Neben der Kreativität steht im CCA unter anderem das Fördern und Vernetzen von Kreativen im Vordergrund. Die CCA Fair Work Charta wird jährlich durchgeführt und liefert eine Vielzahl von Ergebnissen. Was unternehmen Sie, um Verbesserungen anzustreben und wo setzen Sie dabei an?
Rita-Maria Spielvogel: Zuallererst haben wir intern Agenturleute und Führungskräfte befragt. Jetzt gehen wir den nächsten Schritt: wir fragen auch diejenigen, die noch nicht in der Branche sind, aber das Potenzial dazu hätten, etwa in Ausbildungsstätten. So können wir sehen, ob das Bild, das wir intern haben, mit dem externen Bild übereinstimmt. Basierend auf den Ergebnissen und Needs, die wir daraus sehen planen wir dann Events, bei denen wir bewusst auch Soziologen, Psychologen und Coaches einladen, um einen objektiveren Blick auf unsere Branche zu bekommen.
Laut der Studie empfinden 50 Prozent der DienstnehmerInnen die Kreativbranche zwar als attraktiv, aber 53 Prozent bewerten ihren Ruf als schlecht. Hat sich der Ruf der Kreativbranche seit Beginn ihrer Karriere geändert?
Spielvogel: Meiner Meinung nach hat sich weniger der Ruf verändert, als die Attraktivität in der Branche zu arbeiten. Das merkt man daran, dass Kreativität generell, auch gesellschaftlich, weniger wertgeschätzt wird. Ich glaube, wir müssen Werbung wieder so in der Öffentlichkeit positionieren, dass sie als „kreativ und besonders” wahrgenommen wird – ähnlich wie bei Ausstellungen in der Albertina, Kunsthalle oder dem Belvedere. Die reden aber auch darüber. Bei uns hingegen fehlt oft die Wertschätzung dafür. Als Kreativklub müssen wir dafür sorgen, dass Werbung in der Gesellschaft als relevant anerkannt wird.
Viele DienstnehmerInnen wollen Projekte mit Sinn und Bedeutung machen. Da es aber in einer Werbeagentur nicht bei jedem Projekt möglich ist, auch diesen Anspruch zu erfüllen, würde uns interessieren, suchen Sie proaktiv nach Projekten oder Kooperationen, die den Sinnaspekt betonen?
Spielvogel: Wir sind heute so weit, dass viele Menschen in der jungen Generation sagen, für mich ist es nicht nur nicht sinnstiftend, sondern eine Katastrophe, wenn ich für eine Bank, Versicherung, für Tabak- oder Alkoholunternehmen arbeite, weil da Profit dahintersteckt. Das hat aber nichts mit „sinnstiftend“ zu tun, sondern das passt nicht in das Ethikbild und deshalb mache ich es nicht. Ein sinnstiftendes Arbeiten eines großen, diversen Portfolios ergibt sich für mich daraus, dass man pro bono Werbung macht, und zwar nicht für Unternehmen, die Profit machen, sondern für Unternehmen und Vereine, die Hilfe brauchen. Das ist für mich sinnstiftend, weil ich mir denke, ich mache es, um Menschen zu erreichen, unabhängig davon, ob es um eine bessere Zukunft oder Klimathemen geht.
Bei FreelancerInnen ist bei der Fair Work Charta hervorgegangen, dass einem meist mit mehr Respekt und Hilfsbereitschaft begegnet wird als bei DienstnehmerInnen. Was wäre trotzdem ein guter Grund in eine Agentur zu gehen, anstatt sich selbstständig zu machen?
Spielvogel: Das Gefühl, dass Freelancer besser behandelt werden als angestellte Mitarbeitende kommt oft daher, dass man sie dringend braucht – meist für Notsituationen. Menschen entscheiden sich oft trotzdem für eine Agentur aus verschiedensten Gründen. Erstens, aus Angst vor der Selbstständigkeit. Man stellt sich die Frage: Schaffe ich das? Zweitens, die Akquise. In der Agentur wird vieles gemeinsam leichter – das Holen von Kunden zum Beispiel. Und drittens: der Agenturspirit – ein Miteinander, das nicht im Brandbook festzuhalten ist, sondern sich im Agenturalltag entwickelt. Das spüren neue Leute und verlieben sich fast unbewusst darin. Dieser Spirit macht ein Stück weit süchtig – etwas, das Freelancer oft nicht erleben. Genau das stellt uns vor eine Herausforderung mit dem Homeoffice. Dort wird man quasi zum Freelancer im eigenen Unternehmen, weil der Agenturspirit fehlt.
Welche Veränderungen und Verbesserungen wünschen Sie sich langfristig für die österreichische Kreativbranche?
Spielvogel: Ich wünsche mir mehr Miteinander. Während wir in Österreich oft gegeneinander arbeiten – das sieht man auch jedes Jahr beim CCA, habe ich in meiner Zeit in Deutschland andere Erfahrungen gemacht. Die Werbelandschaft ist dort breiter aufgestellt und die Wertschätzung für Kreativität eine ganz andere, auch von Kundenseite. Die Menschen erkennen den Wert von Kreativität und wissen, dass sie ihre Marken unterscheidet. Ich wünsche mir, dass Agenturen und Kunden hier mehr in den Austausch gehen, denn wir alle brauchen Kreativität. Werbung soll Orientierung schaffen – wenn es nur ein Waschmittel gibt, nehme ich es. Aber bei fünf braucht es Werbung, um mir die Entscheidung zu erleichtern.
Internet World Austria berichtete in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Marketing und Kommunikation der FH St. Pölten. Dieses Interview wurde im Zuge der Kooperation von Rosa Saurer und Linda Johler geführt.