Zero Click Internet: Wenn Künstliche Intelligenz das Netz entkernt – und In-Game Advertising gewinnt

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Bernd Platzer
Das Internet verändert sich radikal: Inhalte werden nicht mehr besucht, sondern synthetisiert. In einer Welt ohne Klicks wird In-Game Advertising zum letzten Ort echter, menschlicher Aufmerksamkeit.

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Es gibt Buzzwords. Und es gibt tektonische Verschiebungen. Der Begriff „Zero Click Internet“, der dieser Tage auf der re:publica mehrfach die Panels durchwehte, ist Letzteres. Denn was hier beschrieben wird, ist nicht weniger als das stille Sterben eines Webs, das wir jahrzehntelang mit Inhalt, Interface und Interaktion gleichgesetzt haben.

Die Interaktion? Sie verschwindet. Der Inhalt? Wird zunehmend generiert, nicht besucht. Und das Interface? Ist nicht mehr die Website, sondern der Prompt.

KI frisst das Netz

Die große Verschiebung beginnt bei der einfachen Frage: Warum sollte ein User überhaupt noch klicken? Künstliche Intelligenz – vor allem in ihrer generativen Ausprägung – beantwortet heute Suchanfragen, aggregiert Inhalte, fasst Rezensionen zusammen, erstellt Reiserouten, Produktvergleiche, Lernpläne, Briefings, Verträge, Skripte – und das alles ohne je eine Quelle zu öffnen.

Das Zero Click Internet ist ein KI-gepufferter Raum, in dem Inhalte nicht mehr entdeckt, sondern synthetisiert werden. Der Weg zur Information – früher als Journey zelebriert – wird zur Antwort. Zur fertigen. Zur endgültigen.

Die Auflösung der Publisher-Ökonomie

Für Publisher, für Marken, für Werbetreibende ist das fatal. Denn Sichtbarkeit basiert seit jeher auf der Annahme, dass man als Station einer digitalen Reise relevant ist. Dass Inhalte besucht, konsumiert, geteilt werden. Doch diese Interaktion wird nun ausgelagert – an Large Language Models, Suchagenten, Kontext-KIs. Die Originalquelle? Ein Datenpunkt. Die Marke? Ein optionaler Verweis. Der „Klick“? Obsolet.

Wir stehen am Beginn einer Ära, in der Nutzer nicht mehr interagieren – sondern befüllt werden. Und das nicht mehr von Medien oder Plattformen, sondern von KI-Agenten, die zunehmend autonom agieren: sie recherchieren, sie beraten, sie entscheiden – und bald: sie kaufen ein.

KI-Agenten als Endpunkt des D‑Commerce

Was bedeutet das für den digitalen Handel – und die Werbung? Nun, wenn autonome Agenten die Produktsuche übernehmen, Empfehlungen aussprechen und Transaktionen abwickeln, braucht es keinen Traffic mehr. Keine Banner, keine Clicks, keine Konversionen. Die Werbewirtschaft verliert nicht nur den Nutzer, sondern den Bedarf an Nutzeransprache überhaupt.

In dieser Logik wird Werbung nicht mehr geschaltet, um Menschen zu überzeugen – sondern um Maschinen zu briefen. Marketing wird Prompt Engineering. Branding wird Datenpolitik. Sichtbarkeit wird zur Frage von Trainingsdaten.

In-Game Advertising: Der letzte Ort der Unmittelbarkeit

Und doch gibt es Räume, in denen dieser Trend ins Leere läuft. Räume, in denen Menschen nicht von Agenten vertreten werden, sondern selbst handeln, selbst erleben. Der offensichtlichste – und ökonomisch spannendste – ist das Spiel.

In-Game Advertising ist der Kontrapunkt zur synthetischen Aufmerksamkeitsökonomie. Es ist immersiv, präsent, emotional verankert – und vor allem: nicht delegierbar. Kein Bot spielt für mich „FIFA“. Kein Agent schleicht für mich durch „Call of Duty“. Werbung im Spiel ist wieder echtes Erleben, kein abstrakter Touchpoint. Kein Feed, kein Prompt – sondern eine Szene.

Das Zero Click Internet wird nicht wieder verschwinden. Es ist die logische Konsequenz eines Internets, das sich von der Quelle zur Synthese weiterentwickelt. Für die Werbewirtschaft bedeutet das: Wir brauchen neue Räume, neue Logiken, neue Formen der Präsenz.

In-Game Advertising ist nicht die letzte Bastion – es ist der nächste Level. Der Raum, in dem Aufmerksamkeit nicht extrahiert, sondern erlebt wird. Genau dort liegt die Zukunft – weil es der einzige Ort ist, an dem die menschliche Präsenz der künstlichen überlegen bleibt.

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