Die rechtliche Betrachtung
Obwohl es die omnipräsente DSGVO schon seit 2018 gibt, scheint diese mehr denn je die Headlines der großen Nachrichtenportale zu dominieren. Hier ein paar Stichworte zur Einordnung: Max Schrems, Google Fonts, Consent Banner, Teilbescheide über die Illegalität von Google Analytics sowie hohe Strafen für Apple, Google und Meta. Weltweit gilt die DSGVO übrigens als Goldstandard des personenbezogenen Datenschutzes, dem sich unzählige weltweite Gesetze angleichen. Hierauf können wir „langsamen Europäer” durchaus stolz sein.
Dass die großen amerikanischen Technologiekonzerne im Lichte derselben Verordnung extrem kritisch zu betrachten sind, hinterfragt unser gesamtes Marketing-Ökosystem. Egal ob es sich dabei und Suchmaschinenwerbung, Website-Analyse, E‑Mail-Programme, CRM-Tools oder simple Einbindungen in Websites handelt. Betroffen ist de facto jede Website. Dennoch ist es falsch, jedes amerikanische Software-Lösung als illegal abzustempeln: Sehr wohl ist es möglich, diese Tools weiter zu nutzen, zum Beispiel durch sogenannte Supplementary Measures, die in der DSGVO spezifiziert werden, um eben den Fortbestand bestehender Technologien zu sichern.
Eine naheliegende politische Lösung, das „TADPF”, zeichnet sich zwar ab. Der Ball liegt nun bei den EU-Institutionen, und die Datenschützer scharren bereits in den Startlöchern, um gegen eine solche Abmachung vorzugehen.
Immer mehr bemerken wir auch einen Wertewandel der Branche, die sich kritisch die Frage stellen muss: Ist es für uns als verantwortungsbewusstes Unternehmen wirklich moralisch in Ordnung, wenn wir personenbezogene Daten unserer Kunden in die große weite Welt verschicken? Noch dazu, ohne deren Zustimmung oder mit erschlichenem Consent, Stichwort „Alle akzeptieren”, ohne „Alle ablehnen” zu können? Unzählige Male erblickt der durchschnittliche Website-User dieses Statement im Consent-Banner: “Wir respektieren Ihre Privatsphäre”. Laut allen Untersuchungen tun dies übrigens mehr als 90 Prozent der Unternehmen … nicht.
Fragen Sie gerne Ihre Datenschutzbeauftragten, inwiefern Ihre Website rechtskonform ist. Sie werden erstaunt sein.
Die technische Betrachtung
Das uns bekannte Digital Marketing lebt sehr stark von den Third Party Cookies, die zwar seit Jahren totgeredet werden, sich aber noch immer größter Beliebtheit erfreuen: Der Großteil der Retargeting- sowie Programmatic-Anbieter verlässt sich darauf, und auch die klassische Website-Analyse via Google Analytics schwört auf diese Technologie. Leider aber sind diese Cookies ein Auslaufmodell: In den vergangen Jahren haben die Browser den Einsatz von Third-Party-Cookies massiv eingeschränkt. Alle Browser? Nein, nur einer leistet Widerstand: der Google Chrome Browser. Google hat zwar bereits drei mal angekündigt, das Third-Party-Cookie-Monster bald nicht mehr zu füttern, dies aber danach zweimal revidiert.
Zudem steigt die Adblocker-Nutzung und deren Auswirkungen an, da nicht nur Werbung, sondern auch Tracker und Consent Bars geblockt oder sogar automatisch abgelehnt werden. Die Konsequenz: Viel schlechtere Daten, die ja eigentlich als die Entscheidungsgrundlage für das Unternehmen dienen sollten. Ganz abgesehen vom bescheideneren Inventar von Medienhäusern.
Die organisatorische Betrachtung
Dies ist die unmittelbare größte Herausforderung der Branche. Die Stichworte dazu: Fachkräftemangel, Personalprobleme, keine oder schlechte Bewerbende, die “Faulheit” der jungen Generation, “the great resignation” und so weiter. Doch so einfach ist es nicht: Ein hochkomplexes Mosaik aus mehreren Faktoren führt zum perfekten Sturm. Zum einen wächst die Nachfrage nach Digital-Profis viel schneller als das Angebot. Doch woher soll diese kommen?
Ebenfalls hat unsere Industrie über die Jahrzehnte durchaus toxische strukturelle Probleme produziert. All-In-Verträge, niedrige Einstiegsgehälter, schlechte Firmenkulturen und der permanente Pitch-Druck sind für viele junge Menschen kein attraktives Szenario mehr. If you pay peanuts, you will get monkeys.
Oft wird “den Jungen” auch vorgeworfen, faul zu sein und generell weniger arbeiten zu wollen. Bis jetzt habe ich dazu noch keine einzige valide wissenschaftliche Studie gesehen, sondern nur Meinungen von oft verbitterten CEOs gehört. Ob die „Jungen” wirklich anders sind, oder ob wir als „die Alten” einfach altern, bleibt offen.
Abgesehen vom Personalproblem ist natürlich auch die neue Arbeitswelt “New Work” eine stetige Veränderung, die die Corona-Pandemie massiv beschleunigt hat. Für viele Unternehmen ist es schwer, hier Schritt zu halten, was wiederum den Wert der Employer Brand senkt, und damit zu geringeren Bewerberzahlen führt. Womit das Problem wieder von vorn anfängt …
Lukas Hetzendorfer ist Sales Manager beim österreichischen Privacy Scale-Up JENTIS. Darüber hinaus betreibt Hetzendorfer, der davor bei Google, T‑Mobile und mediacom tätig war, eine Unternehmensberatung.