Juhu, Sieg! Gerade hat sich der Lieblingsklub in einem wichtigen Match drei Punkte gesichert, die favorisierte Tennisspielerin den ersten Matchball verwertet, und der F1-Grand Prix verlief so spannend wie schon lange nicht mehr. Ein paar Klicks im Internet und die wichtigsten Szenen werden auf Facebook noch einmal nachgelesen, mit der gleichgesinnten Community heftig diskutiert. Ein rasches Like, vielleicht noch ein kurzer Kommentar. Das soll´s gewesen sein.
Doch dann brechen alle Dämme. Der Algorithmus hat gewisse Vorlieben der Userin, des Users erkannt und berechnet in Sekundenschnelle, was sie oder ihn noch alles interessieren könnte. Plötzlich flackert ein einschlägiges Angebot nach dem anderen in der Timeline auf. Sogar das Posting der hinterletzten Fanklubs wird auf den Schirm gerückt. Wer will all das sehen? Niemand! Doch das scheint niemand zu verstehen. Schon gar nicht der Algorithmus. Der entweder entgegen andersklingenden Jubelmeldungen grottenschlecht programmiert ist und, oder auf die Wünsche der Userinnen und User nicht wirklich eingeht. Vermutlich gilt beides.
Glück gehabt, wenn die einfältigen Maschinen hinter den Social Media-Plattformen nicht auch gleich noch ein paar Uraltmeldungen zum vermeintlichen Lieblingsthema hinterherschicken. Die Algorithmen mögen ihre Berechtigung haben, allwissend sind sie nicht. Einfühlsam schon gar nicht. Und so steigt der Ärger und Verdruss über das Plattform-Angebot. Die Grenze Richtung Ausstieg aus der onlineglobalen Gemeinschaft rückt immer näher. Die Abschiedshürde wird kleiner.
Doch damit des Ärgerns noch nicht genug, denn da sind noch die mittlerweile unendlich vielen Fake-News und ‑Stories, die zu jeder Tages- und Nachtzeit in immer massiveren Wellen ausgespielt werden. KI sei Dank. Oder besser: KI sei verflucht!
Kaum ein Thema, kein Lebensbereich wird ausgespart. Alle moralischen und sonstigen Schranken werden überwunden. Bedenken, sofern überhaupt in irgendeiner Weise vorhanden, fallen gelassen. Je sensationsheischender, je mitleidserregender, je tränendrückender, umso besser.
Aktuell hoch im Kurs liegen Krankheits- und Todesmeldungen zu – noch lebenden, aber auch bereits verblichenen – Stars jeden Alters und jeder Provenienz. Nachrichtenmoderatoren und Schauspielerinnen, Sportlerinnen und Popmusiker müssen ihr Gesicht für derartige Rührseligkeiten hergeben. Ungefragt. Unkontrolliert. Ungesühnt. Unglaublich, dass die Plattform-Betreiber mit ihrem geballten Knowhow und ihrer schier unendlichen Finanzmacht derartige Übel nicht besser in den Griff bekommen.
Den Betreibern der Social Media-Plattformen scheint all das egal zu sein. Sie scheinen die Schwindler und Betrüger ungehindert gewähren zu lassen. Auch angestaubte Sportergebnisse, unnütze Küchen- und Gartentipps, rührselige Krankengeschichten und falsche Todesmeldungen bringen Klicks. Zudem wirkt der Strom an nachkommenden Userinnen und Usern angesichts der Weltbevölkerung unversiegbar. So wiegen sich die Plattformen in Sicherheit, zweifeln kaum an ihrem Geschäftsmodell und spitzen dieses immer mehr auf noch höhere Klickraten und damit verbunden üppig fließende Werbeerlöse zu.
Wer hätte sich allerdings vor zwanzig Jahren vorstellen können, dass es ein derartig weltweites Massenphänomen wie Social Media-Plattformen überhaupt geben könnte. Aus heutiger Sicht ist ihr Ende ebenso undenkbar. Aber wer weiß schon, was in den nächsten zehn, zwanzig Jahren alles passiert.