gearbeitet. Eine aktuelle US-Kampagne für ein Jeans-Label würde sogar auf Rassismus setzen. Cencig: „Wäre schon geil, wenn die Werbung einfach bessere Geschichten erzählen würde.” Und sie empfiehlt die Insta-Seite „Seitenblicke verkehrt”, die mit spiegelverkehrten Fakten und Bildern zu den Geschlechtern spielt.

In der Urzeit waren 30 bis 50 Prozent aller Jäger:innen Frauen, betont Cencig und führt den Wissenschafts-Bios an. Rollenbilder entstanden später auch, weil 75 Prozent der Professuren an Hochschulen von Männern besetzt sind oder auch 75 Proeznt der Chefpositionen von überregionalen Zeitungs und Nachrichtenorganisationen von Männern eingenommen werden. Vor einigen Jahrzehnten lagen diese Werte sogar noch höher.

Auch das Self Confidence Gap beschrieb Cencig: „Mädchen und Kinder werden auch heute noch immer für ihr Aussehen gelobt, Buben für ihre Leistungen.” Von 220 an höheren Schulen in Österreich zur Lektüre vorgeschlagenen Büchern wurden 208 von Männer geschrieben, 12 von Frauen. Aber auch in Kinderbüchern und Filmen sind 72Prozent der Personen, 87 Prozent der Tiere und 88 Prozent der Pflanzen männlich. Laut einer Umfrage glauben zudem 50 Prozent der Männer, dass sie ein Flugzeug notlanden könnten, hingegen nur zwei Prozent der Frauen.

Der Gender Pay Gap wiederum liegt bei 18 Prozent zu Ungunsten der Frauen, aber der Gender Pension Gap wächst sogar auf 30 bis 50 Prozent an.

Auch den Care Gap untermauerte Cencig mit überraschenden Fakten. Wenn Frauen glauben, ihr Partner helfe ihnen bei der Hausarbeit, dann hilft er dort, wo es geht, Verantwortung zu übernehmen – beispielsweise beim Spazierengehen mit dem Kind oder dem Hund. Tatsächlich liegt das Care Arbeits-Gap bei 110 Prozent, zeigte die Schauspielerin in ihrer Keynote auf. Bei einem heterosexuellen Paar im Alter von 34 Jahren entfallen bei der Arbeit im Haus 5 Stunden und 18 Minuten auf die Frau, hingegen nur 2 Stunden und 31 Minuten auf den Mann.

„Werbung und Marketing sind die Kirche unserer Zeit”, meinte Cencic abschließend, „sie begleiten uns vom Aufstehen bis zum Schlafengehen und geben uns vor, wie wir uns verhalten, kleiden usw. sollen.” Das Resümee von Cencig mit einem Zitat zu Feminism for men – und zugleich auch eine Aufforderung: „Feminism will make it possible for men, for the first time, to be free.”

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