Frau Luger, Sie haben Krisen-PR und Litigation-PR über die Jahre intensiv begleitet. Wie hat sich der Bereich entwickelt und welche Veränderungen sehen Sie aktuell?
Sandra Luger: Das Geschäft hat sich enorm gewandelt, und klassische PR in ihrer ursprünglichen Form existiert kaum noch. Die Medienlandschaft hat sich stark entwickelt und ein Großteil der Medienarbeit ist in den digitalen Bereich verlagert. Strategische Kommunikation überschneidet sich zunehmend mit Unternehmensberatung. Viele Aufgabenstellungen gehen heute weit über die klassische PR hinaus. Es geht bei uns nicht nur um Krisen wie Skandale oder Prozesse, sondern auch um besondere Herausforderungen, etwa bei Firmenübernahmen oder Neupositionierungen. In diesen „Ausnahmezuständen“, sehen wir unseren Beitrag und wir nutzen Kommunikationsstrategien, um die teils sehr komplexe Situationen zu bewältigen.
Wie sieht es mit der Litigation-PR aus? Hat sich die Nachfrage verändert?
Luger: Unser ehemaliger Kollege Alfred Autischer hat Litigation-PR in Österreich stark mit aufgebaut. Mittlerweile ist es heute so, dass Anwaltskanzleien oft eigene PR-MitarbeiterInnen haben, um in juristischen Konflikten direkt zu kommunizieren. Diese Entwicklung hat unser Geschäft verändert, doch Litigation-PR bleibt ein wichtiges Segment für uns. Neue Themen wie behördliche Verfahren oder ESG-Vorgaben, die rechtliche Fragen aufwerfen gewinnen dafür an Wichtigkeit. Klima- und Reporting-Themen nehmen an Bedeutung zu und verändern die Ansprüche an PR.
Die Digitalisierung hat die PR-Branche verändert. Welche Auswirkungen spüren Sie?
Luger: Die Geschwindigkeit ist das Hauptmerkmal. Früher hatten wir Zeit Inhalte gezielt zu steuern; heute kursieren Informationen rasant. Die traditionelle PR mit der klassischen Medienarbeit ist für uns nur noch ein kleiner Bereich. Bei uns ist mittlerweile mehr Thema „Wie schafft man es, dass etwas nicht medial aufgegriffen wird?“ Gleichzeitig sind Unternehmen direkter als früher mit Kritik und Feedback konfrontiert, ob im B2C- oder B2B-Bereich. Unternehmen mussten lernen, dass sie heute über Plattformen wie Facebook und Instagram direkt und unmittelbar mit ihren Zielgruppen in Kontakt stehen und dabei häufig Fragen und Kritik erhalten. Zusätzlich setzen Unternehmen vermehrt auf eigene Medien und Content-Produktion, da klassische Printmedien immer mehr wegfallen. Jedoch blieb eine Sache unverändert bzw. hat sogar noch mehr an Bedeutung gewonnen: Der persönliche Kontakt, sowohl intern als auch im Austausch mit Stakeholdern, bleibt im direkten Dialog entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielt die KI dabei?
Luger: Der momentane Hype ist groß, zurzeit steckt sie aber noch in den Kinderschuhen. Erst ein Bruchteil der Unternehmen, hat KI tatsächlich in Arbeitsprozesse integriert, deshalb sind wir in der Krisen-PR noch nicht so stark damit konfrontiert.
Wie stellen Sie sicher, dass in einer Krise keine falschen Informationen verbreitet werden?
Luger: In solchen Fällen stimmen wir uns eng mit JuristInnen und FachexpertInnen ab. Das Verifizieren der Informationen ist dabei essenziell. Ein Überprüfungsprozess ist notwendig, damit wir sicherstellen, dass die veröffentlichten Informationen akkurat und verständlich sind. Wenn falsche Darstellungen in den Medien nach Richtigstellung bestehen bleiben, setzen wir uns auch rechtlich zur Wehr.
Transparenz wird immer wichtiger. Wie stellen Sie Transparenz in der Kommunikation sicher?
Luger: Transparenz ist ein Balanceakt, was mache ich öffentlich, was nicht. Unternehmen müssen aber verstehen, dass interne und externe Kommunikation verschmelzen: Was Mitarbeitende intern erfahren, gelangt an die Öffentlichkeit – sei es über persönliche Gespräche oder soziale Medien. Wichtig ist daher, dass die Inhalte konsistent sind. Transparenz wird in neuen Bereichen wie ESG und dem Lieferkettengesetz massiv zunehmen, und wir erwarten eine verstärkte Nachfrage nach Beratung in diesen Krisensituationen.
Litigation-PR steht oft in der Kritik, dass sie die Öffentlichkeit manipulieren könnte, um juristische Verfahren zu beeinflussen. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
Luger: Unser Grundprinzip lautet, dass die Kommunikationsstrategie der juristischen Strategie folgt. Litigation-PR bedeutet für uns nicht, eine „Parallelstory“ zu entwickeln, sondern den juristischen Prozess zu unterstützen. Wir lehnen allerdings Aufträge ab, wenn wir sie ethisch für nicht vertretbar halten – etwa, wenn der Auftrag ein öffentliches Vorverurteilen unterstützen würde. Dieser Bereich bleibt heikel, da mediale Vorurteile oft die Reputation einer Person stark schädigen können, selbst wenn sie später rechtlich freigesprochen wird.
Denken Sie, dass die PR künftig stärker reguliert wird?
Luger: Regelungen in der PR sind aktuell selten. Wir arbeiten jedoch an einem Ethikkodex für Litigation-PR innerhalb des PRVA mit, um Standards zu etablieren.
Abschließend, wie sehen Sie die Zukunft der PR in Ihren Fachbereichen?
Luger: Wir beobachten laufend neue Entwicklungen, die Unternehmen vor Herausforderungen stellen – wie ESG und die Integration von Künstlicher Intelligenz. Außerdem steigt die Nachfrage nach Beratungen in wirtschaftlichen Krisensituationen, beispielsweise bei Stellenabbau oder Restrukturierungen. PR entwickelt sich immer weiter zur strategischen Begleitung in unternehmerischen Krisen.
Internet World Austria berichtet in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der FH St. Pölten. Dieser Artikel wurde von Herbert Grundböck und Elisa Spanyar verfasst.