Straßenbau sei Ländersache, hatte der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl einst gemeint, als er zum Thema Datenautobahn befragt wurde. Das war allerdings 1995. Das Internet steckt damals noch tief in den Kinderschuhen und hatte sich längst noch nicht zum Phänomen für die breite Masse entwickelt.
Ein bisschen steht die Aussage von Helmut Kohl auch heute noch symptomatisch für das Verhältnis vieler europäischer Politiker und Politikerinnen zur Digitalisierung. Es fehlt vielfach am Verständnis, am Zugang und am Zustand dazu. Da wird dann hopatatschige damit umgegangen und aktionistisch irgendetwas umgesetzt – und damit ist nicht nur das selig entschlafene Kaufhaus Österreich gemeint.
Ob Datenhighway, digitale Echokammer, Künstliche Intelligenz oder Metaverse – Europa, im speziellen seine Politik – von Ausnahmen einmal abgesehen – tut sich schwer damit. Das mag zum einen an der Lebensrealität von Politikern und Politikern liegen – aber um näher am wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Alltag zu sein, beschäftigen sie ja auch einen Stab an BeraterInnen –, zum anderen an den völlig unterschiedlichen Geschwindigkeiten und den diametral entgegengesetzten Taktfrequenzen.
Politik ist langsam. Viel zu oft rückwärtsgewandt. Die digitale Welt ist schnell, atemlos, kennt keinen Stillstand, kennt keinen Rückspiegel, Blick nach vorne, treibt sich selbst unaufhörlich an- und weiter. Die Motoren für diese rastlose und extrem dynamische Entwicklung stehen in den USA und in Asien, ihre Katalysatoren und Beschleuniger sind im Silicon Valley, in indischen Millionenstädten und in chinesischen Wirtschaftszentren stationiert. Aber kaum irgendwo in Europa.
Leider scheint Europa – und das liegt nicht nur an der Politik – auch bei der KI wieder einmal abgehängt zu werden. Fast stündlich laufen über irgendwelche Ticker, Plattformen oder sonstige Dienste Meldungen zu den aktuellsten Entwicklungen ein. Sie stammen aus aller Welt. Europa kann da nicht mithalten. Auch wenn vereinzelte Nachrichten ihren Ursprung sogar am alten Kontinent haben. Dabei handelt es sich allerdings meist um Anwendungen, vielfach nur Testläufe oder Versuche, wenig um eigene Entwicklungen.
Doch schon kommt aus den Reihen der EU die erste Info, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz geregelt werden soll. Erstmals! Darauf zeigt man sich in den politischen Reihen sogar stolz. Regeln, Verordnungen und Gesetze mögen im Sinne der Konsumenten und dem Umgang mit sensiblen, persönlichen Daten auch sinnvoll sein, zu befürchten ist allerdings, dass aus „Gut gemeint“ rasch wieder ein „Nicht gut gemacht“ wird. Dass aus Kontrolle rasch Einschränkung wird.
Doch genau das kann die Digitalbranche in Europa gerade so gar nicht brauchen. Sie braucht Spielräume, Unterstützung, Anfeuerung, den deutlich erkennbaren Willen, ganz vorne mitspielen zu wollen. Dazu sind allerdings die Ankündigungen zu „ersten“ Initiativen schon wieder äußerst dünn gesät.
Lasst die europäischen Unternehmen in diesen Segmenten lieber einmal experimentieren, Gedanken spinnen und Ideen entwickeln. Dann ist auch Europa in dem einen oder anderen Segment als Taktgeber vorne mit dabei.
So wie es aussieht, rast Europa auf den digitalen Highways ohnedies nicht gerade mit uneingeschränktem Tempo dahin. Europa muss aber auch nicht gleich planlos die erste Abzweigung auf ein Nebengleis nehmen und dort mit voller Wucht auf den legistischen Prellbock zurasen.