„News ohne Ende“. So lautet der Claim der neuen Werbekampagne von Focus Online, des Internetportals des deutschen Nachrichtenmagazins „Focus”. Gemeint ist, dass auf Focus.de die Stories nicht nach ein paar Zeilen enden – mit dem Verweis auf die Paywall und dass man gegen den Einwurf von ein paar Euro den Artikel zu Ende lesen könne. „Keine Paywall. Keine Kosten“ heißt es dann auch noch in der Kampagne, und der Punkt, den das Focus-Management da machen will, ist klar: Die Inhalte auf Focus.de sind werbefinanziert und der User muss genau nichts zahlen. Mit dieser Haltung stellt sich das Burda-Verlagsproukt „Focus” – und darauf wird expliziert hingewiesen – deutlich gegen die Paid-Content-Strategien von Mitbewerbern im Medienmarkt wie „Spiegel” oder „Bild”.
„Hochwertige Non-Paid-Portale in der deutschen Nachrichtenlandschaft sind systemrelevant“, meint Focus-Online-Chefredakteur Florian Festl, der den Menschen in Deutschland „professionell geprüfte und damit zuverlässige Inhalte entlang der Tagesaktualität zur Verfügung stellen” will: „Wir brauchen möglichst viele gut informierte Menschen und möglichst wenige, die in dubiose Alternativmedien abdriften.“ Festls Fazit: „Eine Paywall grenzt aus.” Und Festl hat auch Daten parat: Laut repräsentativer (aber – Vorsicht – selbst erhobener Studie) meinen 83 Prozent der NutzerInnen von Nachrichtenseiten, dass für sie ausschließlich kostenlose Angebote infrage kämen. Und 81 Prozent zeigen sich genervt von Artikeln, die vor Bezahlschranken enden. Andererseits finden 76 Prozent der Befragten gut, wenn ein Nachrichtenportal Werbung zeigt und dafür aber kostenlose Inhalte anbietet.
Paywall oder Gratisangebot ist längst eine Glaubensfrage. Es gibt aus Sicht eines Medienhauses zahlreiche Argumente für den Aufbau einer Paywall (etwa, dass Inhalte in der Produktion eine Menge Geld kosten). Es gibt auch mindestens genauso viele Argumente dagegen. Wer nämlich seine Inhalte versteckt, verliert bei denen, die sich das Online-Abonnement nicht leisten, an Relevanz, weil man das eigentliche Produkte einer Medienmarke einfach nicht mehr sieht. Und mal ganz unabhängig davon, erreichen durch Paywalls geschützte Inhalte bei weitem nicht jene Nutzungszahlen wie frei zugänglicher Content. Und damit stellt sich natürlich auch für Werbetreibende die Frage, ob es dann überhaupt noch Sinn macht, bei diesem oder jenem Portal Werbung zu schalten, wenn die Banner kaum gesehen werden.
Was man bei den 83 Prozent der NutzerInnen, für die nur gratis verfügbarer Content in Frage kommt, auslöst, wenn sie vor einer Paywall stehen, ist auch klar: Sie rufen ein Portal auf, wo der Content gratis verfügbar ist und dem sie trotzdem vertrauen. In Österreich wenden sich die, vor denen sich mitten in einer Story auf einem Nachrichtenportal eine Bezahlschranke aufbaut, zu einem hohen Prozentsatz der blauen Seite des ORF zu und schauen dort, ob die ORF-Onlineredaktion die Story auch aufgegriffen hat. Das ist gut für den ORF und schlecht für die Paywall-Betreiber. Und ja, ORF.at wird nun in seinem Schaffen per Gesetz ein wenig eingeschränkt und darf hinkünftig weniger Stories publizieren. Aber, dass die Kassen jener Medienhäuser, die fast schon trotzig auf Paywalls setzen, nun wie verrückt klingeln werden, ist ein Umkehrschluss, der nicht zulässig ist. Fazit: Die Entscheidung zwischen frei verfügbaren und gegen Geld feilgebotenen Inhalten ist für die Betreiber von Medienportalen komplex und jeder muss diese Frage für sich beantworten.