Österreich belegt bei den Glasfaseranschlüssen bis in Haus (FTTH/FTTB) derzeit den letzten Platz in Europa. Das zeigen die Zahlen, die kürzlich von FTTH Council Europe veröffentlicht wurden. Es gibt allerdings bereits konkrete Aktivitäten, die den Ausbau einer leistungsfähigen und zukunftssicheren Glasfaserinfrastruktur in Österreich beschleunigen. Die Corona-Krise hat die Notwendigkeit dafür nochmals vergrößert: Einerseits sind die Engpässe bei traditionellen Infrastrukturen sehr klar zu Tage getreten und andererseits will die öffentliche Hand gerade jetzt konjunkturbelebende Maßnahmen setzen, die das Budget möglichst wenig belasten.
Nur 1,9 Prozent der Haushalte und Betriebe in Österreich haben einen direkten Anschluss zum Glasfasernetz. Damit ist das Land auf den letzten Platz eines internationalen Rankings abgerutscht, das jährlich vom FTTH Council Europe veröffentlicht wird. Am oberen Ende der Skala ist Island mit 65,9 Prozent zu finden. „Viele sehen Glasfaser mittlerweile als Element der Daseinsvorsorge. Wenn wir uns rasch von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise erholen wollen, müssen wir die Anstrengungen beim Ausbau im Sinne dieser Daseinsvorsorge verstärken. Die Errichtung offener Netze ist ein wichtiger Beitrag zur Konjunkturbelebung. Gerade in Krisenzeiten ist der kombinierte Einsatz öffentlicher und privater Mittel für den Bau von Glasfaserinfrastruktur bis zu den Gebäuden das Gebot der Stunde. Diese ist die Voraussetzung für die Digitalisierung und damit eine wichtige Grundlage für die Innovationskraft und wirtschaftlichen Erfolg heimischer Unternehmen”, erklärt Heinz Pabisch, Leiter der Action Group Gigabit Fiber Access (AGGFA) der Computer Measurement Group (CMG).
Mit vereinten Kräften: Österreich bald gigabitfähig
Die Bundesregierung hat das Ziel, Österreich gigabitfähig zu machen. Die Voraussetzung dafür ist eine Glasfaserinfrastruktur, die sowohl für Anschlüsse im Haus als auch für die Anbindung von Mobilfunkstationen genutzt wird. „Für die Finanzierung des Ausbaus braucht es ein perfektes Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Wo das gegeben ist, können auch Unternehmen und Haushalte in dünn besiedelten Gebieten mit zukunftsfähigen Anschlüssen versorgt werden. Damit wird die Breitbandlücke endlich geschlossen”, so Igor Brusic, Vizepräsident von CMG und AGGFA-Netzexperte.
In urbanen Gebieten übernehmen private Anbieter die Errichtung der Infrastruktur. Hier sind die Kosten niedrig und die Einnahmen sorgen für eine Amortisierung der Investitionen in relativ kurzer Zeit. In ländlichen Regionen stellt sich das anders dar. Investoren, die in längeren Zyklen denken, sehen allerdings auch hier attraktive Möglichkeiten. So ist in Niederösterreich mit Allianz Capital Partners (ACP) ein institutioneller Investor in das Glasfaserprojekt eingestiegen, das vom Land Ende 2014 gestartet wurde. Ende 2019 hat man sich mit ACP auf ein Investitionspaket in der Höhe von 300 Millionen Euro geeinigt. Damit werden zusätzlich zu den 35.000 Glasfaseranschlüssen, die im Rahmen von Pilotprojekten gebaut wurden, weitere 100.000 in ländlichen Gemeinden errichtet. Den Ausbau übernimmt die Niederösterreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (nöGIG). Geschäftsführer Hartwig Tauber: „Wir waren überrascht, wie viele potenzielle Investoren sich für unser Modell interessiert haben. Mit ACP haben wir den perfekten Partner gefunden. Es zeigt sich, dass für ein gut strukturiertes und vorbereitetes Glasfaserinfrastruktur-Projekt auch in Österreich attraktive Finanzierungspartner gefunden werden können.”
Kombination unterschiedlicher Finanzierungsformen
Schon seit Jahren setzt sich AGGFA für eine offene und öffentliche Glasfaserinfrastruktur im ländlichen Raum ein. Aktuell treiben Landes-Infrastrukturgesellschaften und öffentliche Agenturen in fünf österreichischen Bundesländern den Ausbau nach diesem Modell voran: die Niederösterreichische Glasfaserinfrastrukturgesellschaft (nöGIG), die Fiber Service OÖ, die Steirische Breitband- und Digitalinfrastrukturgesellschaft (sbidi), die Breitbandinitiative Kärnten (BIK) und die Breitbandserviceagentur Tirol. In den kommenden drei Jahren entstehen so knapp 300.000 zusätzliche Glasfaseranschlüsse für Haushalte und Betriebe. Dafür werden österreichweit auf jeden Fall rund 600 Millionen Euro investiert. Es sollte allerdings noch mehr werden, dafür kommen unterschiedliche Finanzierungsformen in Frage: von Kooperationen mit Investitionspartnern über Kredite oder den Connecting Europe Broadband Fund bis hin zu Förderungen aus regionalen, nationalen und EU-Töpfen. Für Igor Brusic ist eines besonders wichtig: „Für einen raschen Ausbau müssen alle einsetzbaren Möglichkeiten sinnvoll zusammengefasst werden. So lässt sich der Bau in Kernzonen mit Mitteln von Investoren bestreiten, während für Randgebiete Förderungen lukriert werden. Dafür braucht es Organisationen, die das professionell koordinieren und umsetzen können.”