Jetzt bin ich bald arbeitslos!

Albert Sachs
Albert Sachs
ChatGPT macht mir meinen Job streitig. Warum ich davor keine Angst habe, sondern fasziniert bin.

Ich schreibe Texte. ChatCPT schreibt auch Texte. Ich bin ein Wesen aus Fleisch und Blut. ChatCPT besteht aus Nullen und Einsen. ChatGPT ist – Ja was eigentlich? – ein Datenverarbeitungsprogramm, Künstliche Intelligenz, ein Tool in der Cloud, ein von Menschen gefüttertes Irgendetwas. Landauf, landab wird ChatGPT als meine neue Konkurrenz gefeiert. Bald bin ich demnach arbeitslos. Ich sollte mich also vor ChatGPT fürchten.

Wenn ich nicht wollte, gäbe es zwischen mir und ChatGPT keine Berührungspunkte, hätte ich mit dem auf KI basierenden Programm kaum etwas am Hut. Nur poppt es derzeit als das wohl aktuellste Buzz-Word überall auf. Selbst reichweitenstarke Boulevardblätter räumen kostbare seitenlange Strecken frei, um ihren LeserInnen das Phänomen ChatGPT zu erklären. Wenn auch meist nicht sonderlich fundiert.

Zugegeben, meine Texte sind nur halb so lustig wie jene von ChatGPT. Aber sie haben einen Vorteil, sie stellen Zusammenhänge richtig dar, ordnen Fakten richtig ein, schreiben Namen korrekt und stellen zu historischen und anderen Ereignissen einen fundierten, nachvollziehbaren Kontext her. Bei ChatGPT schaut das meist ein bisschen anders aus.

Der Sprachbot schreibt auf Befehl jede beliebige Sorte von Texten, von Lyrik bis zur wissenschaftlichen Arbeit – angeblich sind an der Uni Wien die ersten von ChatGPT verfassten Prüfungsarbeiten aufgetaucht. Auch bestimmte Sprachstile oder Argumentationsmuster lassen sich per ChatGPT generieren. All diese Texte wirken auf den ersten Blick sogar perfekt. Auf den zweiten herrscht dort allerdings meist Chaos und Ödnis. Persönlichkeiten werden falsch zugeordnet, die historische Chronologie folgt dem Prinzip Willkür, viele Fakten halten der Überprüfung nicht stand. Auch wenn die Grammatik halbwegs stimmt, beziehen die ChatGPT-Texte ihren Unterhaltungswert aus diesem Wirrwarr, den Fehlern und einer daraus folgenden, unfreiwilligen Komik. Daher sind die Texte meiner KI-Konkurrenz auch lustiger als meine.

Gut, hinter ChatGPT verbirgt sich ein digitales Sprachsystem, das über bisher nicht gekannte Fähigkeiten verfügt und auf die geheimnisvolle Zauberformel Künstliche Intelligenz setzt. Doch dessen wundersame Kreationen weisen eben noch immer zu viele Fehler und Unzulänglichkeiten auf, sind großteils über den Status des lustvollen Ausprobierens und Experimentierens noch nicht hinausgekommen.

In den diversen digitalen Kanälen kursiert gerade eine Liste mit Jobs, die ChatGPT ersetzen wird. „Making human journalists redundant“ heißt es dort in der Analyse ebenso wie „Making human copywriters redundant.“ Wortident steht dieser Satz formelhaft hinter jeder der insgesamt 21 aufgelisteten Berufsgruppen – natürlich um deren Bezeichnung abgewandelt. Spätestens nach der dritten Spalte wird es fad. Textlich erstellt wurde diese Liste per ChatGPT.

Auch wenn keine App je so schnell so populär und so verbreitet wurde, scheint die erste Faszinationswelle schon wieder deutlich abzuebben. Die Flut der mit ChatGPT erstellten Porträts, Familien-Chroniken und ähnlicher, vom individuellen Experimentieren getriebener Kurztexte in den sozialen Kanälen ist gegenüber dem Anfangs-Hype jedenfalls merkbar abgeflaut.

Keine Frage, ChapGPT wird sich durchsetzen. Als nützliches Tool für rasche Notizen, kurze Memos, schnelle Zusammenfassungen und ähnliches mehr. Und vielleicht wird es auch irgendwann perfekte journalistische Texte, fundierte Analysen, abwägende Kommentare, ja sogar Literatur verfassen.

Bis dahin, lehne ich mich entspannt zurück und genießen die Konkurrenz mit ChatGPT. Lese immer wieder gerne – mit Vergnügen, auch ein bisschen Schadenfreude (noch?) – ChatGPT-Texte. Habe meine Freude daran, wie sich die einen über dieses Programm und seine Produkte lustig machen und wie sich die anderen fürchten und in Horrorszenarien ergehen. Ich jedenfalls genieße diese Debatten, schaue fasziniert auch die technische Entwicklung und bin gespannt, was die Zukunft mit sich bringt. Nur eines habe ich nicht, Angst, arbeitslos zu werden.

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