Große Werber gibt es viele. Nicht alle werden auch zu Legenden. Die wirklich prägenden Persönlichkeiten der Branche aber doch. Auch nicht jede Legende ist gleich. Eine ganze besondere Figur unter den großen Werbern, unter den prägenden Persönlichkeiten der Branche, unter den Werbelegenden ist Sir John Hegarty, der Gründer der nicht minder legendären Londoner Kreativschmiede BBH – Bartle Bogle Hegarty.
Längst hat sich Hegarty, von Queen Elisabeth II 2007 zum Sir geadelt und daher auch vielfach als „Ritter der Kreativität“ tituliert, aus der Branche zurückgezogen. Dennoch haben seine Anmerkungen zur Werbung und Kreativität noch immer Gewicht. Der Großmeister der Kreativen hat noch immer viel zu diesem bestimmenden Faktor in seiner Zunft zu sagen. Doch seine Wortmeldungen und Kommentare sind wesentlich mehr als nur eine rasche Bemerkung zu einem aktuell aufflackerndem Modethema. Hegarty denkt weit über seine Branche hinaus, philosophiert auch gerne – immer fundiert und nie nur an der Oberfläche kratzend, vor allem aber sich nie ein Blatt vor den Mund nehmend – zu einer bunten Vielfalt an Themen und Phänomenen.
Demnächst, am 20. Mai feiert der Sir seinen 80er. Das wäre Anlass genug, ihn zu würdigen. Doch dazu fehlt mir die Kompetenz – auch wenn ich das Glück hatte, Hegarty einmal live zu erleben. Und es mangelt mir an Einblicken in sein Leben, an der erforderlichen Nähe und an der tatsächlichen Kenntnis seiner Person.
Persönlich bin ich kein Anhänger des Ich-Journalismus, die Introspektive lag und liegt mir fern. Das „Ich“ ließ ich in meiner Arbeit immer außen vor. Daher möge man mir verzeihen, wenn ich mit diesem Text in voller Breite von dieser Tugend abweiche. Wie bereits erwähnt, ist es nicht Hegartys runder Geburtstag, der mich zu diesem Text veranlasst, sondern ein wesentlich banaleres Moment, dafür aber ein in wohltuender Regelmäßigkeit aufpoppendes Glanzlicht. Es sind Hegartys Beiträge auf LinkedIn, vor allem sein ebenfalls dort publizierter Newsletter „The Business of Creativity – A bulletin for big ideas and better business.“ Noch präziser, der Anstoß kam von seinem Beitrag „Need a campaign idea? Go to the source“.
Hegarty schildert in dem knappen Text, wie seine Agentur 1982 zum Pitch um den Audi-Etat eingeladen wurde. Als britische Agentur rechnete sich BBH bei dem deutschen Autobauer nur geringe Chancen aus, dennoch reiste auf Geheiß Hegartys eine kleine BBH-Abordnung nach Ingolstadt, um sich in den Werkshallen umzusehen und mit Audi-Mitarbeitern aus den unterschiedlichsten Abteilungen zu unterhalten. Bei der Werksführung entdeckte Hegarty ein altes, vergilbtes Audi-Plakat mit einem Slogan aus den 1970er-Jahren: „Vorsprung durch Technik“. Von Audi damals kaum noch verwendet. Obwohl die Briten den Spruch nicht einmal verstanden und es zumindest für „Vorsprung“ keine adäquate Übersetzung ins Englische zu geben scheint, nahm Hegarty die Zeile in seiner Gedankenwelt mit auf die Insel. In London machte BBH schließlich daraus das Kampagnen-Motto „Vorsprung durch Technik“. Gewann den Pitch und verrechnete den Audi-Verantwortlichen vermutlich ein saftiges Honorar für den „neuen“ Claim: „Vorsprung durch Technik“.
Genial. Und eine dieser wunderbaren Hegarty-Geschichten. Vorsprung durch Kreativität.