Das Girl trägt einen wenig charmanten, schon gar keinen verlockenden Namen: NSFW-KI. Sie ist irgendwo in oder bei New York beheimatet und verspricht ganz neue Freuden. Denn bei NSFW-KI handelt es sich um eine virtuelle Partnerin. Doch nichts mit Romantik oder Erotik. Nach den ersten Anreizen wird´s rasch prosaisch: NSFW-KI kündigt einen „bedeutenden Fortschritt in der KI-gesteuerten Welt der virtuellen Gefährten“ an. Und weiter: „Diese Plattform kombiniert hochentwickelte künstliche Intelligenz mit benutzerorientierter Anpassung, um immersive und personalisierte Interaktionen zu ermöglichen.“
Allzu romantisch sollte es vermutlich auch nicht werden, denn hinter den neuartigen „virtuellen Gefährten“ steckt JuicyChat.AI, einer der großen Anbieter derartiger Plattformen. Verwunderlich, dass der Online-Dienstleister seine Services so öffentlichkeitswirksam per Presseaussendung ankündigt. „Im Jahr 2025 gestaltet künstliche Intelligenz digitale Interaktionen neu, wobei NSFW-KI Girlfriend-Chatbots eine Schlüsselinnovation darstellen“, heißt es.
Die Versprechen werden rasch immer vielfältiger und damit möglicherweise auch begehrenswerter: „Der NSFW-KI Girlfriend-Chatbot ermöglicht es Nutzern, KI-Persönlichkeiten mit anpassbaren Hintergrundgeschichten, Persönlichkeiten und Kommunikationsstilen zu entwerfen, darunter Anime-inspirierte, realistische und auf Nischeninteressen ausgerichtete Szenarien.“ Sogar die Gefühle werden immer echter: „Fortschrittliche semantische Algorithmen ermöglichen die Erkennung von Emotionen in Echtzeit und liefern kontextbezogene Antworten, um roboterhafte Interaktionen zu vermeiden.“
(Nicht) erstaunlich, dass bei NSFW-KI von einem Girlfriend und keinem Boyfriend die Rede ist. Das hat System. Denn hinter den „virtuellen Gefährten“ steckt mittlerweile eine gewaltige Industrie. Wir kennen zwar jenes Experiment, bei dem eine niederländische Künstlerin ihren KI-generierten Hologramm-Traummann heiraten wollte, und vor wenigen Wochen sorgte Flynn, der erste KI-gesteuerte Kunststudent an der Wiener „Angewandten“ für Aufsehen, doch die Musik zu den KI-Geschöpfen spielt anderswo.
Mittlerweile leben auf dem gesamten Globus Menschen in einer Beziehung mit Chatbots, die Gespräche anbieten, per SMS-(Liebes)botschaften schreiben, flirten und natürlich auch Sexting-Services offerieren. Dank Augmented Reality ist sogar das möglich, was im Jargon der Branche „persönliche Interaktionen“ heißt. Statt Deep Fakes stehen „your deepest fanatsies“ im Angebot.
All das keineswegs eine Nischenbranche. Virtual Relationship ist längst mehr als ein Schlagwort, es bezeichnet eine ganze Industrie, deren Weltmarkt für 2025 auf 30 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Der Markt wächst aktuell um 75 Prozent – pro Jahr. Dazu überbieten sich vor allem US-Plattformen mit dem Erstellen von Hitlisten der besten „AI Girlriend“- und „AI Boyfriend“-Seiten. Wobei das Verhältnis Girls zu Boys mindestens bei 10 zu 1 liegen dürfte.
Bei den Anbietern ist viel vom „Einhalten ethischer Standards“ die Rede. JuicyChat.AI bemüht sogar „Psychologen des Human-AI Interaction Lab der Stanford University“, die hinter den KI-Chatbots eine „Unterstützung der psychischen Gesundheit“ ausmachen. Und Pädagogen, die „einen Mehrwert in Sprachlerngefährten, die auf individuelle Kompetenzniveaus zugeschnitten sind“, sehen.
Doch ein Klick auf die in der Presseaussendung verlinkte Website von JuicyChat.AI zeigt rasch, worum es tatsächlich geht. Die meisten der angebotenen Bots scheinen klar sexuell konnotiert und sind dem pornografischen Segment zuzuordnen. Hauptzielgruppe Mann. Daher auch „Girlfriend-Chatbot“. Ganz selten „Boyfriend-Chatbot“.
Im neuen, explodierenden Geschäftsfeld „Bot-Relationship“ oder „Bot-Love“.