Die größte Suchmaschine und eine der profitabelsten Werbeplattformen der Welt verändern sich gerade grundlegend. Der Grund dafür: Google hat den AI Mode bzw. den KI-Modus in über 40 europäischen Ländern ausgerollt, darunter auch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die Konsequenzen sind noch nicht vollständig absehbar. Klar ist aber, dass sich digitales Marketing dadurch verändern wird.
Was ist Google AI Mode und was ist der Unterschied zu AI Overviews? Schon seit März 2025 gibt es AI Overviews, bzw. “Übersicht mit KI” in der deutschsprachigen Google-Suche. Die Idee dahinter: Das KI-Modell Gemini formuliert eine Antwort auf die in der Suche gestellte Frage – allerdings nicht bei jeder Suche. Das System entscheidet bei jeder Anfrage, ob eine KI-Übersicht schneller zur Antwort führt oder nicht. Darunter werden weiterhin Links gemäß Ranking aufgelistet. Es bleibt also bei der klassischen Google-Suche, wenn auch mit weniger Notwendigkeit für Klicks.
Der AI Mode ist dagegen eine neue Version der Google-Suche. Du kannst mit einem Klick auf den Button “KI-Modus” im Suchfenster dorthin wechseln. Dort kannst du detaillierte Fragen stellen und erhältst eine ausführliche Antwort, in der Informationen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt werden. Die KI, Gemini 2.5 Pro, führt selbstständig dutzende Suchen durch, bewertet sie und bereitet sie auf – Google nennet das “Query Fan-Out”. Wie bei ChatGPT oder Perplexity gewohnt, beginnt mit der ersten Frage eine Konversation – du kannst also nachfragen und das Resultat weiter verfeinern. Es gibt nach wie vor weiterführende Links in einer Spalte auf der rechten Seite, aber keine seitenlange Linkliste wie bei der klassischen Google-Suche.
Was sind die Stärken von Google AI Mode?
Ausführliche Antworten: Der AI Mode liefert detaillierte Antworten auf komplexe Fragen, die zuvor mehrere Suchvorgänge erfordert hätten. Er recherchiert ein Thema schon nach dem ersten Prompt recht umfassend.
Multimodale Suche: Du kannst nicht nur Text eingeben, sondern auch Fotos hochladen oder deine Kamera verwenden, um Fragen zu stellen und mit der KI zu interagieren. Funktionen wie “Circle to Search” werden jetzt schon stark genutzt.
Suche als Dialog: Du musst nicht überlegen, welche Suchbegriffe zu den besten Quellen führen, die dein Problem lösen könnten. Du formulierst einfach dein Problem und kannst direkt Folgefragen stellen, um die Ergebnisse weiter einzugrenzen.
Der Google-Index: Es ist wohl keine KI-Suche so tief mit der größten Wissensdatenbank der Welt, dem Google-Index, verknüpft wie der Google AI Mode. Andere Tools greifen ebenfalls darauf zu, wissen aber nicht, wie der Such-Algorithmus im Innersten funktioniert.
Userbasis: Mit einem Search-Marktanteil von gut 90% weltweit profitiert Google davon, dass der AI Mode auf Milliarden von Browser-Startseiten erscheint. Auch Menschen mit wenig Interesse an KI werden das Feature ausprobieren.
Warum hat Google den AI Mode eingeführt?
Die Suchmaschine und Google Ads sind das, was Google groß gemacht hat. Dieses Thema anzufassen ist eine mutige, aber letztlich konsequente Entscheidung. Zwei Risiken stehen einander gegenüber: Der Verlust von Einnahmen im Kerngeschäft, Cost-per-Click-Ads, versus ein möglicher Verlust an Relevanz der Suche für die User. Die Entscheidung für den KI-Modus zeigt: User-Experience geht vor. Google lässt sich seine Stellung als wichtigster Einstiegspunkt für das Web nicht streitig machen und ist dafür auch bereit, das aktuelle Business-Modell anzufassen.
Was bedeutet das für Brands und fürs Marketing?
- Klicks und Traffic: Einige Studien sahen schon durch die AI-Overviews den Traffic ins offene Web zurückgehen. Google argumentiert mit einem steigenden Suchvolumen und einer höheren Qualität der Klicks. Klar ist, dass man sich mit einer AI-Recherche spart, selbst Websites zu durchforsten. Praktisch für den User, weniger gut für Websites, die von Traffic abhängig sind, zum Beispiel weil sie sich durch Werbung finanzieren. Wie auch immer sich die Wertigkeit von Traffic verschieben wird – gleich bleiben wird sie nicht.
