Oh, goodbye MTV!

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Albert Sachs
Das Erstaunliche ist, MTV existiert noch immer. Das wenig Überraschende folgt jetzt. Der ebenso stil- wie generationsprägende Videosender wird nun endgültig eingestellt.

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Wie verabschiedet man sich von einem Fernsehsender? Erst recht, was ruft man MTV hinterher? „Auf wiedersehen!“, wäre nicht nur falsch, sondern auch ein bisschen geschmacklos. „Ade!“, klingt ziemlich angestaubt. „Servus!“, wirkt provinziell und ist on einem anderen Sender besetzt. „Bye, bye!“ – sagt das heute noch jemand? Also, mit welcher Formel verabschiedet man sich von MTV? Gibt es überhaupt eine passende Abschiedsbekundung? Gab es damals, in der Zeit seiner Gründung, schon so etwas wie eine Jugendsprache? Oder hat MTV auch diese erst ermöglicht?

Festzuhalten bleibt, ohne MTV sähe die Welt heute ganz anders aus. Aber das ist ein Gemeinplatz und lässt sich auf so vieles anwenden. Doch für MTV gilt das ganz besonders. MTV hat eine neue Medienkategorie geschaffen. Eine weitere ermöglicht oder zumindest beschleunigt, ihren Höhenflug getragen. Der Video-Sender hat eine neue Ära begründet. War nicht nur für die Popmusik stilprägend. Mindestens eine, eher zwei Generationen wurden von MTV massiv beeinflusst. Ihr Stilempfinden. Ihre Ästhetik. Ihr Konsum von Popmusik. Und vielen Begleiterscheinungen. MTV stand für einen Aufbruch. Einen Umbruch.

Jetzt ist nach mehr als 40 Jahren Schluss. MTV stellt seinen Betrieb weitgehend ein. In Europa verschwinden alle nationalen und regionalen Kanäle. Musikvideos auf den TV-Bildschirmen gehören endgültig der Vergangenheit an. Youtube, Tiktok & Co. haben das Feld erobert.

„Video killed the Radiostar“ sangen The Buggles zwar schon 1979, doch so richtig abwärts mit den nur aus dem Radio bekannten Stars ging es erst mit dem Beginn der 1980er. Denn mit 1. August 1981 bereicherte MTV den Fernsehmarkt. Zuerst war der Video-Sender nur in den USA zu sehen, doch der Hype um das ungewöhnliche Format schwappten rasch auf Europa und andere Teile der Welt über. Beinahe jedes Land und jeder Sprachraum bekam seinen eigenen MTV-Ableger. Mit den Musik-Videos war eine neue Kunstform entstanden, deren Blütezeit ohne MTV nicht denkbar wäre, ohne die aber auch der Höhenflug von MTV nicht möglich gewesen wäre. Auch viele Popstars, von Madonna bis Queen, von Michael Jackson bis zu den diversen Girl- und Boybands würde es ohne MTV möglicherweise nicht geben. Zumindest ihr Megaerfolg fiele deuutlich schmäler aus. Alle verdanken sie ihren Ruhm maßgeblich den über MTV ausgestrahlten Videos.

MTV war Farbe. MTV war Rhythmus. MTV war Fröhlichkeit. MTV war Sound. MTV waren Bilder. MTV war schwülstige Ästhetik. MTV war immer schnellerer Schnitt. MTV war laut. MTV war leise. MTV war bunt. MTV war schwarz-weiß. MTV war schrill. MTV war cool. MTV war ein Lebensgefühl. MTV war neu. Jetzt ist es vorbei.

In Deutschland, im gesamten deutschsprachigen Raum beschleunigte MTV sogar die Entwicklung des privaten Fernsehmarkts. VIVA ging 1993 als „Jugend- und Musiksender für Pop und Fun” an den Start. Mit völlig neuen und daher noch unbekannten Bildschirm-Gesichtern. Stefan Raab und Heike Makatsch, Charlotte Roche und Niels Ruf, Sarah Kuttner und Mola Adebisi, um nur einige zu nennen. Sogar Mirjam Weichselbraun begann ihre Karriere bei VIVA. Wechselte später zu MTV Germany. Dort traf sie u.a. auf Nora Tschirner, Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sowie viele andere in der deutschsprachigen TV-Szene heute bekannte Namen. Schon Ende 2018 war mit VIVA Schluss. Mit Jahresende 2025 folgt MTV.

Mehr als das Ende einer Ära.

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