Die digitale Transformation im B2B-Beschaffungswesen hat mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz – etwa durch Systeme wie ChatGPT oder Perplexity – eine neue Stufe erreicht. Während die Suche und Auswahl von Lieferanten früher Wochen oder Monate dauern konnte, ermöglichen KI-gestützte Tools heute eine erhebliche Beschleunigung und weitgehende Automatisierung. Gleichzeitig stehen Unternehmen vor der Herausforderung, ihre digitale Sichtbarkeit und Inhalte gezielt zu steuern. Diese grundlegenden Veränderungen erfordern eine strategische Neuausrichtung ihrer digitalen Vertriebs- und Marketingprozesse.
Veränderung der Informationsbeschaffung
KI-Werkzeuge verändern jede Phase der B2B Buyer Journey grundlegend. Während die erste Phase der Bedarfserkennung und Informationssuche früher im Schnitt 30 Tage dauerte, verkürzt sie sich mit KI-Unterstützung auf nur noch 15 Tage – eine Effizienzsteigerung um 50 Prozent. Noch deutlicher sind die Veränderungen in der Bewertungs- und Auswahlphase: Unternehmen benötigen heute deutlich weniger Zeit, um fundierte Entscheidungen über Lieferanten zu treffen. Generative KI-Systeme wie ChatGPT, Perplexity oder die neuen AI Overviews von Google ermöglichen es B2B-Einkäufern, komplexe Fragen in natürlicher Sprache zu stellen und sofort strukturierte, präzise Antworten zu erhalten. Anstatt wochenlang Whitepaper zu lesen und Lieferantenlisten manuell zu erstellen, können diese Aufgaben heute automatisiert von KI-Systemen übernommen werden.
Laut Forrester nutzen bereits 87% der B2B-Einkäufer generative KI während ihres Kaufprozesses. Diese Tools bieten nicht nur schnellere Antworten, sondern auch tiefere Analysen durch die Kombination multipler Datenquellen. Zudem reduzieren KI-gestützte Suchfunktionen wie Google AI Overviews und ChatGPT Search den organischen Website-Traffic spürbar, weil Nutzer immer häufiger direkt Antworten erhalten und seltener auf externe Links klicken. Während herkömmliche Google-Suchen nach wie vor eine vergleichsweise hohe Klickrate auf externe Websites erzielen, zeigen erste Analysen, dass KI-gestützte Suchsysteme wie ChatGPT Search oder Google AI Overviews die Zahl der Klicks auf klassische Suchergebnisse deutlich verringern. Besonders bei informationellen Suchanfragen erhalten Nutzer immer häufiger direkte Antworten, wodurch der Besuch externer Websites zunehmend seltener wird.
Suchanfragen ohne Klick – die neue Realität
Ahrefs bestätigt de Trend, dass heute die meisten aller Suchanfragen zu keinem Klick mehr auf externe Websites führen, da KI-generierte Antworten die Nutzer direkt zufriedenstellen. Diese „Zero-Click Search”-Realität stellt traditionelle SEA & SEO-Strategien vor fundamentale Herausforderungen. Für B2B-Unternehmen bedeutet das, dass sie ihre Content-Strategie neu ausrichten müssen. Anstatt sich nur auf Suchmaschinenrankings und ‑marketing zu verlassen, sollten sie darauf abzielen, in KI-generierten Zusammenfassungen – ob bei Google, ChatGPT oder Perplexity – als Quelle zitiert zu werden.
Damit das gelingt, müssen aber auch die technischen Grundlagen stimmen. Denn KI-Systeme und Agenten können Inhalte nur dann zuverlässig verarbeiten, wenn Websites dafür entsprechend optimiert sind.
JavaScript-Verarbeitung und Crawler-Kompatibilität
Eine der größten technischen Herausforderungen besteht darin, dass die meisten KI-Crawler JavaScript nicht zuverlässig verarbeiten können. Während Googles Gemini auf die bewährte Googlebot-Infrastruktur zurückgreift und daher JavaScript-Inhalte darstellen kann, fehlt diese Fähigkeit anderen wichtigen KI-Crawlern wie dem SearchBot von OpenAI, ClaudeBot oder dem PerplexityBot. Unternehmen müssen deshalb sicherstellen, dass entscheidende Inhalte bereits im ursprünglichen HTML-Code vorhanden sind oder Vorab-Rendering-Lösungen nutzen. Das erfordert oft eine grundlegende Anpassung der Website-Architektur, insbesondere bei Single-Page-Anwendungen oder React-basierten Webseiten.