- Sichtbarkeit statt Ranking: Bei wichtigen Suchbegriffen ganz oben in der Google-Suche zu erscheinen, war bisher das Ziel der meisten SEO-Strategien. Im AI Mode gibt es statt Keywords komplexe Prompts und statt einer langen Linkliste Erwähnungen von Brands oder Produkten und eine kurze Seitenleiste mit Referenzen. Damit wird die Sichtbarkeit der eigenen Marke in Antworten wichtiger als jedes Ranking. Diese Sichtbarkeit zu messen ist eine Herausforderung, auch wenn Google immerhin schon Link-Impressions und ‑Klicks in der Search Console darstellt.
- Produkte werden wichtiger: Bei der Präsentation des AI Mode hat Google auch umfassende Shopping-Features vorgestellt, vom Produktvergleich über die virtuelle Anprobe bis hin zum (zukünftigen) Direktkauf auf der Plattform über einen AI Agent. Der Schluss liegt nahe, dass Produktwerbung bei Google künftig einen noch höheren Stellenwert haben wird – vielleicht sogar höher als Paid Search. Eine Herausforderung für alle, die Dienstleistungen oder B2B-Produkte verkaufen. 4.
- Ads im AI Mode: In den USA zeigt Google bereits Text- und Produktanzeigen im AI Mode. Wir können davon ausgehen, dass Google sein gesamtes Google-Ads-Inventar schrittweise auf den KI-Modus ausrollen wird. Wie wir Google kennen, wird das Unternehmen viel testen, um herauszufinden, welche Anzeigenarten und ‑darstellungen am besten angenommen werden. Auf der anderen Seite gibt es schon heute Kampagnenformate wie Performance Max und AI Max, die Platzierung und Bidding mit KI optimieren. Diese werden Platzierungen im AI Mode vermutlich ohnehin miteinbeziehen und gegen herkömmliche Formate antreten lassen.
Marketingstrategien für den Google AI Mode
- Brand is back: Nachdem viele Unternehmen in den vergangenen Jahren stark auf Performancemarketing gesetzt haben, hat jetzt Markenpflege wieder oberste Priorität. KI-Antwortmaschinen verlassen sich mehr auf Brand Authority als auf Page Authority. Wenn das Web über deine Marke spricht, sieht der AI Mode sie als relevant an. Je klarer sie für spezifische Werte steht, desto eher wird sie im richtigen Kontext erwähnt.
- Products matter: Performance gehört nach wie vor dazu, und da werden Produktvergleiche via KI und die möglichst kurze Reise von der Entdeckung bis zum Kauf eine große Rolle spielen. Funktionieren kann das nur mit einem Produktfeed, der aktuell gepflegt und reich an relevanten Daten ist. Immer weniger Interessierte werden sich die Details im Shop der Marke ansehen – umso wichtiger ist die Anbindung ans Google Merchant Center.
- Websites verschlanken: Jetzt ist der richtige Moment, die Funktion der eigenen Websites zu überdenken. Landing Pages mit suchmaschinenoptimiertem Text vollzustopfen wird sich nicht mehr lohnen. Information holen sich User*innen von der KI-Antwortmaschine – auf der Website wollen sie rasch Dinge erledigen. Strukturierte Daten, technisches SEO und perfekte Crawlability sind Grundvoraussetzungen für Relevanz im KI-Modus von Google und darüber hinaus.
- Cross-Channel Content: KI-Crawler können heute nicht nur Texte, sondern auch Podcasts und Videos verstehen. Deswegen wird es wichtiger denn je, die eigene Marke in allen möglichen Formaten und auf allen möglichen Kanälen zu platzieren. User Generated Content, Creators und den klassischen Medien kommt dabei eine wichtige Rolle zu, weil sie oft als relevanter gewertet werden als markeneigene Kanäle.
- Metriken neu bewerten: Heute ist auch ein guter Zeitpunkt, um deine KPIs und Dashboards zu überarbeiten. Messgrößen wie Traffic haben in Zukunft vermutlich weniger Einfluss auf deine Geschäftsziele als zum Beispiel Conversion Rate oder Brand Visibility. Setz dich mit internen und externen Expert*innen zusammen und bewerte, welche Messgrößen wirklich relevant sind.
Fazit
Die Einführung des Google AI Mode in Europa ist eine Zäsur, die Konsequenzen für die gesamte digitale Marketinglandschaft haben wird. Die Veränderung wird eher schleichend als schlagartig kommen und von Google so umfassend begleitet werden, dass man sich ihr ohnehin nicht entziehen kann. Dennoch sollten wir uns nicht entspannt zurücklehnen. Es ist absehbar, dass erlernte Praktiken wie Suchmaschinenoptimierung oder Paid Search zumindest nicht mehr gleich gut funktionieren werden wie heute. Gleichzeitig gilt es, sich gut aufzustellen für die neue Welt der KI-Antwortmaschinen, damit die eigene Brand dort nicht verschwindet. Vor allem aber ist dies ein guter Zeitpunkt, um die eigenen Marketingziele zu hinterfragen und, beraten durch Expert*innen, neue strategische Leitlinien zu setzen.
Markus Widmer ist Marketing Director von e‑dialog.