Herr Gorfer, Sie haben sowohl auf Agentur- als auch auf Unternehmensseite Erfahrung gesammelt. Was waren die ausschlaggebenden Gründe für Sie, Anfang des Jahres wieder in der Agenturszene Fuß zu fassen?
Jan Gorfer: Ich bin in der Agenturszene groß geworden und war fast 15 Jahre lang in Agenturen tätig. Später hat mich aber auch die Unternehmens- und Auftraggeberseite interessiert. Was mich jedoch besonders an der Agenturszene reizt, ist, dass man eine extreme Flexibilität mitbringen muss. Man arbeitet ständig mit unterschiedlichen Branchen und wird vor unterschiedliche Herausforderungen gestellt. Dort kommt es wirklich darauf an, wie gut und schnell man sich in die Problemstellungen der jeweiligen Unternehmen hineinversetzen kann. Letztlich hat mich das Projekt Plan.Net extrem gereizt, weil es etwas ist, was man von null weg aufbauen muss. Wann kann man denn schon auf einem weißen Blatt Papier zu zeichnen beginnen und hat trotzdem das Backing von einer Wien-Nord-Serviceplan oder einer Mediaplus.
Plan.Net ist eine Digitalagentur, diese haben den Blick in die Zukunft gerichtet und sollten immer die Ersten bei neuen Technologien sein. Glauben Sie, dass Artificial Intelligence oder Machine Learning bald unerlässlich für die Branche sein werden?
Jan Gorfer: Ich glaube, dass man hier differenzieren muss. Es wird immer unsere Aufgabe sein, vorne mitzumischen und die aktuellsten Trends und Entwicklungen zu kennen. Wir haben aber auch die Freiheit, aktiv zu entscheiden. Man kann sich auch aktiv gegen einen Trend entscheiden. Viele Unternehmen denken schon einen Schritt zu weit, sind aber noch nicht bereit dafür. Man kann auch Fast Follower sein, das ist total fein. Man muss nicht First Mover sein. Oft braucht es erst eine Prozessumstellung und eine Kulturumstellung, damit derartige Trends effektiv verwendet werden können.
Die DSGVO und Cookie-Richtlinien haben relativ große Einschnitte im Digitalbereich zur Folge. Wie stehen Sie persönlich zu diesen Veränderungen?
Jan Gorfer: Alles was Persönlichkeitsrechte im Bereich Daten schützt und mir selbst die Wahl lässt, halte ich für gut. Da spreche ich jetzt als Jan Gorfer und nicht als jemand, der darauf angewiesen ist, dass dies so einfach wie möglich funktioniert. Es ist richtig, die Macht in Richtung der User selbst zu verlagern, und den Leuten die Möglichkeit zu geben, sich zu entscheiden. Die Umsetzung ist zwar nicht ideal, aber der Grundgedanke stimmt.
Aufgrund der Corona-Krise hat die Bevölkerung mehr Zeit denn je im Internet und den eigenen vier Wänden verbracht. Haben Sie – als Digitalagentur – durch die Krise profitiert?
Jan Gorfer: Andere Branchen haben dadurch auch einen Aufschwung erlebt. Wir haben ebenso gute Chancen gehabt, aber man muss diese auch nutzen. Wir sind ja nicht die einzige Digitalagentur in Österreich. Dazu muss man frühzeitig erkennen, was die Themen seiner Kunden und Partner sind. Ich habe ein Mindset, bei dem es nicht darum geht, selber so viel Geld wie möglich zu verdienen, sondern den Unternehmen zu helfen. Da denkt man ein bisschen anders.
Durch Streaming-Giganten wie Netflix und Spotify fällt es immer schwerer, vor allem die junge Zielgruppe, über traditionelle Medien zu erreichen. Welche Werbeträger würden sie konkret empfehlen, um die Jugend heutzutage zu erreichen?
Jan Gorfer: Was bedeutet „Jugend“? Ich glaube diesen Begriff gibt es so nicht. Wir Menschen sind sehr unterschiedlich und das hat nichts mit dem Alter zu tun. Es gibt immer noch „jüngere“ Zielgruppen, die gut mit klassischem TV angesprochen werden. Die Frage stellt sich für mich weniger nach dem Kanal, sondern nach dem Ziel. Ja ich arbeite in einer Digitalagentur. Ja ich weiß, was digital kann. Aber ich habe keine Digitalscheuklappen. Manchmal ist ein Plakat trotzdem besser als ein Banner.
In Kooperation mit dem Studiengang Marketing & Kommunikation der Fachhochschule St. Pölten veröffentlicht Internet World Austria Interviews mit Experten aus der heimischen Marketing‑, Werbe‑, und Medienszene. Dieses Interview wurde im Zuge der Kooperation von David Zier und Benedikt Wolfsberger geführt. Das redaktionelle Coaching erfolgte durch die Internetworld.at-Redaktion.