Strukturierte Daten und Schema Markup
Die Nutzung strukturierter Daten und von Schema Markup wird immer wichtiger für die Sichtbarkeit in KI-Anwendungen. Aktuelle Analysen zeigen, dass viele Unternehmen beim Einsatz strukturierter Daten noch nicht optimal aufgestellt sind, obwohl dies eine zentrale Voraussetzung für die Auffindbarkeit durch KI-Agenten ist. Besonders relevant sind dabei Auszeichnungen für Produkte, Organisationen und Bewertungen – vor allem für B2B-Lieferanten.
Strategische Auswirkungen auf die Zukunft von Inhalten und SEO
Die Entwicklung von KI erfordert einen grundlegenden Wandel weg von einer rein schlüsselwortbasierten hin zu einer absichtsorientierten Optimierung. KI-Systeme erkennen die Nutzerabsicht auch bei längeren, dialogartigen Suchanfragen und bevorzugen Inhalte, die umfassende und kontextreiche Antworten bieten. Unternehmen müssen ihre Inhaltsstrategie darauf ausrichten, Inhalte zu erstellen, die als zitierwürdig und vertrauenswürdig gelten. Das bedeutet, den Schwerpunkt auf gründlich recherchierte Inhalte mit klaren Quellenangaben und erkennbarer Fachkompetenz zu legen.
API-Integration wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil
Laut Prognosen von McKinsey wird die Zukunft des Einkaufs zunehmend von vernetzten KI-Systemen geprägt sein, die Informationen in Echtzeit austauschen und gemeinsam auswerten. Ein zentraler Wettbewerbsvorteil entsteht dabei durch die konsequente Integration von Programmierschnittstellen (APIs): Unternehmen, die APIs gezielt einsetzen, können Daten und Prozesse nahtlos verbinden, ihre Agilität steigern und Innovation beschleunigen. APIs ermöglichen es KI-Agenten, direkt auf Unternehmensdaten zuzugreifen, Transaktionen auszuführen und aktuelle Markttrends zu berücksichtigen – was die Entscheidungsgenauigkeit erhöht und doppelte Arbeit vermeidet. McKinsey erwartet, dass Unternehmen durch den Einsatz solcher intelligenten, vernetzten Systeme ihre Prozesse um 15 bis 30 Prozent effizienter gestalten können.
Fazit und Empfehlung: Jetzt handeln, um morgen sichtbar zu sein
Die KI-gestützte B2B-Lieferantenrecherche ist keine Zukunftsvision mehr, sondern findet bereits statt. Wer sich nicht darauf einstellt, riskiert, in automatisierten Beschaffungsprozessen übergangen zu werden. Gleichzeitig bietet diese Entwicklung große Chancen für Unternehmen, die frühzeitig aktiv werden. Empfohlen wird eine dreistufige Vorgehensweise: erstens technische Vorbereitung durch JavaScript-Optimierung, strukturierte Daten und API-Integration; zweitens eine Content-Strategie mit hochwertigen, zitierfähigen Inhalten; drittens die Entwicklung und Erprobung KI-kompatibler Geschäftsprozesse. Wer heute investiert und sich anpasst, wird zum erfolgreichen Anbieter von morgen – sowohl offline als auch digital.
Florian Wassel verantwortet bei TOWA Strategie, Vertrieb und einzelne Key Accounts. Neben seiner Rolle als CEO beschäftigt er sich leidenschaftlich gerne mit neuen Technologien und Trends und versucht dabei stets Business und Technologie zusammenzubringen. Seit 2023 ist er zudem Keynote Speaker und ein Top100 Unternehmer der Speakers-Excellence, regelmäßiger Podcast-Gast und Eventveranstalter mit dem Format „versus“ und hat immer einen TikTok‑, Podcast- oder Buch-Tipp zur Hand.