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Viele falsche ORF-Debatten

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Albert Sachs
Die Debatten um die ORF-Gehälter ist eine völlig falsche ORF-Diskussion. Zudem verwechselt der frisch bestellte ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler seine Aufgaben als ORF-Kontrolleur mit FPÖ-Medienpolitik.

In Österreich werden lieber Neid- als inhaltliche Debatten geführt. Das gilt generell. Und speziell im Fall des ORF und seiner vor kurzem veröffentlichten Gehalts- und Honorarlisten. Die per Gesetz verordnete namentliche Publikation aller BezieherInnen von ORF-Gagen jenseits der 170.000 Euro-Grenze löste eine veritable Neiddebatte darüber aus, einschließlich einer ebenfalls zu erwartenden Welle an Shitstorms in den Sozialen Medien. Das war schon im Vorhinein klar. Hingegen blieb und bleibt eine inhaltliche Debatte um den ORF aus. Auch das durfte bereits im Vorfeld als gesichert angenommen werden.

Inhaltliche Debatten werden in Österreich lieber nicht geführt. Schon gar nicht zur Medienpolitik in diesem Land. Daran hat auch die aktuelle ORF-Gehaltsdiskussion nichts geändert. So sehr das eine oder andere ORF-Honorar tatsächlich zu hinterfragen wäre, so wenig ist die laufende Debatte dazu angetan, den ORF und die Medienlandschaft ganz allgemein in Österreich zu reformieren. Oder gar den gesamten Medienstandort Österreich sinnvolle Rahmengesetze zu bieten und ihn damit einigermaßen dauerhaft zu sichern.

Eine besondere Rolle, in der heftig angelaufenen ORF-Gehaltsdebatte nimmt der vor kurzem auf einem FPÖ-Ticket in den ORF-Stiftungsrat berufene Peter Westenthaler ein. Der langjährige FPÖ- und BZÖ-Spitzenfunktionär verwechselt dabei seine Aufgabe als einer von 35 obersten ORF-Kontrolloren mit der Rolle eines wahlkämpfenden FPÖ-(Medien)politikers. Die allgemeine Empörung zur ORF-Gehaltsliste kam Westenthaler zum öffentlichen Anpreisen der FPÖ-Medienpolitik dabei nur recht. Und er offenbart dabei einmal mehr das autokratische Medienverständnis seiner Partei.

Die seit Jahresbeginn 2024 in Österreich eingehoben Haushaltsabgabe zur Finanzierung des ORF ist der FPÖ ein Herzensanliegen. Besser gesagt, deren Abschaffung. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat gar postuliert, im Falle einer nach der Nationalratswahl von der FPÖ geführten Regierung werde es zu seinen ersten Aktionen zählen, die Haushaltsabgabe ersatzlos zu streichen.

Genau in diese Kerbe schlägt nun auch der ORF-Stiftungsrat Peter Westenthaler bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Mit eindeutig parteipolitisch eingefärbter Brille. Kaum im Stiftungsratsamt, ritt der Favoritner aus, um an der Seite von FPÖ-Mediensprecher und ‑Generalsekretär Christian Hafenecker die vermeintliche Unrechtmäßigkeit des aktuell gültigen ORF-Gesetzes zu vermelden und damit auch jene der Haushaltsabgabe anzuprangern. Westenthaler warnte vor den drohenden Gefahren, welche die seiner Meinung nach gesetzeswidrige Mediengebühr heraufbeschwören würde. Bis hin zur bedrohten Existenz des ORF reichten Westenthalers Szenarien.

Seit der Publikation der ORF-Gagen wandert Westenthaler nun von TV-Auftritt – bei mit dem ORF-konkurrieren Sendern, wohlgemerkt – und wird nicht müde, zum einen die Haushaltsabgabe und auch den ORF schlechtzureden und im Gegenzug den ihm gerade eine Bühne bietenden Sender zu loben. Diese Auftritte nutzt Westenthaler eifrig, um die blauen Positionen zu erklären und die medienpolitischen Verfehlungen und Fehler der anderen Parteien anzuprangern. Das ist pure FPÖ-Medienpolitik, um nicht zu sagen, reine Wahlkampfrhetorik.

Aufgabe eines Stiftungsrates ist es nicht, medienpolitische Positionen zu formulieren und Medienpolitik zu machen. Sondern in erster Linie „Schaden vom ORF abzuwenden“. Das betonte Westenthaler in einem seiner Statements sogar selbst. Stiftungsräte „haben ausschließlich die sich aus den Gesetzen und der Geschäftsordnung ergebenden Pflichten zu erfüllen“. So steht es im ORF-Gesetz. Und so steht es auch in der Geschäftsordnung des Stiftungsrates. Davon, medienpolitische Positionen zu beziehen, findet sich weder im ORF-Gesetz noch in der Geschäftsordnung des Stiftungsrates etwas.

Will Westenthaler wirklich im Sinne des ORF und des ORF-Gesetzes agieren, sollte er sich auf seine (passive) Funktion als Aufsichtsorgan besinnen, statt als aktiver Medienpolitiker zu agieren. Vor allem sollte er die Statements mit FPÖ-Medienpolitik amtierenden FPÖ-Politikern überlassen. Oder sich rasch wieder aus dem Stiftungsrat zurückziehen. Dann darf er auch Haushaltsabgabe und ORF-Gagen anprangern.

Aber auch diese Medien-Debatte wird nicht geführt.

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Chris Budgen

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