2020 wird als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Digitalisierung in Unternehmen und Institutionen aufgrund der Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Restriktionen grosso modo einen großen Sprung gemacht hat. Beobachten Sie auch bei Ihren Kunden, dass die vielbeschworene Digitale Transformation durch die Pandemie beschleunigt wurde?
Kathrin Hirczy: Neben den gesundheitlichen Aspekten, war das Ausnahmejahr stark von Kreativität und Digitalisierung geprägt. Beides zusammen hat vielen Unternehmen geholfen, einen Schritt nach vorne zu machen, der längst überfällig war. Wir haben gesehen, dass Grenzen verschwimmen und die gesamte Branche in der Krise zusammenwächst: Werbetreibende Unternehmen, Kreativagenturen und Mediaagenturen. Die besten Ideen wurden umgesetzt. 2020 haben auch wir genutzt, um in unseren Agenturmarken „UM PanMedia“, „Initiative“ und „Mediabrands“ die Weichen für die Zukunft zu stellen und sind damit stark für die kommenden Herausforderungen gerüstet.
Welche Teildisziplinen im Digital Marketing (SEO, Performance, Social, Display, Video, Programmatic, …) haben 2020 aus Ihrer Sicht exponentiell zugelegt oder sind wichtiger geworden und welchen Teildisziplinen haben an Relevanz eingebüßt?
Hirczy: Digital Marketing erlebte einen Entwicklungsboost, der den enorm gewachsenen Reichweiten geschuldet ist. Die Nachfrage nach Video ist weiter steil angestiegen. Bewegtbild eignet sich hervorragend, um emotionale Botschaften zu transportieren, die 2020 besonders gefragt waren. Die intensive Nutzung der Sendermediatheken („Broadcast Video on Demand“) hat die Nachfrage nach Video ebenfalls gestärkt. Deshalb widmen wir in der Mediabrands dem Bereich Bewegtbild eine besondere Aufmerksamkeit und fokussieren uns auf Synergieeffekte zwischen TV und Online-TV. Wir sehen auch, dass unser Programmatic Hub „Matterkind“ aufgrund der herausragenden Ergebnisse stark nachgefragt wird. Unsere Positionierung ist hier klar gesetzt: Nachhaltige Konsumentenverbindungen beginnen mit einem Team, das höhere Standards und Audiences an die erste Stelle setzt.
Welche Trends sehen Sie auf das Digital Marketing in den kommenden Monaten zukommen?
Hirczy: Wir entwickeln in unseren Agenturen UM PanMedia, Initiative und Mediabrands laufend First-Mover-Projekte für unsere Kunden. Durch die Krise haben wir gesehen, dass Konsumenten Unternehmen als starke und empathische Partner sehen wollen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Klare Kommunikation mit persönlicher Ansprache wird auch 2021 das Gebot der Stunde sein. Digital Marketing bietet als einzige Mediengattung die Möglichkeit zur treffsicheren Personalisierung. Wir bieten mit unseren Strategien Kunden die Möglichkeit, bestehende Audiences effektiv und effizient zu erreichen, aber – und hier steht die Zukunft im Mittelpunkt– auch neue Audiences zu entdecken und neue Customer Journeys zu starten. Mit unserem strategischen Ansatz „FLOW“ stellen wir sicher, dass Media, User Experience und der richtige Content reibungslos zusammenfließen.
Wo im Digital Marketing orten Sie Nachholbedarf bei Österreichs Unternehmen und Institutionen?
Hirczy: Es braucht viel mehr Mut, Neues auszuprobieren und explorativ neue Wege zu beschreiten. Innovationsführerschaft ohne Risiko gibt es nicht! Wer Trends setzen und ihnen nicht folgen möchte, kann sich nicht an Benchmarks orientieren. Im iab austria sehen wir enormes Interesse an den Aus- und Weiterbildungsangeboten. Technisches Know-how ist in den meisten österreichischen Unternehmen schwach ausgeprägt. Qualifikation ist die einzige Möglichkeit, im internationalen Wettbewerb mitzuspielen. Die digitale Initialzündung wird nur durch entsprechende Qualifikation der Teams auf Agentur- und Unternehmensseite eine langfristige Erfolgsgeschichte werden. Digitale Geschäftsmodelle müssen jetzt ausgebaut und gefestigt werden. Dazu braucht es bestens ausgebildete Menschen, die in den nächsten Jahren stark nachgefragt sein werden. Das iab austria ist im Knowledge-Sektor die treibende Kraft, um mit sehr praxisnahen Ausbildungen das Niveau zu heben.
Welche heimischen Digital-Marketing-Kampagnen aus den vergangenen Monaten sind aus Ihrer Sicht Vorzeigeprojekte?
Hirczy: Nespresso hat mit #kaffeegemeinsam gleich zu Beginn der Pandemie den wichtigen sozialen Aspekt des Pausentratschs auch im Home Office kommuniziert. Die Kampagne wurde beim iab webAD in der Kategorie „Social Media“ ausgezeichnet, weil Umsetzung, Strategie und Message am Punkt waren. Sie ist ein Paradebeispiel für Adaptabilität und hat Menschen in einer neuen Lebenssituation mit der richtigen Botschaft abgeholt. Unser Team hat mit Freude an dieser Kampagne mitgearbeitet. Dies ist nur ein Beispiel von vielen Projekten, die in den vergangenen Monaten mehr als herausragend waren.
Und welche internationalen Digital-Marketing-Kampagnen sind Ihnen in den vergangenen Monaten aufgefallen?
Hirczy: Rund um das Thema „Social Distancing“ sind großartige Ideen und Umsetzungen entstanden. Unter dem Motto „Don’t Stream Alone“ rief HBO Max zu Halloween zum Co-Watching auf, bei dem man Filme trotz physischer Distanz nicht allein schauen muss. Auch hier geht es um eine empathische Botschaft, die einen Mehrwert für die Menschen in der Pandemierealität liefert.
Welchen schnell umsetzbaren Tipp in Sachen Digital Marketing haben Sie für Marketingverantwortliche in Unternehmen und Institutionen parat?
Hirczy: Laufende Erfolgsmessung ist essenziell, um Digitalkampagnen zum Erfolg zu verhelfen und das Digital Marketing weiterzuentwickeln. Mit klarer Zielsetzung vor Kampagnenbeginn steigt die Kampagnenqualität erheblich. Mittels Einsatz der richtigen Tools können Learnings aus Silos befreit und bessere Ergebnisse erzielt werden. Wir sehen bei unseren Kunden jeden Tag, dass ein optimales Ergebnis auf kontinuierlicher Optimierung aufbaut.
Dieses Interview ist Teil einer Interviewserie mit Vortragenden des berufsbegleitenden und praxisnahen Masterlehrgang Digital Marketing der Fachhochschule St. Pölten unter der Leitung von Prof. (FH) Mag. Harald Rametsteiner in Kooperation mit der Internet World Austria Redaktion.