Demoversionen. Präsentationsvideos. Selbstversuche. Amateurfilme. Alle mit KI erstellt. Und alles Schnee von gestern, nur mehr für die Schublade tauglich. Denn am letzten Juli-Tag dieses Sommers flimmerte die erste komplett von einer KI-produzierte und einem Avatar moderierte deutschsprachige Nachrichtensendung über die Bildschirme. Welt TV hat das KI-Nachrichtenmagazin lanciert und will „KI-Welt“ künftig jeden Donnerstag um 14.45 Uhr ausstrahlen.
Als „Experiment mit offenem Ausgang“ titulieren die Menschen hinter dem Magazin das neue Format. Doch das scheint nicht nur tief gestapelt, sondern dient wohl auch der Beruhigung. Intern jener der eigenen Mitarbeiter:innen, extern einer kritischen Öffentlichkeit. Denn was Welt TV mit seinem KI-Format präsentiert, ist alles anders als ein Experiment, hat nichts von einem Versuchscharakter, es zeigt viel mehr, wohin die Reise geht.
Die Sensation hinter der „KI-Welt“ ist nicht die Tatsache, dass dieses Format ein KI-generierten Moderator präsentiert, der in der sogenannten Bauchbinde als „Avatar von Welt-Reporter Paul Klinzing“ vorgestellt wird, sondern liegt in der Sendungs-Idee und der Struktur dahinter. Das Projekt kombiniert unterschiedliche Arbeitsschritte von der Recherche über Themenauswahl und Skripterstellung bis hin zur Moderation in einem automatisierten, KI-basierten Ablauf. „Alle redaktionellen Prozesse – von der Themenfindung und Recherche über die Gestaltung und Umsetzung bis hin zur Moderation – werden durch KI gesteuert, aber redaktionell überwacht“, heißt es dazu in einem Statement der Welt-Gruppe. Und der Klinzing-Avatar ergänzt: „Ich bin zwar nicht echt, sondern ein Avatar. Aber die Nachrichten, die ich Ihnen zeige, sind absolut real.“
Die im Hintergrund arbeitenden menschlichen Redakteurinnen und Redakteuren kontrollieren nur noch die Richtigkeit der Inhalte der rund 15-minütigen Sendung und sollen laut Angaben des Senders für die Einhaltung journalistischer Standards sorgen. Die KI analysiert hingegen eigenständig diverse Nachrichtenquellen und wählt auf dieser Basis die Inhalte der jeweiligen Beiträge und Sendungen aus, in denen sich alles um Themen wie KI, Robotik und Zukunftstechnologien dreht.
Der Chefredakteur der WELT-Gruppe, Jan Philipp Burgard, spricht zwar in Zusammenhang mit der Sendung auch noch von einem Experiment, wird aber in seinem Statement deutlicher: „Wir werden die KI-Revolution nicht aufhalten können, deswegen sollten wir sie umarmen und mitgestalten. Unsere neue Sendung KI-WELT ist ein Experiment, um zu zeigen, was bereits möglich ist.“
Die Stimme des Moderations-Avatars weist noch einen leicht digitalen Akzent auf. Abgesehen davon wirkt das KI-Nachrichtenformat durchwegs professionell und unterscheidet sich nicht wirklich von menschengemachten Sendungen ähnlichen Stils. Dafür werfen sich medienrechtliche, ethische und gesellschaftspolitische Fragen rund um Transparenz, Verantwortung, Medienkompetenz und natürlich zum wachsenden Einsatz von KI im medialen und journalistischen Alltag sowie zur Zukunft des Journalismus generell auf.
Wohin das Experiment letztendlich führen soll und wird, hatte Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner – die Welt-Gruppe gehört zum Springer-Konzern – vor wenigen Wochen bei einem Führungskräfte-Treffen ausgegeben: Das Medien- und Digitalunternehmen solle der führende Anbieter von KI-basiertem Journalismus werden.
Paul Klinzings Avatar ist also mehr als nur der digitale Anchor eines Experiments.