Dieses Buch kann Ihre Gesundheit gefährden! Dieser Warnhinweis sollte auf so manchem Ratgeber prangen, der im Eigenverlag auf Amazon publiziert wird. Passiert natürlich so nicht. Doch Fake-Ratgeber rund um Gesundheit und Ernährung sind nur eine Variante der sogenannten Schrottbücher, die über Online-Plattformen per Download vertrieben werden. Ratgeber von falschen Autor:innen und mit fragwürdigen Inhalten werden zu vielen Themen publiziert. Das Spektrum der Pseudo-Bücher reicht von Garten-Weisheiten über Finanz- und Anlage-Ratgeber bis hin zu Erziehungs-Leitfäden, Beziehungs-Tipps und Lebenshilfen aller Art.
Das Phänomen der Schrottbücher ist nicht ganz neu und im deutschsprachigen Raum spätestens seit dem Ende der 2010er-Jahre bekannt und virulent. Jetzt wird das dubiose Geschäftsmodell durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz erneut befeuert, das Themenspektrum vor allem auf Kinderbücher und Reiseführer ausgeweitet. Gegen diese neue Version der Schrottbücher wirken jene der ersten Generation beinahe amateurhaft und scheinen als Geschäftsmodell längst überholt. Auch wenn es der eine oder andere Titel sogar in die renommierte „Spiegel“-Bestsellerliste geschafft haben soll.
Das Geschäft läuft meist über Text-Agenturen und selbsternannte Literaturagent:innen. Neben erfunden Biografien und falschen akademischen Expert:innen sorgen klingende Titel für Aufmerksamkeit und Absatz. Doch in den Anfängen der Schrottbücher basierten die Inhalte oft nur auf Google-Recherchen, Wikipedia-Texten und aus anderen Quellen zusammengestoppelten Passagen, die vielfach auch noch von Rechtschreib- und Grammatikfehlern durchzogen waren. Das Modell war und ist nicht ganz unähnlich jenem der sogenannten Groschenromane.
Wikipedia als sprudelnde Quelle ist allerdings out. Die echten oder falschen Autor:innen hinter den Schrottbüchern lassen ihre Texte nun von einer Künstlichen Intelligenz erstellen. Kinderbücher und Reiseführer haben sich dafür als besonders lukratives Genre herausgestellt. Dass die KI dabei allerdings gar nicht so selten zum Halluzinieren und exzessiven Wiederholen neigt, wird geflissentlich übersehen und übergangen. Fehler zu Zeit- und Ortsangaben in den vermeintlichen Insider-Tipps von Reiseführern sind nicht nur ärgerlich, sondern Alltag. Außerdem lassen sich Namen und Orte beliebig oft austauschen. Kopieren per KI-Prompt. Ein und dasselbe Abenteuer wird zum schier unendlichen Wiederholungsfall. Und manchmal sogar unter verschiedenen Autor:innen-Namen aufgelegt. Speziell bei Kinderbüchern gilt diese Praxis als bewährtes und höchst lukratives Erfolgsmodell.
Da nach dem Verfassen der Texte nachgelagerte Services wie Lektorat, Korrektur und ein fundiertes verlegerisches Knowhow entfallen, werden die Fake-Werke quasi von der ersten Minute an als Mängelexemplar publiziert. Viele dieser Bücher heimsen sogar noch Top-Bewertungen und erstklassige Rezensionen von Leser:innen ein. Alles Fake, erfunden und erlogen. Und niemandem fällt die Kopierpraxis auf. Höchstens dann, wenn man als Tourist in einem fremden Land vor verschlossenen Türen oder dem als familienfreundlich gepriesenen Nachtlokal steht.
Amazon verbietet die beliebig eingesetzte Multiplikationspraxis zwar und gibt auch diverse andere Richtlinien für im Eigenverlag und on-demand publizierte Bücher vor, entfernt auffällige Werke sogar aus dem Angebot. Doch oft bleiben diese unentdeckt. Selbst wenn Amazon Autoren und Verlage aus seinem Angebot verbannt, Ersatz unter neuen Namen und Bezeichnungen ist mit wenigen Klicks hergestellt.
Schrottbücher, der Ausdruck wurde vom Schriftsteller und Literatur-Blogger Jan Höpker erstmals verwendet, schaden den etablierten Verlagshäusern, dem traditionellen Buchhandel und auch allen seriösen Self-Publishern auf Amazon und anderen Plattformen. Letztendlich ziehen sich den Leser:innen das Geld aus der Tasche und führen zu unnötigem Ärger. Denn Schrottbücher zu erkennen, ist für Konsument:innen zumindest auf den ersten Blick oft schwierig.