Frau Oswald, Sie werden oft als „Miss Storytelling“ bezeichnet. Wie kam es dazu?
Sabrina Oswald: Das hat sehr früh begonnen. Ich war in großen Agenturnetzwerken wie TBWA und habe gesehen, wie man mit emotionalen Stories Welten erschafft. In Österreich hat damals niemand offen darüber gesprochen. Viele haben es intuitiv gemacht, aber ich war eine der Ersten, die gesagt hat: Lasst uns das in die Auslage stellen. Storytelling erklärt, warum wir Dinge gut finden oder nicht.
Was macht eine gute Markenstory aus?
Oswald: Man muss die Markenpersönlichkeit klar verorten. Aus den Werten entsteht der Archetyp, also wie sich die Marke verhält. Daraus ergibt sich der narrative Kern. Und dann kommt der Konflikt. Keine Marke ist ohne Ecken und Kanten. Nur lieb zu sein, ist zu wenig. Über Kanten mache ich ein Statement. Es geht im Marketing darum, Entscheidungen zu erzeugen, hinter denen man steht.
Warum sind Konflikte in Marken so wichtig?
Oswald: Konflikte erzeugen Relevanz. Nur wenn Marken Kanten zeigen, bleiben sie im Kopf. Wenn ich nur flauschig kommuniziere, sagt man nach drei Spots: „Gott, ist das fad.“ Aber wenn etwas berührt oder polarisiert, bleibt man dran. Es geht nicht darum, laut zu sein, sondern Haltung zu zeigen. Ecken und Kanten führen dazu, dass KonsumentInnen sagen: „Dafür stehe ich, oder dagegen.“ Diese Entscheidung ist essenziell.
Auf der DMEXCO 2025 war KI eines der zentralen Themen, wie verändert KI Ihrer Meinung nach das Storytelling?
Oswald: Ich bin kein KI-Phobiker. Das ist eine neue Ära, die viel bringen wird. KI hilft, Inhalte schneller zu analysieren und Strategien zu erkennen. Früher hätten wir Wochen gebraucht – heute kann ich mit Custom-GPTs in Minuten den Kern herausarbeiten. Aber: Wenn KI nur optimiert, dann optimiert sie. Punkt. KI ersetzt keine Strategie und keine Emotion. Genau dort müssen wir wachsam bleiben.
Wo liegen die größten Stolpersteine auf Social Media?
Oswald: Der größte Fehler ist, Inhalte zu schnell und zu oberflächlich rauszuposten. Wir brauchen narrative Intelligenz – nicht nur „Storytelling“ als Buzzword. Es geht darum, Strukturen aufzubauen, Sinn zu stiften und Orientierung zu geben. Ziel ist nicht, 17 Postings am Tag zu machen, sondern Zielgruppen zu binden. Sonst verlieren wir ganze Generationen.
Was bedeutet Positionierung heute?
Oswald: Die Basis ist immer der Werteraster. Daraus weiß ich, welche strategischen Schnitte ich setzen kann. Aus den Werten entsteht das Narrativ. Differenzierung über Produkt oder Preis reicht nicht mehr. Man braucht Sinn. Positionierung bedeutet, Sinn und Business zu verbinden. Wer nur kurzfristig auf Shareholder Value schaut, verliert langfristig Relevanz.
Welchen Rat geben Sie jungen Marketing-ExpertInnen?
Oswald: Alles, was da draußen passiert, ist Framing und Storytelling pur. Entwickelt eine Sensibilität für Narrative – für euch und für die Welt. Setzt euch für die moralisch Richtigen ein. Das, was ihr im Marketing lernt, ist mächtig. Wir können viel kaputt machen oder viel gut machen.
Internet World Austria berichtet in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der FH St. Pölten. Dieses Interview wurde von Anna Sophie Gruber und Nathalie Tasch geführt.












