Herr Lampert, Sie wurden bei den Marketing Leader of the year Awards für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Wie war ihre erste Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie mit dieser Auszeichnung bedacht werden?
Werner Lampert: Erstaunen!!! Ich habe ja kein Zuckerwasser und keine KI erfunden. Meine Leidenschaft gehört mein Leben lang schon der Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Dass die Jury meine Arbeit in dieser Form würdigt, berührt mich aber sehr – und ich empfinde es als Anerkennung für all die Menschen, die diesen Weg mit mir gegangen sind: die Bäuerinnen und Bauern, die Verarbeiter, die Partner im Handel, mein Team und die Konsumentinnen und Konsumenten, die Bio zu dem gemacht haben, was es heute ist. In diesem Sinn nehme ich die Auszeichnung mit Dankbarkeit an – nicht so sehr für mich, sondern als Bestätigung für eine Idee, die größer ist als eine einzelne Person.
Wer den Bio-Markt revolutioniert, muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Wie gelang und gelingt es Ihnen, Konzerne wie Hofer von ihren Ideen zu überzeugen?
Lampert: Meine Vision war es nicht nur, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln, sondern Bio überall dort verfügbar zu machen, wo Menschen ihren täglichen Bedarf decken. Diese Vision verfolgte ich mit Hartnäckigkeit und zweifelte auch nie an ihrem Erfolg. Der Schlüssel war dabei immer die hohe Qualität. Die Handelspartner gaben mir dann die Chance mein Konzept umzusetzen, und die Konsumentinnen und Konsumenten reagierten positiv darauf.
Mit „Zurück zum Ursprung“ haben Sie Maßstäbe bei der Rückverfolgbarkeit gesetzt. Warum war Ihnen diese Form der Transparenz so wichtig – lange bevor es gesetzlich gefordert wurde?
Lampert: Bäuerinnen und Bauern verschwinden durch die Globalisierung in der Versenkung, Lebensmittel werden zu einem anonymen Produkt, völlig austauschbar, der Bezug zur Landwirtschaft geht völlig verloren und damit das Bewusstsein zu ihrem Wert. Konsumentinnen und Konsumenten müssen wieder wissen, von wem und woher die Produkte kommen und wie sie produziert werden.
Ihr aktuelles Projekt „Landwirtschaft der Zukunft“ geht weit über Bio hinaus. Was sind die größten Hebel, um die Landwirtschaft klimafit und zugleich wirtschaftlich tragfähig zu machen?
Lampert: Wir dürfen uns nichts vormachen: Zertifikate kaufen und sich damit freikaufen, das bringt der Landwirtschaft und dem Klima gar nichts. Echter Klimaschutz passiert direkt am Hof – dort, wo die Emissionen entstehen. Genau da setzen wir an. Ein stets unterschätzter Bereich ist der Boden. Wenn wir Humus aufbauen, binden wir CO₂, erhöhen die Fruchtbarkeit und sichern langfristig die Erträge. Der Boden ist unser größter Schatz, unsere Grundlage – aber er wird heute noch immer oft wie Dreck behandelt. Dann das Tier: Kühe, Schafe, Ziegen gehören auf die Weide. Bei „Zurück zum Ursprung“ sind sie im Schnitt 180 Tage draußen – das stärkt das Tierwohl, und senkt Emissionen. Aber es verlangt, dass man füttert, was die Region hergibt – und nicht Soja aus Übersee. Auch die Energiefrage ist entscheidend. Betriebe müssen ihren Verbrauch senken, auf Ökostrom setzen, Maschinen effizient nutzen. Weniger fossile Abhängigkeit heißt mehr Unabhängigkeit für die Bäuerinnen und Bauern. Und schließlich: Wald und Grünland sind massive Kohlenstoffspeicher, sie müssen nachhaltig bewirtschaftet und erhalten werden. Dieses Projekt macht Landwirtschaft klimafit – und sie sichert gleichzeitig das wirtschaftliche Überleben der Bäuerinnen und Bauern.
Wie viel Idealismus, wie viel Vision und wie viel gesunde „Verrücktheit” steckt in der Gründung von Marken wie „Ja! Natürlich“ oder „Zurück zum Ursprung“?
Lampert: Meine Visionen waren gerade so mutig und verrückt, um Neues zu schaffen. Bei „Zurück zum Ursprung“ bin ich unternehmerisch auf volles Risiko gegangen. Scheitern war dabei keine Option. Mein Tun und mein Weg sind für mich mehr als Beruf, sie sind eine Berufung.
Österreich gilt heute als Bio-Vorreiter in Europa. Welchen Anteil schreiben Sie sich selbst daran zu?
Lampert: Den größten Anteil haben die Bäuerinnen und Bauern. Sie leisten die eigentliche Arbeit, Tag für Tag, unter oft schwierigen Bedingungen. Ich habe nur dafür gesorgt, dass ihre Produkte nicht in einer Nische bleiben, sondern in den Alltag der Menschen kommen. Dass Bio dort angekommen ist, wo die Leute einkaufen – im Supermarkt. Das war mein Beitrag.
Nach über 50 Jahren in der Bio-Branche: Was treibt Sie heute noch an – und was wünschen Sie sich für die nächste Generation von Lebensmittelproduzenten und Konsument:innen?
Lampert: Mein großer Wunsch ist, dass sich die Bäuerinnen und Bauern zusammentun und gemeinsam eine Landwirtschaft der Zukunft gestalten. Dass sie eine Dynamik in Gang setzen, die unsere Lebensmittelproduktion durchgängig nachhaltig macht. Die Bäuerinnen und Bauern sollen wieder das Selbstbewusstsein haben, dass sie die Schöpfer sind – und sich bewusst sein, welche enorme Verantwortung sie für unseren Planeten tragen. Konsumentinnen und Konsumenten sollen gleichzeitig wissen, dass sie jedes Mal, wenn sie essen, entscheiden, welche Landwirtschaft sie fördern. Ein kleiner Teil in dieser Bewegung zu sein, ein Puzzlestein in diesem Ganzen – das ist es, was mich bis heute antreibt.
Sie wurden von Marketing Club Österreich und Internet World Austria für ihr Marketing-Lebenswerk und für die „Erfindung“ von Marken, die wohl jedem erwachsenen Österreicher seit vielen Jahren ein Begriff sind, ausgezeichnet: Gab es im Marketing-Leben von Werner Lampert auch Misserfolge? Gab es Dinge, die sie anders eingeschätzt haben, als sie dann gekommen sind?
Lampert: Ich war überzeugt, dass bis zur Jahrtausendwende 60 oder 70 Prozent der österreichischen Landwirtschaft biologisch wirtschaften würden. Dieses Ziel haben wir nicht erreicht. Dennoch ist Österreich weltweit Spitzenreiter. Das Projekt „Landwirtschaft der Zukunft“ könnte eine neue Dynamik anstoßen und zur Speerspitze für den Wandel hin zu einer neuen Form der Bewirtschaftung sein. Gemeinsam statt einsam, wissenschaftlich fundiert, aber praxistauglich und leistbar. Eine Gratwanderung, die bisher niemand geschafft hat. Dieses Mal wird sie gelingen.