Wie ordnen Sie den Stellenwert von User Experience in Österreich im internationalen Vergleich ein?
Lisa Edelmaier: Natürlich ist die sogenannte “UX Maturity” in österreichischen Unternehmen unterschiedlich hoch, und es gibt tolle Beispiele großer und kleiner Firmen, die viel Wert auf User Experience legen und in diese Richtung forschen. Grundsätzlich muss man allerdings sagen, dass es in Österreich schon noch sehr viel Luft nach oben in diesem Bereich gibt, vor allem im internationalen Vergleich. Das Bewusstsein für das Thema ist hierzulande weit weniger stark ausgeprägt, aber es wächst auf jeden Fall – also könnte man den Stellenwert von UX in Österreich vielleicht mit “up-and-coming” zusammenfassen.
Welche Entwicklungen und Trends fallen Ihnen als Experte/Expertin besonders auf?
Edelmaier: Omnichannel-Ansätze sind eine Entwicklung, die in vielen Bereichen sehr stark forciert wird. Damit ist gemeint, dass UserInnen auf verschiedenen Kanälen und Geräten mit Services und Informationen interagieren können – zum Beispiel via Smartphone-App, Website, Smartwatch oder vor Ort in der Geschäftsstelle. Das ist insofern eine Herausforderung, weil die Darstellung sehr flexibel und Informationen immer überall up-to-date sein müssen. Wenn man das schafft, kann Omnichanneling aber einen großen Mehrwert in der User Experience darstellen. Damit einhergehend fallen mir als Trend auch Multimodal Interfaces ein: Also ein Interface, mit dem ich auf verschiedene Arten interagieren kann, zum Beispiel eine Eingabe entweder via Tippen, Spracheingabe, oder mittels Gesten machen kann. Außerdem ist Künstliche Intelligenz natürlich gerade ein Riesen-Thema in fast allen Bereichen: Einerseits für uns als DesignerInnen in der täglichen Arbeit, wo sich sehr viel rund um Automatisierung und generative KIs tut und alle am Ausprobieren sind, wo sie KI-Tools am besten für sich nutzen können. Und andererseits auf der User-Seite, wo daran gearbeitet wird, wie das Thema sinnvoll für eine bessere User Experience in Services und Produkte integriert werden kann, zum Beispiel für mehr Personalisierung.
Welches heimische Projekt rund um UX betrachten Sie als Vorzeigeprojekt?
Edelmaier: Ein tolles Projekt, das zwar kein einzelnes Produkt ist, aber auf jeden Fall dazu beiträgt, die UX Maturity in Österreich weiter auszubauen und internationaler aufzustellen, ist die Konferenz uxcon vienna. Sie hat im Herbst 2023 zum zweiten Mal stattgefunden und war ein wirklich tolles Event mit hochkarätigen SpeakerInnen aus der ganzen Welt. Eine großartige Möglichkeit, aktuelle Themen zu diskutieren, das Bewusstsein für User Experience und Research zu stärken und sich international zu vernetzen!
Welches internationale Projekt ist Ihnen in den vergangenen Monaten aufgefallen?
Edelmaier: Für mich als Designerin im Fintech-Bereich ist es immer spannend, mir anzusehen, wie User Experience im Finanzdienstleistungssektor gelebt wird. Online-Banking, Versicherungen und Co. sind keine trivialen Themen und erfordern viel Vertrauen der NutzerInnen in digitale Tools und Services. Dabei ist mir in letzter Zeit WISE aufgefallen, die den großen Schritt zu einem sehr innovativen – und gelungenen – Redesign gewagt haben. Das Design ist visuell sehr ästhetisch und frisch, Interfaces sind übersichtlich und die User Experience angenehm und intuitiv. Man hat den NutzerInnen zugehört und bestehende Lücken behoben. Es ist offensichtlich, dass hier großer Wert auf Human-centered Design und tiefgreifendes Verständnis der UserInnen gelegt wurde.
Welchen schnell umsetzbaren Tipp in Sachen User Experience können Sie für Marketingverantwortliche in Unternehmen empfehlen?
Edelmaier: Das ist leichter gesagt als getan, aber einfach mal einen Schritt nach hinten machen und KundInnen und UserInnen ganzheitlich betrachten. Sich mit Empathie ihren Kontext und ihre Bedürfnisse anzuschauen und zu überlegen, was sie vielleicht abgesehen von unseren Marketing-Touchpoints brauchen oder hilfreich finden könnten. Oder wenn man sich mit dem Thema “Universal Design” (Design für Alle) und Accessibility auseinandersetzen möchte: Versuchen Sie mal, die eigene Website nur mit der Tastatur (ohne Maus) zu bedienen und sich mittels Tabulator- und Enter-Taste zu einem Ziel zu navigieren. Kommen Sie dorthin, wo Sie möchten? Wenn nicht, ist es vielleicht Zeit, die Accessibility-Standards im Unternehmen zu überprüfen, damit ihre Produkte und Services für alle Menschen zugänglich sind.
Dieses Interview mit Lisa Edelmaier (viesure) ist Teil einer Interviewserie mit Mitgliedern des MCÖ Digital Marketing Experts Pool in Kooperation mit Internet World Austria. Stephan Kreissler ist Initiator und Leiter des Pools der Digital Marketing Expertinnen und Experten. Er wird unterstützt von Harald Rametsteiner, Leiter des berufsbegleitenden MBA-Lehrgangs Digital Marketing.